Trotz globaler Unsicherheiten florieren Österreichs Wirtschaftsbeziehungen zu Indien und Südostasien. Danai Budas, stellvertretende Bereichsleiterin für Internationale Beziehungen bei der Industriellen Vereinigung (IV), über Chancen, Investitionen und den nötigen politischen Rahmen. Von Christian Neuhold
Frau Budas, warum entwickelt Österreichs Handel mit Indien und Südostasien sich so dynamisch?
Entgegen der aktuell eher schwachen Außenhandelsdynamik haben sich die Beziehungen sehr positiv entwickelt. Die österreichischen Exporte nach Indien haben 2024 mit einem Volumen im Wert von 1,3 Milliarden Euro einen Rekord verzeichnet. Ein Blick auf die südostasiatischen Länder zeigt ein ähnliches Bild. Auch in den Vietnam haben die österreichischen Ausfuhren 2024 einen neuen Rekord mit einem Zuwachs von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreicht. Vor allem die österreichischen Investitionen in Indonesien sind die vergangenen Jahre stark angestiegen, aber auch in Thailand und Malaysia lässt sich eine klar positive Tendenz erkennen.
Welches Land in der Region bietet derzeit die besten Chancen?
Vor dem Hintergrund der zuletzt eher schwächelnden deutschen Wirtschaft, welche mit Abstand die größte Exportdestination für österreichische Unternehmen darstellt, sowie des Handelskonflikts mit den USA, rücken andere Regionen vermehrt in den Vordergrund. Gerade Indien und die südostasiatischen Staaten bieten großes Potenzial. Für Indien rechnet der Internationale Währungsfonds 2025 mit einem Wachstum von 6,2 Prozent. Das Land ist somit der am stärksten wachsende G20-Staat und ein hochdynamischer Markt. Aber auch die südostasiatischen Staaten entwickeln sich überwiegend positiv, mit geschätzten Wachstumsraten von 5,2 Prozent im Vietnam und 4,7 Prozent in Indonesien im Jahr 2025.
Welche Branchen profitieren am stärksten vom Asien-Boom?
Die industrielle Produktion hat in den vergangenen Jahren in Indien und Südostasien stetig zugenommen. Das Thema Industriemodernisierung nimmt daher eine wichtige Rolle ein. Die österreichische Industrie kann ihr Know-how etwa im Bereich Automatisierung zur Verfügung stellen. Maschinen und Anlagentechnik führen die Liste der Exportsektoren an. Aber auch in anderen Bereichen, wie etwa der pharmazeutischen Industrie oder dem Infrastrukturbereich, sind österreichische Unternehmen gefragt.
Wie sollte die Regierung die Exportwirtschaft in dieser Region am besten unterstützen?
Viele für die Exportindustrie wesentliche Verhandlungen, wie etwa jene zu Freihandelsabkommen, werden in Brüssel geführt. Wesentlich ist, dass die Bundesregierung hier eine konstruktive Rolle innerhalb der EU-Mitgliedstaaten einnimmt. Der regelmäßige politische Austausch kann sich ebenfalls positiv auf Export- und Investitionstätigkeiten auswirken. Darüber hinaus sind Investitionsschutzabkommen ein wesentliches Instrument, um österreichische Investitionen vor Ort zu schützen und Rechtssicherheit zu schaffen. Mit Vietnam und Malaysia hat Österreich entsprechende Abkommen abgeschlossen, mit anderen ist der Schutz im Rahmen von europäischen Abkommen gewährleistet.
Europa muss seine Handelspartner weiter diversifizieren und neue Märkte öffnen
Die EU plant weitere Freihandelsabkommen mit Indien und anderen Ländern Südostasiens. Wie steht die Industriellenvereinigung dazu?
Freihandelsabkommen verbessern den Marktzugang und schaffen somit klare Wettbewerbsvorteile. Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit Indien wurden 2022 nach einer mehrjährigen Unterbrechung wiederaufgenommen, mit den ASEAN-Staaten wird seit 2007 verhandelt. Mit Vietnam konnte in der Zwischenzeit bereits ein erfolgreiches Abkommen abgeschlossen werden, die Verhandlungen mit Malaysia wurden erst in diesem Jahr reaktiviert. Ein baldiger Abschluss würde einen dringend notwendigen Impuls für die exportorientierte österreichische Industrie darstellen.
Kann diese Wirtschaftsregion das schwieriger gewordene US-Geschäft in einigen Bereichen kompensieren?
Europa muss seine Handelspartner weiter diversifizieren und neue Märkte öffnen. Eine engere Anbindung an die dynamischen Wachstumsmärkte Südostasiens sowie Indien wäre daher wesentlich. Der US-Markt wird unabhängig davon bedeutend bleiben. Auch hier wäre eine Einigung durch den Abschluss eines umfassenden Handelsabkommens von Vorteil.
Ist eine Beteiligung indischer Unternehmen an heimischen Betrieben, ähnlich wie Bajaj bei KTM, vorstellbar?
Wenn man sich die Investitionszahlen ansieht, zeichnet sich aktuell noch ein klares Muster ab: Österreichische Investitionen in die südostasiatischen Länder überwiegen sehr deutlich den Investitionen dieser Staaten in Österreich. Für Indien hat sich dieser Trend umgekehrt. Die indischen Investitionen in Österreich betragen aktuell 1,2 Milliarden Euro, die österreichischen in Indien 762 Millionen Euro. Bei den südostasiatischen Ländern können wir in der näheren Zukunft noch nicht von solchen Entwicklungen ausgehen.
Über Bajaj Auto
Bajaj Auto ist einer der größten Fahrzeughersteller Indiens mit Sitz in Pune. Gegründet 1945, produziert das Unternehmen Zweiräder und Dreiräder für den Weltmarkt. Seit 2007 ist Bajaj Großaktionär bei KTM. Im Mai 2025 geriet KTM in eine schwere Krise – mit rund zwei Milliarden Euro Schulden.
Der indische Partner Bajaj sprang ein und stellte 600 Millionen Euro bereit, um das Unternehmen zu stabilisieren. Im Gegenzug übernahm Bajaj die Mehrheit an KTM und kündigte an, bis spätestens Mai 2026 die vollständige Kontrolle über die Pierer Mobility AG zu übernehmen. Damit wird KTM künftig unter indischer Kontrolle stehen – der Produktionsstandort Mattighofen in Oberösterreich soll jedoch bestehen bleiben.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.35/2025 erschienen.