Haddaway: Der Weltstar, der Kitzbühel Heimat nennt

Ein Blick in eine Welt, die so viel größer ist als sein Hit "What Is Love"

Seit 35 Jahren lebt Haddaway in Kitzbühel. Er ist Snowboarder und Paraglide-Fan, weltweiter gebuchter Musikstar und Geschäftsmann. News gewährte er einen Blick in seine Welt, die so viel größer ist als sein Hit "What Is Love".

von Zu Besuch - Haddaway: Der Weltstar, der Kitzbühel Heimat nennt © Bild: Ricardo Herrgott News

In Kitzbühel ist Regen ist angesagt. Den ganzen Tag hindurch. Doch Haddaways spezielle Wetter-App kennt die raren Sonnenstunden an diesem Sonntag in seinem Heimatort besser als manch einer, der hier zur Welt kam. Der Sänger ist passionierte Paragleiter. Wenn er sich rund um Kitzbühel, Igls, Telfs oder Seefeld von einem Berg in die Tiefe schwingt, muss das Wetter auf seiner Seite sein. Bei Neuschnee ist er einer der Ersten am Lift, um sein Snowboard rasch auf die Piste zu bekommen. Im Sommer bezwingt er den Berg mit dem Mountainbike. Oder feilt auf dem Golfplatz an seinem Single-Handicap. Oft ist er erst um vier Uhr früh in die Tiroler Heimat zurückgekehrt und steht doch um neun Uhr morgens schon auf dem Berg. Danach beschäftigt ihn die Arbeit an seiner Musik im Heimstudio bis spät in die Nacht.

Am nächsten Tag geht es frühmorgens weiter zu einem Konzert, einem Videodreh oder Businessmeeting jenseits von Österreichs Grenzen. Genau deshalb hat der Chartstürmer Haddaway ja Kitzbühel zu seiner Heimat gemacht. "Es geht nichts über diese majestätische Erhabenheit der Berge. Du stehst da und schaust diese Urgewalt an und denkst nur: Ich will da rauf!", schwärmt er.

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Haddaways Wetter-App hat für die Spritztour mit der Harley zum News-Lokalaugenschein das perfekte Zeitfenster gefunden. Beim Stopp mit dem Sänger im Ortszentrum strahlt die Sonne, und alle paar Meter hält er an, um jemanden zu begrüßen, ein Foto zu machen. Ein längerer Plausch geht sich auch immer aus. Für den bekannten Sportkommentator Stefan Steinacher, der auf einer Bühne gerade Stimmung im Ort macht, um das Lockdown-Ende zu feiern, singt Haddaway auch gern spontan die Zeile, die ihn zum Weltstar gemacht hat. "What is love? Baby don't hurt me, don't hurt me no more."

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Das ist der, der ein bissl singt

Mit "What Is Love" schuf Haddaway 1993 die Hymne der Eurodance-Welle, die damals weltweit durch Lasershow-bespielte Großraumdiscos fegte. In 13 Ländern war der Ohrwurm Nummer eins, auch in Österreich, wo er sich 20 Wochen in den Charts hielt. Charterfolge rund um den Globus bis nach Mexiko, Chile, Neuseeland, Australien und Russland folgten. Gemeinsam mit weiteren Hits ("I Miss You", "Rock My Heart" "Fly Away") hält Haddaway bei 28 Millionen verkauften Einheiten.

»Ich weiß, viele fragen sich: Was macht der Haddaway eigentlich? Ich habe gehört, der singt so bisschen«

Und der Erfolg ist -auch dank Coverversionen und Samples von Eminem, Beth Ditto oder DJ Lost Frequencies -ungebrochen. Auf YouTube wurde "What Is Love" erst 2014 -20 Jahre nach dem Erscheinen - hochgeladen und bilanziert nun mit 134 Millionen Aufrufen.

Im Tiroler Heimatort bleibt Haddaway trotz vieler Freundschaften für manche Mitbürger ein Rätsel. "Ich weiß, viele fragen sich: Was macht der Haddaway eigentlich? Ich habe gehört, der singt so bisschen", erzählt Haddaway. Das Leben als Musikstar und erfolgreicher Unternehmer im Lieblingsort von Stars und erfolgreichen Unternehmern hat für ihn viele Seiten. "Auf eine Weise habe ich so meine Ruhe", sagt Haddaway. "Auf der anderen Seite veröffentliche ich alle zwei Jahre eine neue Platte und spiele 120 Konzerte im Jahr rund um die Welt." Bloß ist es nicht seine Art, in seinem Heimatort damit anzugeben. So kam es wohl einst zum bezeichnenden Missverständnis in der Fußgängerzone. Es war nach der Flüchtlingskrise 2015, als eine Gruppe Touristen Haddaway erspähte -und laut darüber grübelt, wie es "die Asylanten" nun bis nach Kitzbühel geschafft hätten.

