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Online-Handel: Das Geschäft mit der Rücksendung

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©IMAGO / photothek

Immer mehr Menschen bestellen, probieren – und schicken zurück. Aus dem Kreislauf moderner Konsumgewohnheiten ist in den USA ein Milliardenmarkt entstanden. Auch Europa entdeckt das Geschäft mit der Rücksendung.

In Grinzing, dem Dorf am Rande von Wien, ist der Postschalter in der Apotheke, das Postamt längst aufgelassen. An Vormittagen bilden sich hier Schlangen von Wartenden, oft bis auf die Straße hinaus. Sie tragen Pakete, umständlich unter den Armen, auf ihren Schultern, schieben sie auf dem Boden weiter oder bringen sie in übergroßen Plastiktaschen.

Am Schalter geben sie die Pakete ab, übernehmen eine Quittung und verlassen die Apotheke, ohne für die Sendung zu bezahlen. Die tägliche Zeremonie eines modernen Konsumsports – bestellen, zurücksenden, bestellen und wieder zurücksenden. Dieses Konsumverhalten schuf in den USA eine Milliarden-Industrie.

One-Dollar-Markt

2024 wurden in den USA Waren im Wert von etwa 1.000 Milliarden Dollar zurückgeschickt. ReturnPro ist eines der Unternehmen, das sich auf die Verwertung von retournierten Waren spezialisierte. Nur selten bearbeiten Verkäufer eine Rücksendung. Sie werden durch neue Produkte ersetzt. Die Rücksendungen übernehmen Verwertungsunternehmen, die sie in gigantischen Lagerhallen sammeln und sortieren.

ReturnPro teilt Rücksendungen wie TV-Geräte, T-Shirts, Tennisschläger, Angelruten oder Teddybären in 259 verschiedene Kategorien. Etwa 70 Prozent der Rücksendungen werden verwertet. Gereinigt, repariert und an Online-Billighändler, Gebrauchtläden, oder One-Dollar-Märkte in Bulk-Mengen verkauft. 300 Lastkraftwagen verlassen die Warenhäuser wöchentlich. ReturnPro wird dieses Jahr 67 Millionen Rücksendungen verkaufen, an manchen Tagen bis zu 500.000 verschiedene Produkte auf ihren Webpages anbieten. Mit der Teuerung importierter Waren durch Trumps Tarifpolitik ist die Wiederverwertung kommerziell besonders interessant.

Seit 2020 hat sich in den USA das Return-Business durch Erleichterung für Konsumenten und Übernahme der Postgebühren verdoppelt. In Europa etablieren sich ähnliche Unternehmen wie ‚Restposten‘ in Deutschland, ‚Subtil‘ in Italien und ‚Flagmo‘ im Polen.

Reverse Logistics

Softwaresysteme berechnen den Rhythmus der Rücksendungen nach Jahreszeit, Feiertagen und besonderen Ereignissen. Produkte werden oft nach kurzer Zeit zurückgeschickt, wie TV-Geräte nach wichtigen Sportveranstaltungen, Hochzeitskleidung im Mai und Wintersportgeräte nach Weihnachten. Etwa 15 Prozent sind Betrugsfälle, wenn Handelsgut längere Zeit benutzt und später wegen angeblicher Mängel retourniert wird. Unternehmen kooperieren mit Verwertungsgesellschaften inzwischen nicht nur bei Rücksendungen, sondern stoßen unverkäufliche Waren in immer kürzeren Abständen ab, ohne sie selbst verbilligt anzubieten.

„Es ist ein neuer Kreislauf zwischen Konsument und Industrie“, beschreibt es Zac Rogers, Professor für Economy an der Colorado State University, „was für den einen Abfall ist, kann ein anderer günstig erwerben und weiter gebrauchen. Die sogenannte ‚reverse logistics‘ (vom Kunden zum Händler und zurück), damit die industrielle Wiederverwertung von Rücksendungen, bedeutet nicht nur Verbilligung für Konsumenten, sondern auch eine enorme Entlastung für das Abfallproblem.“

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