Die Präsidentin der WKOÖ Doris Hummer spricht über Standortprobleme, den Wert persönlicher Beratung und warum Leistung wieder mehr zählen muss. Ein Interview über Zuversicht in Krisenzeiten und klare Forderungen an die Politik.
Doris Hummer ist seit dem Jahr 2017 Präsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich (WKOÖ). Die oberste Unternehmerin im Land ob der Enns tritt für einen Bürokratieabbau und die Senkung der Lohnnebenkosten ein, um die 100.000 Mitgliedsbetriebe zu entlasten.
Die neu gestaltete Zentrale der WK Oberösterreich wurde im Vorjahr eröffnet. Wie sind bislang die Rückmeldungen von den Unternehmern, den Kunden, den Mitarbeitern?
Die Rückmeldungen sind alle fantastisch und positiv. Die umgestaltete Zentrale zeigt auch, wie wir arbeiten: transparent, offen, effizient und serviceorientiert. Das Entree mit Cafeteria wird von den Mitarbeitern und Personen aus der Bevölkerung sehr gut angenommen.
Also sozusagen ein innerstädtischer Kommunikationstreffpunkt.
Genau. Das war auch die Zielsetzung: ein offenes Haus zu schaffen. Darüber hinaus den Unternehmerinnen und Unternehmern kostenlose Besprechungsräume anzubieten. Wir haben dabei auch drei Schwerpunkte bei der Gestaltung des Hauses und der jeweiligen Servicebereiche gesetzt: Jungunternehmer, exportorientierte Firmen und Talenteförderung. Unsere Zielsetzung ist es, jährlich 10.000 Jugendliche ins Haus der Wirtschaft einzuladen, damit diese ihre Talente und Begabungen erkennen.
Geht es dabei auch darum, bei den Jugendlichen die Lust auf Entrepreneurship und Unternehmertum zu wecken?
Sicherlich wollen wir Lust machen auf Unternehmertum und da spielen unsere Werte wie Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt steht aber die Suche nach den Interessen und Begabungen.
Wie wichtig ist der physische, der persönliche Kundenkontakt mit den Unternehmern – vor allem in Zeiten von Chatbots, telefonischer Beratung, KI, E-Mail-Services und Online-Tools?
Sehr wichtig. Weil neben der persönlichen Expertenberatung auch der Austausch untereinander, das Vernetzen der Firmen ganz wichtig ist. Ein Beispiel: Wir hatten gerade eine Großveranstaltung zum Thema Förderungen – alle relevanten Stellen haben ihre Innovations-, Digitalisierungs-, Export-, Finanz- und Gründerförderungen vorgestellt. Aber neben den Vorträgen konnten wir an diesem Nachmittag auch bei 40 Beraterinnen individuelle Gespräche anbieten. Und im Gespräch und Austausch lernen auch unsere Experten immer, wo es genau Unterstützung braucht und wo der Schuh drückt.
Und wo drückt der Schuh und wie geht es den oberösterreichischen Betrieben?
Nach zwei Jahren Rezession ist die aktuelle Stimmung – wenig überraschend – gedämpft. Weil wir massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Aber umso erfreulicher ist es, dass trotz der schwierigen Ausgangslage die relative Mehrheit, nämlich 43 Prozent, mit Zuversicht in die nächsten zwölf Monate blickt.
Von wann ist die Umfrage?
Von November 2024.
Und ist das im Vergleich zu den Vorjahren gut oder schlecht?
Natürlich war dieser Wert in den Boomjahren schon höher, aber die Unternehmerinnen und Unternehmer blicken deutlich positiver in die Zukunft als die restliche Bevölkerung. Da gibt es Parallelen zu den Jugendlichen, die ähnlich positiv gestimmt in die Zukunft blicken.
Das Glas ist also halb voll und nicht halb leer.
Genauso ist es. Das Glas ist halb voll. Sonst wären sie auch falsch in ihrem Job. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wissen, dass es nicht einfach werden wird und auch keine großen Wachstumssprünge zu erwarten sein werden. Dennoch: Das Grundvertrauen in die Mitarbeiter, die eigenen Produkte und die Innovationsfähigkeit ist da. Aber wir brauchen jetzt eine handlungsfähige Politik, die ihre Hausaufgaben erledigt.
Welche Maßnahmen? Ich nehme an, Sie sprechen dabei unter anderem die Bürokratie an.
Ja, Bürokratieabbau ist eine der wesentlichen Forderungen unserer Wirtschaft. Weil bereits Investitionen ins Ausland verlagert werden wegen der Flut an Dokumentationsauflagen. Es ist unerträglich geworden. Die Bürokratie kostet nicht nur viel Geld, sondern hält uns von den wichtigen Aufgaben ab.
