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Wiener Postsparkasse: Otto Wagners Schatzkiste

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10 min
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Die ehemalige Postsparkasse in der Wiener City

©Bild: Matt Observe

Ein Spaziergang mit BIG-Geschäftsführerin Christine Dornaus durch das Gebäude der ehemaligen Postsparkasse, das nach Plänen Otto Wagners zwischen 1904 und 1906 errichtet wurde. Inzwischen ein Ort der Kunst und Wissenschaft, präsentiert sich die Jugendstil-Ikone besterhalten: inklusive originalem Sofa-Kissen, drehbaren Messinglichtschaltern sowie Hut- und Stockablage.

Es ist nur eines von mehr als 2.000 Gebäuden, die die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) verwaltet. Aber es ist ein ganz besonderes. Die von Otto Wagner geplante ehemalige Postsparkasse in der Wiener Innenstadt gilt als Architekturikone.

An diesem Spätsommervormittag, an dem BIG-Geschäftsführerin Christine Dornaus durch das Gebäude führt, ist es hier ungewöhnlich ruhig: Es sind Sommerferien. Denn die Bank ist seit 2017 keine Bank mehr, sondern ein Ort der Kunst und Wissenschaft. Die Universität für angewandte Kunst ist hier eingemietet, die österreichische Akademie der Wissenschaft sowie mehrere andere Kunst- und Wissenschaftsinstitutionen.

Daher herrscht heute also Stille, wo normalerweise das studentische Leben tobt. Das Kaffeehaus in der berühmten ehemaligen Kassenhalle ist geschlossen. Der kleine hölzerne Tischtennistisch in der Mitte der Halle verwaist. Umso eindrucksvoller entfaltet sich ihre elegante Nüchternheit, auch wenn ab und zu ein Tourist an die Tür klopft, der Einlass begehrt, um einen Blick in das ikonische Gebäude zu erhaschen.

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Das ehemalige Büro des Direktors

 © Bild: Matt Observe

Die BIG übernahm das Gebäude 2019 über einen auf 99 Jahre abgeschlossenen Baurechtsvertrag – und begann sofort, das ehemalige Bankgebäude in einen Universitätsstandort umzugestalten. „Die Architektur war revolutionär im Vergleich zu dem, was sonst üblich war, sagt Dornaus. „Von der Optik her, von den Materialien her, von der Fassadengestaltung her. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass das Gebäude multifunktional ist und nicht nur als Bank funktioniert.“

„Denkmalgeschützt bis in jede Faser“

16.000 der 40.000 Quadratmeter sind an die Akademie der Wissenschaften vermietet, weitere 8.800 an die Angewandte. Die Linzer Kepler-Uni hat hier ihre Wien-Dependance und bespielt gemeinsam mit der Angewandten einen 800 Quadratmeter großen Begegnungsraum für Kunst und Wissenschaft. „Das Exzeptionelle an diesem Gebäude ist, dass es das alles zulässt, ohne dass man groß eingegriffen hätte.“ Was auch gar nicht möglich wäre. Denn die Kassenhalle ist „denkmalgeschützt bis in jede Faser“, sagt Dornaus. Aber nicht nur sie. Dornaus gibt eine kleine Führung in jene Teile des Gebäudes, die öffentlich nicht zugänglich sind.

Die Räume im ersten Obergeschoß, in denen das Bankdirektorium arbeitete, zum Beispiel. Sie sind nicht vermietet, stehen aber für einzelne Events zur Verfügung. Es ist beeindruckend, in welch gutem Zustand sie sich befinden – jedes Detail intakt, bis hin zu den drehbaren Messinglichtschaltern und dem zur Wandgestaltung passenden Kissen. Nur die privaten Rückzugs- und Waschräume hinter einer Tapetentür im Büro des Direktor sind jüngeren Datums.

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Die ehemalige Kassenhalle

 © Bild: Matt Observe

Im Besprechungsraum stehen noch die in eine Wandleiste einhängbaren Tischchen, die einst von den Protokollführern und -führerinnen genutzt wurden. Über die sogenannte Direktionsstiege geht es zurück ins Erd-, dann hinunter ins Untergeschoß. Direkt unterhalb der Kassenhalle – dank gläserner Kacheln taghell – befindet sich die ehemalige Schließfachanlage. Auch sie ist so gut wie im Originalzustand, mit Hutund Stockablage und einer immer noch funktionierenden Tafel, die anzeigt, welcher Kunde mit der Begutachtung seiner Schätze fertig ist und abgeholt zu werden wünscht.

Die kleine Kassenhalle, die direkt hinter der großen liegt und von der anderen Seite des Gebäudes – der Dominikanerbastei – zu betreten ist, beheimatet heute einen Lesesaal der Akademie der Wissenschaften. In den ehemaligen Tresorräumen im Keller lagern jetzt geistige Schätze: Bücher. In den Lichthöfen links und rechts vom Haupttrakt wurden in den 1970er-Jahren eingebaute Liftanlagen entfernt und stattdessen moderne Stiegenhäuser errichtet, die nicht nur modernen Sicherheitsstandards entsprechen, sondern auch wieder mehr Licht in das Gebäude lassen.

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Die Schalter und die Schließfächer sehen immer noch so aus, wie einst geplant.

 © Bild: Matt Observe

Öffnung nach außen

Die ehemalige Postsparkasse sei jetzt „ein Verbindungsstück“ des Universitätsclusters im östlichen Teil der Wiener Innenstadt, sagt Dornaus. Ein paar Meter Richtung Süden liegt das Hauptgebäude der Angewandten, ein paar gen Südwesten die Akademie der Wissenschaften. Wichtig sei ihr, dass das Gebäude öffentlich zugänglich ist und bleibt. „Wir begleiten den Trend, dass sich Universitäten öffnen und setzen das bautechnisch um.“

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Das ehemalige Café

 © Bild: Matt Observe

Die ehemalige Kassenhalle und das dort befindliche Café Exchange stehen Besucherinnen und Besuchern während der normalen Semesterzeiten – also seit Anfang September – offen. Apropos offen: Zum Abschluss ein kleiner Spaziergang zur angrenzenden Akademie der Wissenschaften. Der Innenhof des ehemaligen Jesuitenkollegiums wurde zwischen 2020 und 2022 ebenfalls von der BIG saniert und ist seitdem ebenfalls für jedermann zugänglich. Ein Geheimtipp, und ein Must-See: eine wunderschöne, grüne Oase mitten in der Stadt.

Christine Dornaus: „Wenn der Raum passend ist, kann das grooven“

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Christine Dornaus: „Wenn der Raum passend ist, kann das grooven“

Christine Dornaus

 © Bild: Matt Observe

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2025 erschienen.

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