Sie ist jung, klar in der Sache und hat keine Geduld mehr für alte Ausreden. Theresa Sporn berät Unternehmen in Künstlicher Intelligenz. Im Interview spricht die Unternehmerin über größte KI-Überraschung des nächsten Jahrzehnts und rechnet mit Chefs ab, die lieber gar nichts tun, statt ihre Leute weiterzubilden. Ihr Appell: „Wer KI nicht nutzt, wird ersetzt. Nicht irgendwann – jetzt.“
von Emma Voraberger
Künstliche Intelligenz (KI) ist längst Realität, doch viele Führungsetagen stecken noch im Faxzeitalter. Während die Welt sich digital neu sortiert, diskutieren manche Manager immer noch, ob man „das jetzt wirklich braucht“. Theresa Sporn hat keine Zeit für solche Debatten.
Die Wienerin berät mit dem von ihr gegründeten Unternehmen Scitus Konzerne zu KI und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und sagt, was nicht mehr geht: alte Strukturen, Technikangst, und Chefs, die lieber PowerPoint bauen als Produkte. In diesem Interview spricht sie über Denkfehler auf Vorstandsebene, absurde Aussagen von C-Level-Managern, Überwachung als Frage des Kontextes und erklärt, warum nicht die KI das Problem ist, sondern unser Umgang mit ihr.
Sie waren schon im Studium „die mit der Statistik“. Wann wussten Sie: Ich will nicht nur KI verstehen, ich will sie gestalten?
Während meiner Bachelorarbeit über People Analytics. Ich habe damals mit vielen Führungskräften großer Konzerne gesprochen, die mir erzählt haben, welche Vision sie für datengetriebene Entscheidungen im Unternehmen haben – und gleichzeitig gemerkt, wie wenig davon tatsächlich umgesetzt wird. Da wusste ich: Ich möchte nicht nur über KI reden, ich möchte sie bauen.
Ihre Karriere führte von Wien über London nach Berlin und zurück. Was hat Sie am meisten geprägt: die Mathematik, die Start-up-Kultur oder der Frust über ineffiziente Unternehmen?
Eine Mischung aus allem. Die Statistik war das Fundament – sie hat mir beigebracht, die Welt in Daten zu sehen. Die Start-up-Welt hat mir die Freiheit gegeben, auszuprobieren und kreativ zu coden. Und die ineffizienten Unternehmen haben mir gezeigt, dass Technologie allein nichts löst. Man braucht Struktur, Verständnis für Prozesse und einen klaren Weg, wie man echten Wandel herbeiführt.
Sie sagen: „Ich wollte etwas anfangen und zu Ende bringen.“ Funktioniert das auch in der Consulting-Welt, wo vieles in PowerPoints endet?
In meiner Consulting-Welt absolut. Ich sehe PowerPoints nicht als Endpunkt, sondern als Startsignal. Mein Anspruch ist immer, dass etwas wirklich umgesetzt wird – und dass Kunden nach einem Projekt nicht nur ein schöner Foliensatz bleibt, sondern ein funktionierendes Produkt.
Wie oft erleben Sie noch, dass jemand fragt: „Kommt dein Chef auch noch?“ – und was antworten Sie dann gedanklich wirklich?
Kommt seltener vor, aber wenn, dann denke ich mir: „Nein – ich bin die Chefin. Und wir können froh sein, dass jemand hier ist, der versteht, wie KI heute funktioniert“
Viele glauben immer noch, sie hätten die Wahl, ob sie KI einsetzen oder nicht
Sind traditionelle Entscheider – oft ältere Männer – die letzten, die akzeptieren, dass KI nicht Zukunft, sondern Gegenwart ist?
Viele glauben immer noch, sie hätten die Wahl, ob sie KI einsetzen oder nicht. Die Wahrheit ist: Wer KI nicht nutzt, verliert in Zukunft Wettbewerbsfähigkeit. Für viele ist es schwierig zu akzeptieren, dass Technologie plötzlich ein Muss geworden ist und nicht mehr ein „Nice-to-have“.
Was ist der härteste Moment, in dem Sie als junge Frau einem Vorstand erklären mussten, wie seine eigene Firma funktioniert?
Der härteste Moment ist, wenn ich erklären muss, dass die Strukturen und Tools, mit denen man vor 20 Jahren erfolgreich war, heute nicht nur ineffektiv sind – sie schaden dem Unternehmen. Und dass Mitarbeiter ohne KI-Kompetenz zukünftig nicht mehr produktiv arbeiten können. Es ist unangenehm, aber notwendig: Wer seine Belegschaft nicht befähigt und wer KI nicht integriert, wird nicht mehr konkurrenzfähig sein.
Was ist der absurdeste Satz, den Sie je gehört haben?
Ein C-Level-Manager sagte einmal zu mir: „Ich will, dass meine Mitarbeiter KI gar nicht nutzen – damit sie nichts falsch machen.“ Das ist genau der Denkfehler: Die größte Gefahr entsteht nicht durch Mitarbeiter, die KI nutzen, sondern durch Mitarbeiter, die sie nicht nutzen und dadurch unproduktiv bleiben. Ohne Schulung, ohne klare Guidelines und ohne Strategie entsteht Chaos. Mit Wissen entsteht Sicherheit.
Passiert es Ihnen, dass Sie unterschätzt werden und genießen Sie den Moment, wenn das kippt?
Natürlich werde ich unterschätzt. Und ja, ich genieße diese Momente sehr, wenn jemand merkt, dass ich nicht nur jung bin, sondern tief im Thema steht. Und dass ich komplexe Technologien so erklären kann, dass sie für alle verständlich werden. Das ist meistens der Wendepunkt in einer Zusammenarbeit.
