Oligarchen und ihr Faible für Österreich

Putin-nahe Milliardäre wie Strabag-Aktionär Oleg Deripaska haben auch in Österreich investiert. Von den Sanktionen aufgrund des Ukraine-Kriegs dürften die meisten hierzulande jedoch nur wenig spüren. Auch weil ihre Aktivitäten und geschäftlichen Konstruktionen oft schwer durchschaubar sind.

von Wladimir Putin und Oleg Deripaska © Bild: imago/ITAR-TASS

Ob Luxusboutique in der Wiener City, im Duty-free-Shop am Airport, im Haubenrestaurant am Arlberg oder bei diskreten Immobilienmaklern quer durchs Land - die längste Zeit waren vermögende Russen gern gesehene Gäste und Kunden in Österreich. Eine Reihe schwerreicher Oligarchen - allen voran der Industrielle und Putin-Vertraute Oleg Deripaska - hat sich in der Alpenrepublik zudem wirtschaftlich engagiert und ist von offiziellen Stellen mit offenen Armen begrüßt worden. Beziehungen, die bisher also durchaus auf Gegenseitigkeit beruhten.

Selbst Kriegstreiber Putin war in der Vergangenheit öfters zu Besuch in Österreich -sei es im Rahmen von Wirtschaftsmissionen, zum Skifahren mit Weltmeister Karl Schranz oder als Gast bei der Hochzeit von Ex-Außenministerin Karin Kneissl, deren Hofknicks vor dem Kreml-Chef für internationale Schlagzeilen sorgte.

Reiz der Alpenrepublik

"Österreich und Wien gehören zu den prioritären Zielen reicher Russen. Sie sind zwar auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Frankreich und der Schweiz präsent, zu Österreich haben sie aber durchaus ein besonderes Verhältnis", sagt Gerhard Mangott, Russland-Experte und Professor für internationale Beziehungen an der Uni Innsbruck. "Das Image bei den Russen war bisher sehr gut, weil Österreich als freundschaftliches Land betrachtet wurde -auch aufgrund seiner Neutralität." Dazu komme noch, dass die Alpenrepublik als kulturelle Weltmacht gesehen werde und Gastronomie, Charme und gebotene Lebensqualität auf Zuspruch stießen, so der Wissenschaftler. "Österreichische Unternehmen sind außerdem starke Investoren in der ehemaligen Sowjetunion, da hat es natürlich enge Kontakte zur dortigen Reichenschicht gegeben."

Mangott verweist ebenso wie Ex-Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl auf die historische Verbindung zweier Imperien (im Fall Österreichs eines ehemaligen), die kulturell nachwirkten. "Aufgrund der Monarchie hatte Österreich ein viel besseres Verständnis für die slawische Seele als viele andere europäische Länder und hat vonseiten Russlands mehr Wertschätzung erfahren, als es der Größe des Landes entsprochen hat", so Leitl, der bislang als Putin-Versteher galt, sich aber heute angesichts der aktuellen Entwicklung "sehr enttäuscht und traurig" zeigt.

Seit der Ukraine-Invasion ist es mit der Sympathie für die Russen und den gegenseitigen Freundschaftsbekundungen definitiv vorbei. Zwar haben die USA und die EU schon seit Jahren Sanktionen gegen Russland und Kreml-nahe Unternehmer verhängt, mit dem Angriffskrieg an der Grenze zur EU verbunden mit gezielten Angriffen auf die Zivilbevölkerung wurden diese aber drastisch verschärft. Mit dem Ziel, Russland politisch, finanziell und wirtschaftlich zu isolieren.

Sanktionen gegen Supereiche

So droht etwa dem wohl bekanntesten und in Society-Kreisen hofierten Oligarchen Roman Abramowitsch der Entzug seines Privatvermögens in der EU - ebenso wie 14 weiteren Milliardären, die zum inneren Kreis von Wladimir Putin gehören sollen. Abramowitsch, dessen Vermögen auf mehr als elf Milliarden Euro geschätzt wird, gehört u. a. der Fußballklub FC Chelsea. Wegen der Sanktionen wurde er als Direktor des Klubs gesperrt; der FC Chelsea darf weder Spielertransfers tätigen noch Eintrittskarten verkaufen und musste alle Fanshops schließen - und steht nun offiziell zum Verkauf.