Weltbürger mit Herz für Tirol

"Oh ja, es gibt noch viel zu tun", quittiert der 56-Jährige die Anekdote lächelnd. Das Wissen um seine vielseitigen Talente, seine zahlreichen Firmen und Immobilienbesitz im In-und Ausland mag Kränkungen erträglicher machen. Darüber hinaus blickt er auf eine harte Schule zurück, was rassistische Anfeindungen betrifft. In den USA habe er das aber ärger erlebt als in Europa, sagt er. "Hier sind es meistens doofe Witze, in den USA geht es aggressiv zur Sache. Aber das ist Vergangenheit und hat mich nur stärker gemacht", resümiert der Mann, der sich als Weltbürger versteht.

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Seine Biografie erklärt dieses Selbstverständnis. Der Sohn eines niederländischen Meeresbiologen und einer Krankenschwester aus Trinidad kam ebendort zur Welt und wuchs dem Beruf des Vaters folgend in Holland, in Maryland, USA, und in Großbritannien auf. Die Schulzeit verbrachte er in der Fort Mead High School, auf dem Campus einer Militärbasis und in einem britischen Internat, die Studienzeit an der George Washington University in Washington D. C. Er war Teil des militärischen Ausbildungsprogramms Recruit Officers Training Corps und schloss ein vierjähriges Studium in Politikwissenschaft und nordamerikanischer Geschichte ab. Danach war er im Dienst der US-Regierung tätig, bevor er im Alter von 22 Jahren beschloss, Amerika den Rücken zu kehren. "In den USA musst du durch und durch Amerikaner werden und alles andere an Kultur oder Sprache vergessen. Das wollte ich nicht mehr", erzählt Haddaway.

Hinwendung zu europäischen Wurzeln

Sein Blick auf die Welt ist geprägt vom Aufwachsen in verschiedenen Kulturen und Hinterfragen derselben. "Europa ist durch die beiden Weltkriege notgedrungen rascher als die USA zu einer modernen Gesellschaft geworden. Wir haben eine liberale Existenz, eine echte Demokratie mit sechs, sieben, acht Parteien. Das ist demokratische Arbeit", beschreibt er seine Hinwendung zu den europäische Wurzeln. Die Heimat seiner Mutter fungiert im Lebenslauf eher als Ort für Auszeiten. "Trinidad ist in meinen Genen, aber ich habe nie wirklich dort gelebt. Die Oma hat mir Kochen beigebracht, und mein Vater wollte, dass ich meine Wurzeln kennenlerne. Ich bin immer wieder mal zwei, drei Wochen dort", sagt er.

»Man muss für sich eine Insel finden und sich mit Menschen umgeben, die dich verstehen, die auf deiner Wellenlänge sind«

Freilich sei man auch nicht in Europa gefeit vor Engstirnigkeit oder Rassismus, meint Haddaway. Dafür hat er seinen Lebensstil gefunden. "Man muss für sich eine Insel finden und sich mit Menschen umgeben, die dich verstehen, die auf deiner Wellenlänge sind", so der Künstler. Für ihn bedeutet dies zum Beispiel die enge Freundschaft mit dem 90er-Jahre-Hitparaden-Kollegen Dr. Alban, der als singender Zahnarzt mit schwedisch-nigerianischen Wurzeln berühmt wurde ("It's My Life").

Enge Bindung zu Familien

Oder die enge Bindung zu den Familien seiner fünf Patenkinder und seine Freude an der Verantwortung, deren Taufpate zu sein. Für sie bleibt er Onkel Haddy, auch wenn der Jüngste schon 25 Jahre alt ist. Ein Patenkind lebt in Tirol, wo Haddaway auf lebenslange Freundschaften zurückblickt.

Haddaways Vater entdeckte die Schönheit der Berge und kam regelmäßig mit dem Sohn nach Tirol. 35 Jahre lang war es für den Sänger Zweitwohnsitz. Er erinnert sich an Kindheitsabenteuer in Feldern und Bergen. Seit 18 Jahren hat er seinen Hauptwohnsitz in Kitzbühel. Als Zweitwohnsitz dient Monaco. Freunde hat er überall auf der Welt. Haddaway: "Was ist dieses Leben ohne Freunde und dieses wunderschöne Ding, das man Liebe nennt? Leer!"

