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Griff nach den Sternen: Österreichs Weltraumindustrie zwischen Können und Wollen

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©Florian Voggeneder / laif / picturedesk.com

Österreichs Weltraumindustrie kann sich international sehen lassen, kann aber ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen, weil finanzielle Mittel fehlen. Unser Beitrag zum ESA-Budget sei zu gering, warnt Austrospace-Präsident Dieter Grebner. Er wünscht sich mehr Bewusstsein der Politik für eine boomende Industrie.

Astronautinnen und Astronauten gesucht. Wer zwischen 25 und 45 Jahre alt ist, technische oder naturwissenschaftliche Kenntnisse hat und über die entsprechende Fitness beziehungsweise psychische Stabilität verfügt, kann sich noch bis 7. Dezember beim Österreichischen Weltraum Forum bewerben.

Wer genommen wird – bleibt auf dem Boden. Denn der Einsatz, um den es geht, ist eine sogenannte Analog-Marsmission. Die Analog-Astronautinnen und -Astronauten testen dabei in einer Weltgegend, die dem roten Planeten geologisch ähnlich ist, Ausrüstung und Arbeitsabläufe, mit denen Menschen in Zukunft auf dem Mars leben und forschen sollen.

Finanziell kein Höhenflug

Auf dem harten Boden der politischen Realität finden sich auch Österreichs Weltraumunternehmen regelmäßig wieder. Alle drei Jahre geht es um den heimischen Beitrag zum Budget der Europäischen Weltraumagentur ESA. Alle drei Jahre hofft die Branche auf einen substanziellen Beitrag – doch echte Höhenflüge bleiben aus.

Aktueller Weltraumminister ist Peter Hanke (SPÖ). Er hat bereits vor dem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen am 26. und 27. November eine Erhöhung des Budgets von 280 auf 320 Millionen Euro angekündigt. Ein Plus in Zeiten eines harten Sparkurses.

Das ist leider nicht genug, meint Dieter Grebner. Er ist CEO des in Oberösterreich angesiedelten Unternehmens Peak Technology und Präsident der Interessenvertretung Austrospace, in der 27 österreichische Firmen vertreten sind. Aus Sicht der Branche müsste der ESA-Beitrag 500 Millionen Euro betragen. Selbst damit könne die Weltraumindustrie nicht alle ihre Möglichkeiten ausschöpfen, erklärt er. Das liegt an der Struktur des ESA-Budgets, das sich in einen Pflichtteil (für Administration, Gemeinschaftsprojekte und Grundlagenforschung) und in ein Wahlprogramm aufteilt.

Wer mehr zahlt, bekommt auch mehr

Die Summe, die ein Land in den Wahltopf einzahlt, fließt 1:1 in Aufträge an heimische Weltraumunternehmen zurück, die ihre Produkte (bei Peak Technology wären das z. B. ultraleichte Raketentanks) so in ESA-Missionen unterbringen können. Ist das Budget ausgeschöpft, kommen diese Firmen nicht mehr zum Zug, selbst wenn sie Bestbieter sind. Laut einer Branchenumfrage von Austrospace hätten Österreichs 150 Weltraumunternehmen (und ihre rund 1.300 Mitarbeiter) ein Auftragspotenzial von 648 Millionen Euro – das ungenutzt zu bleiben droht. Dabei hätte jeder investierte Euro einen Export­hebel von vier und die Weltraumbranche ein Wachstumspotenzial von 20 Prozent pro Jahr, argumentiert Austrospace.

Andere EU-Länder hätten das erkannt: Deutschland wolle bis 2030 zusätzlich zum ESA-Budget 30 Milliarden Euro locker machen, Polen und Ungarn würden Astronauten zur ISS schicken, und Dänemark (also ein vergleichbar großes Land, allerdings mit weniger großen Budgetproblemen) verdopple das nationale Raumfahrbudget. Dass die US-Milliardäre Elon Musk und Jeff Bezos in die Raumfahrt investieren, ist wohl ebenfalls weniger der Faszination Weltall als den Gewinnaussichten geschuldet.

Erdbeobachtungs- oder Navigationssysteme sind Infrastruktur, die man für die Allgemeinheit bauen kann, oder eben nicht. Das ist nicht anders als bei einer Straße nach Mistelbach

Dieter Grebner

Warum diese Argumente in Österreich nicht den gewünschten Widerhall finden? Grebner zu News: „Österreich hat in der Technologiepolitik, speziell beim Erkennen neuer Technologien in einem frühen Stadium, immer schon Schwierigkeiten gehabt. Man hat sich lange darauf verlassen, dass die Wirtschaft – eingebettet zwischen deutscher Automobilindustrie, Tourismus und staatlichen Bauaufträgen – funktioniert. In diesem Umfeld ist es schwierig, Awareness für Themen wie Weltraumtechnologie zu schaffen. Das schmerzt besonders, weil Länder wie Deutschland, Italien, Belgien, Dänemark oder die Schweiz dieses Bewusstsein – und damit entsprechende Budgets – haben.“

