Alles spricht über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt. Doch wir wissen noch gar nicht, wie die Jobs der Zukunft aussehen werden und welche Arbeit in Zukunft wegfällt, sagt die Wirtschaftswissenschafterin Ljubica Nedelkoska. Auch die Politik treffe noch zu wenige Vorkehrungen im Bildungssystem und bei der Finanzierung von Staat und sozialen Netzen.
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Sprechen Politiker über Künstliche Intelligenz (KI), geht es meist um Sparpotenzial in der Verwaltung, die Entlastung überstrapazierter Budgets und raschere, rund um die Uhr mögliche Behördenwege.
Sprechen Unternehmer über Künstliche Intelligenz, geht es um Effizienz, bessere Ertragschancen und darum, mit weniger Personal auszukommen.
Sprechen Beschäftigte über Künstliche Intelligenz, schwingen hinter Faszination, Ablehnung und Häme über den bisweilen halluzinierenden „Blechtrottel“ Ratlosigkeit und Angst mit. Wird der eigene Arbeitsplatz durch die neue Technologie ersetzt? Oder vielmehr, wann wird es passieren? Welche Arbeit wird es künftig überhaupt geben? Was muss oder kann man lernen, um nicht auf der Strecke zu bleiben?
Spricht die Politik klar genug darüber, was die Bürgerinnen und Bürger erwartet? Gibt es Überlegungen, wie eine Gesellschaft funktionieren kann, in der womöglich immer weniger Menschen Löhne und Gehälter wie bisher beziehen und mit diesen Steuern bezahlen? Wird das Bildungssystem an die neuen Herausforderungen angepasst? Viel hört man da nicht, man ist mit anderen Krisen beschäftigt.
Forschungsgegenstand: neue Arbeit
Ljubica Nedelkoska ist Wirtschaftswissenschafterin und forscht am Complexity Science Hub in Wien über die Zukunft der Arbeit. Sie sagt: „Es ist nicht das erste Mal, dass eine neue Technologie bisherige Arbeitsplätze abschafft. Es gab Zeiten, da haben bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in Europa oder den USA in der Landwirtschaft gearbeitet, heute sind es nur noch drei Prozent.
Ähnliches ist in Produktion und Handwerk passiert: Früher haben in Österreich 30 Prozent der Menschen in diesem Bereich gearbeitet, heute sind es 20 Prozent. Wir haben uns allerdings jedes Mal an die technologische Entwicklung angepasst, es gibt immer noch genug Jobs, und wir haben unsere Fertigkeiten und Fähigkeiten verbessert und verändert.“
Complexity Science Hub
Das CSH ist ein unabhängiges Forschungsinstitut in Wien, das sich mit der Erforschung komplexer Systeme befasst.
Rascher Wandel
Bei der Künstlichen Intelligenz ist manches anders, sagt Nedelkoska. „Die Geschwindigkeit, mit der sie die Arbeitswelt durchdringt, ist viel höher als bei früheren Technologiesprüngen. Wir müssen uns viel schneller anpassen. Dazu kommt: Es werden sehr komplexe Tätigkeiten und Fähigkeiten durch KI ersetzt, während es früher um Routinearbeiten oder kleinere Aufgaben ging.“
Wer in der Landwirtschaft seine Arbeit verlor, war mit seinem Können oft im Handwerk gefragt. Aus der Produktion konnte man immer noch in manche Dienstleistungsbereiche wie den Handel wechseln. Was aber, wenn die KI immer speziellere Fertigkeiten, wie etwa Datenanalyse, Kreativität etc. ersetzt? Wohin gehen jene Menschen, die sich bisher darum gekümmert haben?
„Es sind auch schon früher Jobs verschwunden, doch das war eine Entwicklung über Jahrzehnte und man hat sie oft gar nicht bewusst wahrgenommen. Auch die Jobs von heute wird es in Zukunft nicht mehr so geben. Nur wird diese Entwicklung viel schneller gehen. Gleichzeitig wissen wir aber heute gar nicht, wie die Arbeit der Zukunft aussehen wird und wie viele neue Jobs die KI erschaffen wird“, erklärt Nedelkoska.
Steuern auf Technologie
Wenn weniger Menschen arbeiten, gibt es weniger Steuereinnahmen und Beitragszahlungen in Kranken- und Pensionskassen. Wertschöpfungsabgaben oder Maschinensteuern bleiben dennoch in den Schubladen der Politik. Sie würden Wachstum und Innovationsfreude hemmen, heißt es.
„In vielen Industrieländern wird Arbeit stark besteuert, während Investitionen in Technologie – etwa durch beschleunigte Abschreibungen – steuerlich begünstigt werden. Dadurch werden Arbeitskräfte im Verhältnis zu technologischen Alternativen Künstlich verteuert – was Automatisierung einen unfairen Vorteil verschafft“, sagt die Wirtschaftswissenschafterin.
In Österreich sind die Abgaben auf menschliche Arbeit mit 47 Prozent besonders hoch. Unter den OECD-Ländern schneidet der Staat nur in Belgien (52,6 Prozent), Deutschland (47,9), Frankreich (47,2) und Italien (47,1) noch stärker mit. „Dadurch ist der Anreiz, in arbeitssparende Technologie zu investieren, auch besonders hoch“, erklärt Nedelkoska.


