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Politische Analyse - Schwarz-türkise Zweckehe
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Othmar Karas und die Volkspartei hadern schon lange miteinander. Sie brauchen einander jedoch – und das macht Berichte, er könnte eine eigene Liste gründen, so brisant.

Analyse

Als Othmar Karas Mitglied des Europäischen Parlaments wurde, hieß der Bundespräsident Thomas Klestil und der Kanzler Viktor Klima (SPÖ). Im Juli 1999 war das. Daran, die EU-Wahl im kommenden Juni zu nützen, um sich mit 66 in den Ruhestand zu begeben, denkt er jedoch nicht. Im Gegenteil, er will es noch einmal wissen. Die liberale Demokratie und das europäische Projekt seien gefährdet, sagte er und verweist auf nationalistische, aber auch populistische Strömungen, denen man entgegentreten müsse.

Problem: Karas gehört der türkisen Volkspartei an, die seit Sebastian Kurz die EU eher nur verwendet, um sich öffentlichkeitswirksam an ihr zu reiben. Im Übrigen zeigt sich auch ihr nunmehriger Obmann, Bundeskanzler Karl Nehammer, gerne mit dem größten Antieuropäer unter den Regierungschefs, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der die liberale Demokratie bekämpft, wo er nur kann.

Entsprechend oft hadern Othmar Karas und seine Volkspartei miteinander. Das Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien findet er im Unterschied zu ihr "unsäglich", und in Bezug auf die illegale Zurückweisung von Geflüchteten fordert er ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland, was sie wiederum als bloße "Einzelmeinung" abtut.

So gesehen erscheint es unmöglich, dass er für sie noch einmal bei einer Europa-Wahl antritt. In Wirklichkeit brauchen die beiden einander jedoch. Für ihn, der derzeit Erster Vizepräsident des 705 Mitglieder zählenden Parlaments ist, ist es wichtig, durch sie der großen christdemokratischen Fraktion anzugehören. Das verleiht ihm Gewicht. Außerdem ist er ein Tiefschwarzer und steht an der Spitze des Hilfswerks, einer karitativen Organisation, die zu den ÖVP-nahen Vereinigungen gezählt wird. Da sagt man nicht so einfach Adieu und gründet eine eigene Liste.

Gerüchte, er werde dies tun, würden nicht von ihm stammen, betont Karas immer wieder. Sie können ihm aber recht sein, weil die Partei so unter Druck kommt: Sie wird ihn wohl oder übel zu ihrem Spitzenkandidaten küren müssen. Zumal Europaministerin Karoline Edtstadler, die dafür infrage gekommen wäre, bereits abgewunken hat. Und zumal er halt doch ein echter Stimmenbringer ist. Das ist belegt. Selbst unter Sebastian Kurz war er das beim Urnengang vor vier Jahren. Das ergab eine Wahltagsbefragung des Sozialforschungsinstituts Sora.

Jetzt ist er als solcher noch viel wichtiger für sie: Nehammer mag sich bemühen, FPÖ-Anhänger zu umwerben, um einen größeren Absturz zu verhindern. Gegen Herbert Kickl ist das bisher jedoch aussichtslos. Also ist die Volkspartei auf eine bürgerliche Wählerschaft reduziert, die noch vorhanden ist. Da wäre eine eigene Liste von Karas ein Albtraum für sie. Sie ist selbst auf ihn angewiesen: Er darf ihr diese Wählerschaft nicht nehmen, sondern muss ihr zumindest diese retten.

Zahl

Es geht um Abstiegsängste

Es geht um Abstiegsängste

Österreich ist weit davon entfernt, ein armes Land zu sein, es gibt jedoch Prozesse, die man sehen sollte: Jeder vierte Haushalt kann unerwartete Ausgaben von 1.300 Euro nur auf Pump tätigen. Schon aus jedem zehnten heißt es, dass sich nicht einmal alle zwei Tage eine Hauptmahlzeit für sämtliche Mitglieder ausgehe. Tendenz steigend. Zu entnehmen ist das Ergebnissen regelmäßiger Befragungen, die die Statistik Austria unter dem Titel "Krisenfolgen" durchführt.

Alles in allem sind immer mehr Menschen unzufrieden mit ihrer finanziellen Lage und geben auch immer mehr an, dass es schwer für sie ist, mit dem Geld, das ihnen Monat für Monat zur Verfügung steht, über die Runden zu kommen.

Erwartungshaltungen haben sich zudem eingetrübt: 63 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten, nur elf mit einer Verbesserung. Das sind nicht einmal halb so viele wie vor einem Jahr (25 Prozent).

Natürlich: Es handelt sich um subjektive Angaben. Politisch sind sie jedoch entscheidend. Wenn eine Masse das Gefühl hat, dass sich die Verhältnisse verschlechtern, müssen sich Regierende bei Wahlen auf größere Verluste einstellen. Es kommt zu Abstiegsängsten, die besonders Vertreter der Mittelschicht zu rechten Parteien tendieren lassen, wie eine Studie der Wiener Wirtschaftsuniversität bestätigt.

Nicht so sehr wirtschaftliche Not treibe Wählerinnen und Wähler zu diesen, sondern die Befürchtung, dass es zu Verlusten kommen könnte, so die Studie. Verstärkt werde diese Befürchtung, wenn Menschen aus der persönlichen Umgebung wirklich verlieren würden. Rechte Parteien könnten am ehesten davon profitieren, weil sie eine Rückkehr zu einer vermeintlich besseren Vergangenheit versprechen, Unmut über "Eliten" schüren und oft auch erklären würden, dass Migration bei dem Ganzen eine Rolle spiele.

Bericht

Mittelschicht hat keine Million

Mittelschicht hat keine Million

Zumindest das hat SPÖ-Chef Andreas Babler erreicht: In Österreich wird wieder einmal über eine Millionärsabgabe diskutiert. Babler versteht darunter eine Besteuerung von Vermögen und Erbschaften ab einer Million Euro. Schon Viktor Klima, einer seiner Vorgänger, hat vor mehr als zehn Jahren Ähnliches gefordert. Die Million, die er nannte, entspricht heute inflationsbereinigt allerdings eineinhalb Millionen.

Doch Babler ist bei der einen Million geblieben. Was wiederum Gegner einer solchen Steuer als Ermunterung betrachten, zu warnen, dass zunehmend auch Teile der Mittelschicht davon betroffen wären. Beziehungsweise Leute, die ein Haus in bester Lage besitzen, dessen Wert zuletzt gestiegen ist. Eine Untersuchung der Nationalbank relativiert das. Und zwar massiv. Erstens: Die untere Hälfte der Haushalte besitzt wenig bis nichts. Fast alle leben in Miete. Zweitens: In der Mitte beträgt das durchschnittliche Vermögen keine 150.000 Euro. Drittens: Auf mehr als eine Million kommen erst Haushalte im obersten Zehntel. Eigenheime sind dabei berücksichtigt.

Dennoch verweist das Ganze darauf, wie vage Ideen für eine Millionärsabgabe in der Regel sind. Einerseits wird das damit begründet, dass es zunächst nur um eine Grundsatzdebatte zur Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit gehe und dass sich eine Summe von einer Million besser dafür eigne als eine solche von heuer eineinhalb und im kommenden Jahr vielleicht 1,58 Millionen Euro. Andererseits nimmt man damit jedoch in Kauf, dass leichter Stimmung dagegen gemacht werden kann.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at

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