Abhängig vom politischen Willen

Die Entwicklung der Raumfahrt hänge vom politischen Willen ab. „Erdbeobachtungs- oder Navigationssysteme sind Infrastruktur, die man für die Allgemeinheit bauen kann, oder eben nicht. Das ist nicht anders als bei einer Straße nach Mistelbach.“ In Österreich habe es in den letzten Jahren an Entscheidungsfreudigkeit gefehlt. Die Übergangsregierung von 2019 – auch da wurde das ESA-Budget verhandelt – beschränkte sich aufs Verwalten des Ist-Zustands.

Leonore Gewessler als Klima- und Weltraumministerin „hat einfach eine andere Agenda gehabt und das Potenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft“. Der heutige Minister Hanke muss sparen – „und damit wird alles weggeredet“, sagt Grebner. „In Österreich bleiben beim Sparen oft die Hightech-Themen auf der Strecke. Dabei könnten wir dazu beitragen, strukturelle Probleme zu lösen: Andere Industrien sind im freien Fall und bauen Arbeitsplätze ab, während die Raumfahrtbranche wächst.“

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Kritik: Austrospace-Präsident Dieter Grebner, selbst Weltraumunternehmer, kritisiert das mangelnde Verständnis der österreichischen Politik.

 © Bild: Matt Observe

Würde sich Österreich gemäß seinem BIP-Anteil am ESA-Budget beteiligen, sollten rund 550 Millionen Euro fließen. „Mit 320 Millionen Euro stehen wir weit unter einem nominell logischen Beitrag. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir sind komplett unterbudgetiert, um im europäischen Mittelfeld mitspielen zu können. Wir verpassen eine einmalige Chance, die Raumfahrt wird in den nächsten Jahren ein riesiger Wirtschaftssektor, der in Deutschland Arbeitsplätze auffangen wird, die in der Automobilindustrie verloren gehen.“

Dass Unternehmen aus der Weltraumindustrie den Niedergang anderer Industriezweige kompensieren können, klingt einfacher als es ist. Beschäftigte, die dort ihre Jobs verlieren, werden nicht unmittelbar von Automotoren auf Raketenantrieb umsatteln können. „Die strukturellen Probleme, die die europäische Industrie hat, lassen sich nicht schnell lösen“, sagt Grebner. „Auf neue Pferde zu setzen, dauert Jahre und wahrscheinlich ist es auch schon zu spät, um in der Verteidigungsindustrie oder der Luft- und Raumfahrt groß Fuß zu fassen, wenn man bis jetzt nicht dabei war. Aber man kann ja nicht sagen, jetzt ist es eh schon zu spät, also tun wir nichts.“ Könnte ein heutiger Autozulieferbetrieb seine Produktion auf Weltraum umrüsten? „Es geht. Aber unter fünf Jahren ist das nicht zu schaffen, so realistisch muss man sein.“

Wünsche an die Industriestrategie

Die Bundesregierung hat eine neue Industriestrategie angekündigt. Was sich Grebner vor dieser erwartet? „Dass man weggeht von der Gießkanne und nicht mehr versucht, es allen recht zu machen. Man muss Schlüsseltechnologien definieren, in denen man eine Zukunft sieht, und diese kompromisslos fördern. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass man manchen weh tun muss. Solche politischen Entscheidungen sind natürlich total unangenehm. Aber sie sind nötig.“

Was passiert, wenn für die Weltraumindustrie zu wenig passiert? „Es gibt in Österreich Player in der Raumfahrtindustrie, die sind multinational aufgestellt, und erledigen Aufträge, die sie hier nicht machen können, in Deutschland oder Dänemark. Die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung fallen dann eben dort an. Wer als Unternehmer noch nicht multinational aufgestellt ist, muss bald einen Standort in Deutschland haben, weil dort die Industriepolitik aufgewacht ist und in die richtige Richtung loszieht. Aber ein Neugründer, der grad von der Uni kommt? Wie will Österreich den halten? Wenn man 25 ist, ein schlaues Köpfchen und die Welt ist offen – dann gibt’s überhaupt keinen Grund, in Österreich zu bleiben. Das sind aber genau die Leute, die wir brauchen.“

Diese schlauen Köpfe gibt es in Österreich, denn Akademie der Wissenschaften und Universitäten sind in Ausbildung und Forschung aktiv. Mit Erfolgen: Bei der European Rocketry Challenge in Portugal holten im Oktober Studierende von TU Graz, Uni Graz und FH Joanneum mit ihrer Hybridrakete den Europameistertitel im Raketenbau. Die Welt und das All stehen ihnen offen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/25 erschienen.

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