Zukunft der Arbeit: Ljubica Nedelkoska ist Wirtschaftswissenschaftlerin. Neben dem CSH lehrt sie an der Central European University in Wien
© Bild: Matt ObserveNatürlich könne man mit dem Argument, die menschliche Arbeitskraft fördern zu wollen, das steuerliche Ungleichgewicht beseitigen. „Allerdings kann das ein Land nicht im Alleingang durchführen, ohne seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden.“ Unternehmen könnten in Länder abwandern, in denen es keine Technologiebesteuerung gibt. „Es würde nur funktionieren, wenn sich die großen KI-Nationen wie USA, China, Deutschland, Frankreich etc. darauf einigen und die gleichen Steuern einheben. Aber das erscheint unrealistisch.“
Das aktuelle Steuersystem in die Zukunft weitergedacht, könnte das bedeuten, dass „weniger, durch die KI-bedingten Produktivitätsfortschritte besser bezahlte Menschen mehr Steuern bezahlen müssen, um das System am Laufen zu halten. Genau das kann aber zum Problem werden, denn jene Menschen, die produktiv sind und gut verdienen, müssen diese Steuerlast ja erst einmal akzeptieren.“
Wenn durch KI deutlich mehr Jobs abgebaut werden, als neu entstehen, dann wird die bisherige Weiterbildungspolitik nicht ausreichen
Was sollen wir lernen?
Bisher bleibt es überwiegend dem Einzelnen überlassen, wie er sich für einen KI-dominierten Arbeitsmarkt rüstet. In manchen Betrieben werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einschlägige Fortbildungen angeboten. Nicht jeder Kurs bringt wirklich mehr Wissen und Erkenntnis. Und vor allem: Oft ist noch nicht einmal klar, was in fünf Jahren gebraucht wird.
„Wenn KI die Dynamik zwischen Jobabbau und Jobentstehung radikal verändert, also wenn durch KI deutlich mehr Jobs abgebaut werden, als neu entstehen, dann wird die bisherige Weiterbildungspolitik nicht ausreichen“, warnt Nedelkoska. Auch hier ist wieder das große Tempo der Transformation entscheidend. „Wenn man heute darüber nachdenkt, welche neuen Fächer es an Schulen und Universitäten braucht, dann dauert es noch mehrere Jahre, bis das implementiert ist und bis die ersten Absolventinnen und Absolventen fertig sind. Aber wir wissen heute gar nicht, ob genau diese Ausbildung in Zukunft gebraucht wird.“
Ein Bildungskonto für alle
Was die Politik tun könnte? Nedelkoska plädiert für die Einführung eines persönlichen Bildungskontos, das ähnlich wie das Pensionskonto funktionieren könnte. In dieses würden Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fließen, aber auch staatliche Zuschüsse. „Dieses persönliche Lernkonto kann dann jeder Einzelne nutzen, wenn er sich weiterbilden will oder muss.“ Der Vorteil eines solchen Kontos: Es kann auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Bisher gebe es dieses Modell nur in einigen wenigen Ländern, z. B. in Frankreich mit dem Compte personnel de formation. Dieses wird vom Berufseinstieg bis zur Pensionierung mit 500 Euro pro Jahr bis zu einem Höchstbeitrag von 5.000 Euro gefüllt und kann nach eigenem Ermessen eingesetzt werden.
Österreich habe mit der Bildungskarenz zwar bereits ein in diese Richtung zielendes Modell, das aber weniger flexibel ist als ein individuelles Lernkonto. Für eine Bildungskarenz braucht man unter anderem die Zustimmung und finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers.
Nicht jeder kann Neues lernen. Für diese Menschen müsse man darüber nachdenken, wie man bisher unbezahlte, aber gesellschaftlich wichtige Arbeit neu bewertet und verteilt, etwa in der Kinderbetreuung oder der Betreuung älterer Menschen, so die Forscherin.
Man hat den Eindruck, dass sie sehr auf andere Probleme fokussiert sind und noch gar nicht begreifen, wie disruptiv diese neue Technologie sein wird
Der in der Schweiz lehrende Ethiker Peter Kirchschläger hat vor Kurzem für ein Modell mit einem bedingten Grundeinkommen plädiert, bei dem die Bezieher und Bezieherinnen im Gegenzug genau diese gesellschaftlich wichtige Arbeit leisten sollen. „Eine gute Idee“, meint Nedelkoska. Die von Kirchschläger vorgeschlagene Finanzierung durch eine Digitalsteuer sei aber nur im internationalen Gleichklang durchsetzbar.
Sind sich Politikerinnen und Politiker der Tragweite der bevorstehenden Veränderungen bewusst? „Noch zu wenig“, sagt Nedelkoska. „Man hat den Eindruck, dass sie sehr auf andere Probleme fokussiert sind und noch gar nicht begreifen, wie disruptiv diese neue Technologie sein wird. Viele denken auch ,Wir haben es bisher immer geschafft, es wird auch diesmal irgendwie klappen.‘“
Vor allem junge Jobs fallen weg
Vor allem mit Blick auf die jüngeren Generationen bestehe Handlungsbedarf: „Es sind vor allem deren Jobs, die abgeschafft werden, also jene, die am Anfang einer Berufslaufbahn noch nicht das große Fachwissen oder Erfahrung erfordern.“ Mit Blick auf ihre engste Umgebung sagt die Wirtschaftswissenschafterin: „Ich habe kleine Kinder. Ich habe keine Ahnung, wie die Welt aussehen wird, wenn sie 18 sind. Was zählt ist: Sie sollen clever und gesund sein, emotionell beschützt und stabil. Mehr kann man nicht machen.“
Zumindest das wird sich auch im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz nicht ändern.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2025 erschienen.







