Nehammers Himmelfahrtskommando

Der ÖVP-Chef sucht mit einer hochriskanten Strategie die direkte Auseinandersetzung mit Herbert Kickl. Gefährlich werden kann er diesem nur schwer.

von Politische Analyse - Nehammers Himmelfahrtskommando © Bild: Privat

ANALYSE

Wer Herbert Kickl als Bundeskanzler verhindern will, muss sich um eine Koalition gegen seine Partei, die FPÖ, bemühen. Bei einer Nationalratswahl am kommenden Sonntag würde sie zwar vorne liegen, aber keine absolute Mehrheit erreichen. Eine absolute Mehrheit könnte ein Vielparteienbündnis unter Führung von ÖVP und SPÖ zusammenbringen. Kickl müsste dann mit seinen Leuten in Opposition bleiben.

Der selbsternannte "Volkskanzler"-Kandidat kann jedoch beruhigt sein. Ein solches Schicksal hat er weniger denn je zu befürchten: Bundeskanzler, ÖVP-Obmann Karl Nehammer schreckt davor zurück, sich an die SPÖ von Andreas Babler anzunähern. In den vergangenen Monaten haben beide die Distanz zueinander so intensiv gepflegt, dass es in den eigenen Reihen zu Irritationen kommen würde: "Wer gestern als Marxist abgelehnt wurde, kann heute kein Partner sein", könnten zum Beispiel Türkise finden.

Nehammer hat sich für eine andere Strategie entschieden. Er legt es auf ein "Kanzlerduell" mit Kickl an und setzt dafür eine sehr klare Sprache ein. "Er oder ich.""Gestalten oder spalten." Zuletzt bezeichnete er den Freiheitlichen sogar als "rechtsextrem". Das ist beachtlich.

Die Sache hat jedoch so viele Haken, dass ein politisches Himmelfahrtskommando daraus zu werden droht. Die bürgerliche "Presse" stellt diesen Anti-Kickl-Kurs als "Schmäh" dar: Er beziehe sich auf Kickl, nicht aber auf dessen Partei, obwohl diese hinter ihrem Obmann stehe. Es handele sich daher um "ein lachhaftes Manöver".

Und es ist nicht einmal das Gefährlichste aus Kanzlersicht: Inhaltlich orientiert er sich vor allem in der Asylpolitik an freiheitlichen Positionen. Das hat zwar schon Sebastian Kurz getan und dieser ist bei den Nationalratswahlen 2017 und 2019 auch erfolgreich gewesen damit. Das hing aber auch mit seinen Fähigkeiten zusammen, überzeugend zu wirken. Nehammer ist weit davon entfernt. Keine 20 Prozent würden ihn direkt zum Kanzler wählen, über 60 Prozent misstrauen ihm. Er riskiert durch die Übernahme freiheitlicher Zugänge, die FPÖ zu bestätigen und ihr - nach dem "Schmiedl-Schmied-Prinzip" - weitere Stimmen zu bescheren.

Nebenbei bringt er eine Koalitionspräferenz zum Ausdruck: Mit der SPÖ könnte er nur einen Bruchteil seiner Vorstellungen umsetzen, mit der FPÖ viele. Will er Reformerwartungen gerecht werden, die er mit seinem "Österreich-Plan" weckt, kann er letzten Endes also nur an Blau-Türkis interessiert sein.

Das ist ein Signal an Wählerinnen und Wähler, die einen Kanzler Kickl ablehnen und auf Nummer sicher gehen wollen: Unter diesen Umständen kommt eine Stimme für die ÖVP für sie genauso wenig infrage wie eine solche für die FPÖ. Es ist ein Grund für sie, eine andere Partei zu wählen - zumal das Angebot ohnehin breit ist und von Neos bis zu den Kommunisten reicht.