Roman Abramovich
© IMAGO/PA Images Dem kolportierte elf Milliarden Euro schweren Oligarchen Roman Abramowitsch gehört auch der FC Chelsea. Der Fußballclub steht nun zum Verkauf und ist wegen der Sanktionen am Rande der Insolvenz
 Igor Schuwalow
© IMAGO/ITAR-TASS REPRÄSENTATIVES ANWESEN. Der frühere Vizepremier Igor Schuwalow soll das Waldschlössl am Attersee besitzen. Offiziell gehört es einer Liegenschaftsverwaltung mit Sitz am Wiener Flughafen -und es gibt eine Verbindung nach Liechtenstein

In Österreich muss Abramowitsch dagegen wenig befürchten, ist doch lediglich bekannt, dass seine Tochter Anna in Fuschl unlängst eine Seeliegenschaft erworben hat. Der Oligarch selbst soll für kolportierte 27 Millionen Euro ein Gebäude in feinster Lage am Wiener Kohlmarkt erworben haben, wie der "trend" jüngst berichtete. Das Wirtschaftsmagazin listet auf, welche Oligarchen hierzulande investiert sind. Etwa der 3,5 Milliarden schwere Rashid Sardarov, der im niederösterreichischen Rohr im Gebirge das 214 Hektar große Gut Brunntal samt Jagdrevier und Hubschrauberlandeplatz erworben und sich als lokaler Wohltäter hervorgetan hat. Putins Ex-Vizepremier und jetzigem Chef der russischen Außenwirtschaftsbank, Igor Schuwalow, wieder soll das mit Antiquitäten und Kunst ausgestattete Waldschlössl am Attersee gehören. Und zwar über die Burgau Liegenschaftsverwaltung mit Sitz am Flughafen Wien mit Verbindung zu zwei Gesellschaften in Liechtenstein, hinter denen Schuwalows Tochter stehen soll. Auch Anton Mikhalkov, Chef des größten Wasserversorgers in Russland, Rosvodokanal, soll am Attersee residieren.

European Union Consolidated Financial Sanctions List
© News/EUROPEAN COMMISSION

SANKTIONSLISTE. Russlands Präsident Putin ist gewissermaßen die Nummer eins auf der Sanktionsliste der EU. Insgesamt umfasst das 673 Seiten lange Dokument über 800 Personen. Regelmäßig wird die Liste aktualisiert. Neben Politikerkollegen wie Außenminister Sergej Lawrow findet man darauf auch eine Reihe sogenannter Oligarchen. Einer von ihnen ist Alischer Usmanow, mit seiner Firma Metalloinwest größter Eisenproduzent Russlands

Ein besonders guter Freund des russischen Präsidenten und offiziell Eigentümer von Putins angeblichem Megapalast am Schwarzen Meer ist der kolportiert drei Milliarden Dollar schwere Arkadi Rotenberg. Ihm sollen über einen Strohmann die drei Kärntner Hotels Wulfenia, Sonnenalpe und Nassfeld gehören. Und der Ex-Moskau-Chef der Partei "Einiges Russland", Andrey Metelskiy, soll Eigentümer der zwei Hotels Maximilian und Tirolerhof in Serfaus, des Mozart in Ried im Oberinntal und des Strudlhof in Wien sein. Gelenkt wird das Business in Österreich von seinem Sohn über eine Wiener Holding, heißt es.

Putin und Arkadi Rotenberg
© imago images/ITAR-TASS Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Vertrauter Milliardär Arkadi Rotenberg. Rotenberg soll über einen Strohmann der Eigentümer von drei Hotels am Kärntner Nassfeld sein

Auch dem Eigentümer der Kunstmesse viennacontemporary, Dmitry Aksenov, der sein Geld im Baugeschäft gemacht hat und u. a. auch beim Start-up-Fonds Speedinvest investiert sein soll, wird ein Luxusappartement in Wien zugeschrieben.