Womit tun sich ältere Führungskräfte schwerer: mit KI oder damit, Ratschläge von einer jungen gutaussehenden Frau anzunehmen?
Erstmal danke für das Kompliment. Ehrlich gesagt: mit Letzterem. Es ist nicht immer einfach anzunehmen, dass jemand viel Jüngeres in einem Bereich mehr Expertise hat. Gleichzeitig ist es für viele schwer auszuhalten, wenn sie über etwas Entscheidungen treffen sollen, von dem sie selbst wenig Ahnung haben.
Viele Unternehmen wollen nur „mehr Output in weniger Zeit“. Läuft KI Gefahr, zur reinen Effizienzmaschine ohne Menschlichkeit zu werden?
KI war nie menschlich – sie ist ein Werkzeug. Eine wirklich moderne Arbeitswelt entsteht nur durch das Zusammenspiel: Maschinen übernehmen das, was sie besser können: repetitiv, schnell, fehlerfrei. Menschen übernehmen das, was uns ausmacht – Empathie, Kreativität, Verantwortung. Menschlichkeit geht nicht verloren, wenn wir sie bewusst dort einsetzen, wo sie zählt.
Wer KI beherrscht, wird wertvoller. Wer sie ignoriert, wird ersetzbar
Wie viele Jobs lassen sich wirklich automatisieren – und ab wann reden wir nicht mehr über Effizienz, sondern über Personalabbau?
Jobs werden selten komplett automatisiert, aber Aufgaben, die Menschen ohne KI machen, werden sehr schnell ersetzt. Wer KI beherrscht, wird wertvoller. Wer sie ignoriert, wird ersetzbar. Die Zukunft gehört den Mitarbeitern, die KI als Werkzeug nutzen und dadurch produktiver und kompetenter werden.
Wie unterscheiden Sie zwischen kluger Automatisierung und gefährlicher Wegrationalisierung?
Kluge Automatisierung stärkt Menschen. Sie nimmt das weg, was Maschinen besser können, und schafft Raum für menschliche Stärken. Gefährliche Wegrationalisierung entsteht nur, wenn man KI missversteht – als Ersatz statt als Ergänzung. In der Realität passiert Letzteres viel häufiger: KI erweitert Fähigkeiten, sie löscht sie nicht aus.
Werden Unternehmen künftig zuerst KI einstellen und danach überlegen, welche Menschen sie noch brauchen?
Es wird ein fließender Prozess sein. Mitarbeiter, die KI nutzen, werden extrem wertvoll. Und es werden neue Rollen entstehen für Menschen, die KI richtig steuern, kontrollieren, einsetzen.
Sie sagten in einem anderen Interview: „Ich bin ein Fan von Überwachungstechnologie.“ Was entgegnen Sie Menschen, die darin eine Gefahr für Freiheit und Demokratie sehen?
Überwachung ist immer eine Frage des Kontextes. In der EU ist der Datenschutz extrem streng und ich vertraue darauf, Technologie zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger verwendet wird. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir Daten stärker nutzen, um Gefahren zu erkennen.
Welche Alltagsaufgabe werden wir 2030 garantiert nicht mehr selbst erledigen?
Alles, was mit Organisation und Routine zu tun hat: Terminvereinbarungen, Buchungen, Verwaltungsaufgaben, alltägliche Bürokommunikation. Das wird vollständig KI-gestützt laufen , unbemerkt im Hintergrund.
Was wird die größte KI-Überraschung des nächsten Jahrzehnts?
Dass KI physisch wird. Roboter, die wirklich praxistauglich sind – in Haushalten, in Logistik, in Pflege, in Unternehmen. KI wird nicht mehr nur Software sein, sondern Hardware, die für uns handelt.
Und was wird völlig überschätzt?
Die Vorstellung, dass KI alles alleine kann. Die größten Fehlschläge kommen von Projekten, die menschliche Beteiligung unterschätzen. KI ist mächtig, aber nie autonom genug, um ohne Menschen echte Verantwortung zu übernehmen.
Und zuletzt: Wovor sollten wir 2030 mehr Angst haben: vor der KI oder davor, sie nicht richtig zu nutzen?
Definitiv davor, KI nicht richtig zu nutzen. KI selbst ist nicht das Problem – sie ist ein Werkzeug. Die wahre Gefahr entsteht, wenn wir sie ignorieren, falsch einsetzen oder anderen überlassen, die weniger verantwortungsvoll damit umgehen. Unternehmen, die KI verstehen, werden effizienter, kreativer und resilienter. Unternehmen, die sie ignorieren, werden massiv zurückfallen. Die größte Angst sollte also nicht vor KI sein – sondern davor, Chancen zu verpassen, weil man sie zu spät oder falsch nutzt.

Steckbrief
Theresa Sporn
Theresa Sporn ist Gründerin und Geschäftsführerin der Wiener Scitus GmbH, die sich auf Prozessoptimierung und die pragmatische Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) spezialisiert hat. Das von ihr Anfang 2024 gegründete Unternehmen entwickelt datenbasierte Systeme zur Automatisierung und Strukturierung operativer Abläufe sowie zur transparenten Entscheidungsunterstützung.
Zuvor arbeitete sie als Management Consultant bei Core SE in Berlin, wo sie an Projekten zur Implementierung generativer KI, IT-Modernisierung und Prozessdigitalisierung beteiligt war. Berufliche Erfahrung als Data Scientist sammelte Sporn bei Speedinvest Heroes Consulting in Wien.
Ihre Ausbildung absolvierte Theresa Sporn an der Bayes Business School der City University London mit einem Bachelorabschluss in Management. Ergänzend schloss sie ein Data-Science-Bootcamp bei Le Wagon in Berlin ab.