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"And Now": glücklich verliebt

Die Liebe habe ihn davor bewahrt, während der Zeit des Lockdowns verrückt zu werden, sagt er. Privatleben privat zu halten, ist ihm heilig, doch so viel lässt er wissen: "Ich habe wieder Liebe in mein Leben gelassen und bin sehr, sehr glücklich." Seit vier Jahren ist Haddaway vergeben -an eine vielbeschäftigte "Weltbürgerin" mit rumänisch-französischen Wurzeln. Die Zeit des Lockdowns vertiefte diese Liebe.

"Echte Liebe ist Toleranz. Akzeptanz. Respekt. Finger weg vom Versuch, den anderen zu verändern. Wenn du nicht erwachsen genug bist, es zu genießen, dann verabschiede dich", beschreibt er seinen Blick auf die Liebe. Sein neuer Song -in bester Dance-Tradition -"And Now" erzählt vom Glück, sich in einer Beziehung aufgehoben und verstanden zu fühlen.

Große Nachfrage nach Haddaway-Sound

Die Nachfrage nach Haddaways Sound ist groß. Rund 40 Konzerte in Dänemark, Finnland, Estland, Lettland, Israel und Portugal hat er für die nächsten Monaten fixiert. Anfragen gibt es aus der ganzen Welt, und ein fertiges Album wartet mit überraschenden Songs.

Geschäftsmann Haddaway

Über den Musiker hinaus, der neben seinem einprägsamen Stimmorgan auch Trompete und Keyboard beherrscht, ist Haddaway ein versierter Geschäftsmann. Als er mit 22 Jahren aus den USA nach Deutschland kam, startete er eine Agentur, die Fotoshootings und Modeschauen organisierte. Nachdem er wiederholt selbst von Modelscouts angesprochen worden war, wurde ihm rasch klar, dass dieses Geschäft boomt. Damit war er erfolgreich, lange bevor er durch Zufall auf das Produzenten- Duo traf, mit dem er "What Is Love" herausbrachte.

Chancen zu ergreifen, ist ein Teil seines Erfolges. An den Erfolg zu glauben, ein weiterer. Als die Produzenten ihm seine Arbeit am Song damals abkaufen wollten, verweigert er. Wie auch das Angebot eines nationalen Plattenvertrags. Er glaubte, schon bevor sein Lied zum Hit wurde, an einen weltumspannenden Erfolg: "Ich versuche, ehrlich zu sein, mit anderen und mit mir", so sein Kommentar. Es dauerte kein Jahr, bis Plattenfirmen-Legende Clive Davis anrief. "Ich habe gedacht, jemand macht einen Witz", erzählt er. "Einen Tag später war ich bei ihm in New York. Ich war zum ersten Mal im Leben nervös. Und dann saß auch noch Bette Midler gerade zufällig in seinem Büro!"

Als Künstler "immer im Dienst"

Als Künstler, sagt Haddaway, sei er "immer im Dienst"."Im Showbusiness bist du immer auf der Bühne, sobald du in der Öffentlichkeit bist. Man darf nicht Nein sagen zu Fanfotos. Man muss zuhören. Man muss Zeit investieren. Genau dieser Mensch hört vielleicht mein Lied oder hat es gekauft, und ich kann nur sagen: Danke", so Haddaway.

Einmal "Trekkie", immer Tiroler

Nur im ganze privaten Rahmen, bei der engsten Familie, sagt er, geht das Rampenlicht aus. Wenn es soweit ist, dann meistens Kitzbühel. Wie wohl er sich an diesem Ort fühlt, beschreibt eine Anekdote aus seiner Kindheit, die er mit leidenschaftlicher Begeisterung erzählt. Darin offenbart er sich als hingebungsvoller "Star Trek"-Fan: "Gene Roddenberry (Anm.: der Star-Trek-Schöpfer) hat mir alles bedeutet! Es gab Captain Kirk. Okay. Aber da war auch ein Japaner, ein Russe. Eine Dame aus Äthiopien, jemand aus Schottland. Das war multikulturell. Herrlich! So bin ich aufgewachsen. Diese Fernsehshow war das Beispiel, wie meine Leben sein sollte. Es gibt Leute, die sagen, in Kitzbühel gibt's so etwas nicht." Haddaway lächelt still. "Aber doch, das gibt es. Gerade dadurch ist Kitzbühel so erfolgreich, weil Menschen aus allen Teilen der Welt dort leben."

Es mag Kitzbüheler geben, denen dieser Blick auf die Heimat so rätselhaft bleibt wie der Mitbürger, der so viel mehr ist als sein 90er-Jahre-Hit.