Boris Mints
© imago/ITAR-TASS REICHER INVESTOR. Boris Mints ist im Immobilien-und Finanzierungsgeschäft tätig, war früher an der CA Immo beteiligt und soll auch an der Immofinanz interessiert gewesen sein.

Undurchsichtige Konstruktionen

Wie viele Oligarchen und vermögende Russen in Österreich tatsächlich residieren bzw. Nebenwohnsitze unterhalten, ist freilich unbekannt. Einerseits weil Immobilienmakler und Projektentwickler, die in der Vergangenheit viel Geschäft mit ihnen gemacht haben, heute lieber schweigen, andererseits auch weil immer wieder Umgehungskonstruktionen zur Verschleierung der tatsächlichen Eigentümer zur Anwendung kommen. So sind etwa auch die Österreich-Aktivitäten von Andrei Akimow, einem alten Freund Putins und CEO der Gazprombank, der schon in den späten 1980er-Jahren in Wien war, besonders schwer zu durchschauen, heißt es. Laut "trend" sollen dabei die IMAG Invest und die EAF Holding von Elena Akimowa eine wesentliche Rolle spielen. Und Vladimir Krupchak, der jahrelang für Putins Partei in der Staatsduma saß, wiederum soll über eine Schachtelkonstruktion eine Villa in Hinterbrühl bei Baden besitzen.

In der Regel gehen die Superreichen hierzulande ausgesprochen unauffällig vor -ganz im Gegensatz zu Jelena Baturina, der Frau des ehemaligen Moskauer Oberbürgermeisters Juri Luschkow.

Jelena Baturina und der verstorbene Moskauer Ex-Bürgermeisters Juri Luschkow
© IMAGO / ITAR-TASS Die ehemals reichste Russin, Jelena Baturina, die Frau des mittlerweile verstorbenen Moskauer Ex-Bürgermeisters Juri Luschkow, war einer der ersten russischen Investoren in Österreich und sorgte mit ihren Auftritten für reichlich Aufsehen

Die einst reichste Russin kaufte sich nach der Jahrtausendwende in Tirol ein und sorgte mit ihren Auftritten immer wieder für Aufsehen -etwa wenn sie in drei Mercedes G voll mit Bodyguards zu Terminen erschien oder Handwerker bar mit Dollars bezahlte. "Die Zeiten, als russische Geschäftsleute eine Flasche Wodka statt einer Flasche Wein wie bei uns üblich auf dem Tisch stehen hatten, sind aber längst vorbei", sagt Tourismusberater Thomas Reisenzahn zu typischen Russen-Klischees.

Schwierige Zuordnung

Nicht nur wegen der diskreten Vorgangsweise ist es für Geschäftspartner, Banken und Behörden häufig alles andere als einfach, den Sanktionen unterliegendes Vermögen überhaupt zu identifizieren und zuzuordnen. Stark vereinfacht könnte man sagen: Wer es schafft, Steuern zu optimieren und zu vermeiden, der schafft es auch, Vermögen zu verstecken. Oder zumindest so zu deklarieren, dass nicht letztgültig zu klären ist, wem es gehört. Daher ist es manchmal fast unmöglich, Immobilien, Aktiendepots oder Luxusyachten zuzuordnen, die ihre Eigentümer über Briefkastenfirmen, Trusts oder andere Konstruktionen halten. Trotz gefühlt hoher Oligarchendichte in Österreich scheinen in Firmen und Grundbuch nach Auskunft des Innenministeriums gerade einmal zwei von über 800 sanktionierten Russen eindeutig zuordenbar auf. Im Gegensatz zu offiziellen Niederlassungen russischer Unternehmen wie Lukoil oder Sberbank.