Wie ist die allgemeine Auftragslage?
Das unterscheidet sich regional und nach Branche recht deutlich. Die größten Rückgänge haben wir in der Industrie und im Baubereich. Diese Bereiche haben in den vergangenen Jahren – auch aufgrund der exorbitanten Preissteigerungen von Löhnen und Energie – besonders gelitten. Es gibt aber auch Branchen, in denen es gut läuft.
Welche zum Beispiel?
Der Tourismus; oder auch das Weihnachtsgeschäft im Handel war gut. Manche Industrien wie zum Beispiel die Luftfahrtindustrie wachsen ebenfalls.
Wie ist es um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich bestellt?
Wenn wir nicht gegensteuern – schlecht. Weil wir uns aufgrund von Energie-, Lohnkosten und Bürokratie aus dem internationalen Markt preisen. Wir sind heute leider nicht mehr um das besser, was wir teurer sind. Es sind vor allem die Rahmenbedingungen, die sich verschlechtert haben. Das betrifft die schon erwähnte überbordende Bürokratie und dann mussten die Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren deutlich höhere Energiekosten und Lohnkosten in Kauf nehmen. Das hat uns geschadet.
Überdecken diese Probleme den Arbeitskräftemangel, der bis vor kurzer Zeit für die meisten Firmen problematisch war?
Derzeit ja. Eben weil wir in einer rezessiven Phase stecken. Aber die Demografie lässt sich nicht leugnen. Der Arbeitskräftemangel wird uns bei besserer Konjunktur wieder mehr beschäftigen. Kurz- und mittelfristig sind Bürokratie, Energiekosten, Lohnstückkosten und Produktivität die größten Herausforderungen.
Was benötigen Oberösterreichs Unternehmen?
Wir müssen weg von den Reparaturförderungen und dem Gießkannenprinzip. Jetzt geht es darum, die Lohnnebenkosten zu senken. Wir fordern hier eine Senkung um 5 Prozent oder zumindest auf das deutsche Niveau. Entlastung ist das Gebot der Stunde. Wir füllen fleißig Formulare aus – und dabei bleibt die produktive Arbeit auf der Strecke. Weniger Berichtspflichten, mehr Produktentwicklung.
Bei der Bürokratie wären Sunset-Klauseln denkbar?
Absolut. Man muss sich vorstellen, dass ein durchschnittliches Unternehmen in Österreich 100.000 Paragrafen und Verordnungen beachten muss. Das ist zu viel des Guten. Wir brauchen hier wirklich eine Vollbremsung und einen Abbau.
Ist der Leidensdruck groß genug, dass es hier zu echten Veränderungen kommen wird?
Ich hoffe, ja. Es braucht wieder ein Besinnen auf unsere Stärken. Fleiß und Leistung müssen sich wieder lohnen. Das bedeutet ein Steuersystem, das Leistung belohnt, und eine EU-Politik, die wieder die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes fördert und nicht bremst. Leistung muss sich lohnen.
Ein Motto, das seit vielen Jahren von den Vertretern der Wirtschaftskammer bemüht wird.
Ja – und jetzt wird es gehört. Denn eine Teilzeitgesellschaft und ein Vollkaskosozialstaat gehen sich eben nicht aus.
Welche Leistungen der WKOÖ werden am häufigsten nachgefragt?
Generell rechtliche Belange und Fragen sowie Themen zur Digitalisierung. Auch im Bereich des Exports gibt es viele Anfragen. Da begleiten wir mit unseren Außenwirtschaftszentren die Unternehmen bei ihren Expansionsplänen. Und dann noch Gründerservice und Jungunternehmerförderungen.
Werden aktuell mehr oder weniger Unternehmen als früher gegründet.
Das Niveau hält sich. Im Vorjahr waren es 5730 nach 5633 im Jahr 2023. Da gibt es noch Luft nach oben.
Die WKOÖ-Wahl steht vor der Tür. Was ist Ihr Appell an die Unternehmerinnen und Unternehmer?
Unbedingt vom Recht Gebrauch machen und bei der WK-Wahl am 12. und 13. März wählen gehen. Denn die Wirtschaft und die Betriebe in Oberösterreich brauchen eine starke Stimme für ihre Interessen, die von der Politik und der Gesellschaft auch gehört wird. Schließlich geht es um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts und damit um die Absicherung der Arbeitsplätze und des Sozialstaats. Von nichts kommt bekanntlich nichts.