ZAHL

Asyl: Überschätzte Kosten

Die Steuer- und Abgabenquote, die in Österreich weit überdurchschnittlich ist im europäischen Vergleich, solle auf weniger als 40 Prozent gesenkt werden. Seit vielen Jahren ziehen ÖVP-Obleute mit dieser Ansage in Nationalratswahlen, erreicht worden ist das Ziel bisher jedoch nicht. Karl Nehammer, zugleich auch Bundeskanzler, bleibt trotzdem dabei. Er will Entschlossenheit demonstrieren.

Der Schwachpunkt: Seine Entlastungspläne, die etwa eine Reduktion des Eingangssteuersatzes von 20 auf 15 Prozent vorsehen, umfassen keine belastbaren Angaben zur Gegenfinanzierung. Allgemein ist davon die Rede, dass Subventionen gekürzt werden sollen. Oder dass "Zuwanderung ins Sozialsystem" gestoppt werden solle.

Das unterstellt, dass insbesondere Asylwerberinnen und Asylwerber eine so große Budgetbelastung darstellen würden, dass man sich ohne sie spürbare Steuersenkungen leisten könnte. Das ist jedoch ein Irrtum. Es trägt eher nur dazu bei, dass die Kosten überschätzt werden.

Beispiel: 2022 haben die gesamten Sozialausgaben Österreichs mehr als 130 Milliarden Euro ausgemacht. Ein großer Teil davon entfiel auf Pensionen sowie die Gesundheitsversorgung. 2,9 Milliarden Euro wurden unter anderem für die Mindestsicherung an In-und Ausländer sowie die Flüchtlingshilfe der Länder und die Asylbetreuung des Bundes aufgewendet. Das ist nicht nichts, aber verhältnismäßig wenig.

Eine Erklärung für die hohe Steuer- und Abgabenquote sind die Sozialausgaben, die allein rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Der erwähnte Posten "Mindestsicherung und Co." macht 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Selbst wenn man ihn auf null setzen würde, hätte man also nicht viel gewonnen für eine spürbare Entlastung. Dazu wären Reformen notwendig, die nicht nur für die ÖVP, sondern auch für FPÖ, SPÖ und Grüne tabu sind - nämlich insbesondere bei den Pensionen.

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BERICHT

Auf Sand gebaut

Ländern und Gemeinden drohen größere Budgetprobleme. Das zeigt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO und ist insofern bemerkenswert: Sie haben sich erst vor wenigen Wochen mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) auf einen neuen Finanzausgleich eingelassen, der dann auch beschlossen worden ist und seit dem 1. Jänner dieses Jahres gilt. Vorgesehen ist zwar, dass es etwa über einen "Zukunftsfonds" deutlich mehr Geld gibt. Das dürfte aber nicht reichen.

Beim WIFO sieht man zwei Gründe dafür. Zum einen würden den Ländern und Gemeinden "speziell in den Bereichen Gesundheitswesen, Elementarbildung, Soziales und Pflege" stark steigende Ausgaben zu schaffen machen. Hier wären Sparmaßnahmen nötig, die jedoch nur begrenzt möglich sind. So ist unbestritten, dass Kinderbetreuung und damit auch Elementarbildung ausgebaut werden soll. Und bei der Pflege nimmt der Bedarf mit der Alterung zu.

Zum anderen orten die Wirtschafsforscher ein Problem bei den Steuereinnahmen. Sie würden sich nur "gebremst" entwickeln. Was wiederum keine Überraschung ist. Im Zuge der Abschaffung der kalten Progression war es vielmehr absehbar. Als damaliger Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz hat der Kärntner Peter Kaiser (SPÖ) kurz vor Weihnachten einen eigenen Ausgleich dafür gefordert. Es wurde jedoch ignoriert.

Alles in allem dürften Länder und Gemeinden in den kommenden Jahren nicht beinahe ausgeglichen budgetieren, sondern Defizite in Höhe von einem halben Prozent der Wirtschaftsleistung machen. Das sind derzeit rund zweieinhalb Milliarden Euro.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at