Sberbank
© imago images/SKATA RUSSISCHE NIEDERLASSUNGEN. Unternehmen aus der ehemaligen Sowjetunion wie die Sberbank oder Lukoil mit Sitz in Wien kommen angesichts der westlichen Sanktionen immer stärker unter Druck. Es ist fraglich, ob bzw. wie es mit ihnen weitergeht

Wie reagiert nun also Österreich? Bei der Umsetzung der Sanktionen orientiert man sich hierzulande am gemeinsam auf europäischer Ebene abgesprochenen Vorgehen. Das bedeutet: kein strengeres, aber auch kein zurückhaltenderes Handeln. Die Streichung oder das Hinzufügen von betroffenen Personen ist nicht erlaubt. Dies laut Außenministerium, um so Verzerrungen auf dem EU-Binnenmarkt zu vermeiden. Wer immer Geschäfte mir Russen macht: Das Ignorieren von Sanktionen ist jedenfalls keine gute Idee. Neben hohen Geld-sind bei Verstößen auch mehrjährige Freiheitsstrafen vorgesehen. Kontrolliert werden die Sanktionen von der Exportkontrolle im Wirtschaftsministerium, der Nationalbank und der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst im Innenministerium.

Das Einfrieren von Vermögen oder das Verbot von Geschäftsbeziehungen zu sanktionierten Privatpersonen erscheint Experten jedenfalls moralisch vertretbar. Rechtlich ist das jedoch ein Grenzgang, der im schlimmsten Fall sogar mit einer Blamage enden kann. Denn auch Putin-nahe Wirtschaftstreibende haben Grundrechte. Etwa das Recht auf Privatvermögen.

Klagen gegen Eingriffe

"Wir werden wohl bald schon eine Vielzahl an Verfahren sehen, die das Einfrieren von Vermögenswerten als unzulässige Eingriffe beanstanden", glaubt daher August Reinisch, Experte für Wirtschaftssanktionen an der Uni Wien. Schon in der Vergangenheit bekamen Beschwerdeführer in ähnlichen Causae immer wieder recht. Grundrechtseingriffe müssen den Umständen entsprechend angemessen, sprich "verhältnismäßig", sein. Reinisch glaubt, dass die EU nun vorbauen will, indem sie fast jede Sanktion einer Privatperson begründet. "So will man wohl für mögliche Verfahren argumentieren, dass man das nicht willkürlich, sondern wohlüberlegt tut."

Auch Russland-Experte Mangott, der die früher so guten russisch-österreichischen Beziehungen angesichts der aktuellen Ereignisse im Übrigen als "nachhaltig gestört" betrachtet, geht von Klagen vor dem EuGH aus: "Die Frage ist, was letztlich vor Gericht hält. Die betroffenen Personen sind ja nicht in den Krieg involviert und haben keine Straftat begangen."

Strabag-Miteigentümer Oleg Deripaska stand bis zu Redaktionsschluss indes nicht auf der EU-Sanktionsliste. Angeblich weil Österreich für ihn interveniert haben soll - was Bundeskanzler Karl Nehammer jedoch umgehend zurückwies. Allerdings wird Deripaska bereits von Großbritannien und Kanada sanktioniert -zwei Märkte, auf denen die Strabag aktiv ist und Gewinne erwirtschaftet. Nachdem sich Strabag-Mastermind Hans Peter Haselsteiner vergeblich bemüht hatte, Deripaskas 27,8-Prozent-Anteil am Konzern zu übernehmen, kündigte er am Dienstag den Syndikatsvertrag mit dem Oligarchen - und mit dem dritten Miteigentümer, Uniqa/ Raiffeisen. Zudem wird dem Oligarchen die Dividende gestrichen und der endgültige Rückzug aus Russland angekündigt. So soll weitreichender finanzieller Schaden von dem Baukonzern abgehalten werden.

Und der angeblich 3,5 Milliarden Euro schwere Deripaska? Der wird sich unabhängig vom Ausmaß der Sanktionen auf härtere Zeiten einstellen müssen. Zumindest hat er sein um 30 Millionen Euro errichtetes Chalet-Hotel Aurelio in Lech am Arlberg kurz vor Kriegsbeginn verkauft. Zufälligerweise an einen Cousin.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Printausgabe von News 11/2022 erschienen.