Vom Schreckgespenst zum blassen Geist

Während die SPÖ sich ausdauernd selbst zerlegt, wird Österreich immer konservativer. In Salzburg wird über eine "Herdprämie" diskutiert

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Auch wenn Neuwahlen heuer unwahrscheinlich erscheinen, aus den letzten Landtagswahlen lässt sich doch einiges für mögliche kommende Geschehnisse im Bund ablesen: Die ÖVP überdribbelt ungeschickt agierende Sozialdemokraten, paktiert trotz anderslautender Ankündigungen anstandslos mit der FPÖ und verschiebt den Diskurs im Land immer weiter nach rechts. Vieles weist darauf hin, dass sich das Muster gerade im größeren Maßstab wiederholt.

Die SPÖ zerlegt sich auf eine Art und Weise, die atemberaubend ist, selbst. So tief, so persönlich sind die Schlagabtäusche zwischen Babler- und Doskozil-Anhängern, dass Versöhnung nach dem Parteitag am 3. Juni schwer vorstellbar scheint. Schon wegen der inhaltlichen Differenzen. Andreas Babler hat sich im Laufe des parteiinternen Wahlkampfs als EU-Gegner und Marxist geoutet. Dass Hans Peter Doskozil keine Skrupel kennt, den ausländerfeindlichen Diskurs für sich zu nutzen, ist längst bekannt. Es muss Rekord sein: Die eigentlich immer ungeliebte Noch-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner fehlt, noch bevor sie richtig abgetreten ist.

Die ÖVP spielt währenddessen ein anderes Spiel. Es war im Vorfeld der Landtagswahlen in Niederösterreich und in Salzburg zu beobachten und wiederholt sich jetzt auf Bundesebene: Sie warnt einerseits vor Stil und Diktion der Kickl-FPÖ und bastelte gleichzeitig im Hintergrund an inhaltlicher Zusammenarbeit, die nach der Wahl dann leider, leider unausweichlich ist. So unterschiedlich die Koalitionsabkommen in Niederösterreich und Salzburg sind, gemeinsam ist ihnen der konservative Geist, in dem sie verfasst sind.

»Es muss Rekord sein: Rendi-Wagner fehlt, noch bevor sie richtig abgetreten ist«

So wird jetzt wieder über eine "Herdprämie" diskutiert. Das ist der polemische Begriff linker Kritiker – ÖVP und FPÖ nennen es "Wahlfreiheit". Frauen, die ihre (Klein-)Kinder zu Hause betreuen wollen, sollen dafür finanziell entlohnt werden, analog zu der Summe, die Fremdbetreuung in einem Kindergarten oder einer Krippe kosten würde. Es ist ein Vorschlag, der so hübsch, geordnet und – weil von der wohlerzogenen Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek vorgetragen – ohne Schaum vorm Mund daherkommt, dass auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich ist, was wirklich dahintersteckt. Die Idee von der "Wahlfreiheit" setzt voraus, dass es solche wirklich gibt, was mangels guter, leistbarer Betreuungsangebote meistens aber nicht der Fall ist. Es ist für Politiker viel leichter, Frauen fürs Zuhausebleiben zu bezahlen, als geeignete Betreuungsangebote aufzubauen. Frauen, die länger mit ihren Kindern zu Hause bleiben, verlieren oft den Anschluss am Arbeitsmarkt. Sie fehlen als dringend benötigte Fachkräfte. Sie verdienen weniger, bekommen weniger Pension und sind oft von besser verdienenden Männern abhängig. Das alles nimmt billigend in Kauf, wer "Wahlfreiheit" sagt und damit eigentlich meint, dass der Platz der Frau im Heim ist, bei den Kindern.

Österreich wird immer konservativer. Das Schreckgespenst einer Kickl-FPÖ in der Bundesregierung ist nur noch ein blasser Geist. Aber man kann als dritte potenzielle Kanzlerpartei natürlich noch monatelang darüber diskutieren, ob Marxismus im Jahr 2023 eine gute Brille ist, um auf die Welt zu schauen.

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