Hybride, E-Fuels und andere Bastellösungen sollen den Verbrenner über 2035 hinaus am Leben halten. Ob Europas Autoindustrie so die Kurve kriegt?
Hach, „Technologieoffenheit“! Das klingt nach Freiheit, Fortschritt, Modernität. Aus den Mündern der Autoindustrie meint der Begriff aber das genaue Gegenteil: an altbekannten und schon bald obsoleten Technologien festhalten. Am Mittwoch wollte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag zum Verbrenner- Aus ab 2035 präsentieren. Dann soll der CO2-Ausstoß der gesamten Neuwagenflotte aller Marken auf null sinken. Die Hersteller könnten schon heute voll auf Elektro setzen.
Stattdessen lobbyieren sie weiter für Zwischenlösungen. Offenbar mit Erfolg: Friedrich Merz meldete sich Anfang Dezember bei seiner CDU- Parteikollegin Ursula von der Leyen in Brüssel. Per Brief. Der Tenor: Ihre EU- Kommission müsse dem Verbrenner noch eine Chance geben. Ja, die Elektromobilität sei die zentrale Zukunftstechnologie auf dem Weg in die Klimaneutralität. Aber zugleich brauche es „mehr Flexibilität und Technologieoffenheit, um die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und Innovationspfade in Europa zu berücksichtigen“. Auch nach 2035 will Merz Neuwagen mit „Übergangstechnologien“ wie Plug-inHybride und E-Autos mit zusätzlichen Verbrennungsmotoren, sogenannte Range Extender, und „hocheffiziente Verbrenner“ zulassen.
Am Freitag zogen Ministerpräsidenten aus sechs weiteren EU-Staaten nach und schickten einen ähnlichen Brief nach Brüssel. Die Kommission droht nun einzuknicken: Man sei „offen für alle Technologien“, beteuert Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas. Währenddessen sind andere längst weniger „offen“ und erkennen, dass das Verbrennerzeitalter zu Ende geht. China setzt voll auf Elektro, Hersteller wie BYD gewinnen auch in Europa rasch Marktanteile. In Norwegen sind bereits 95 Prozent aller Neuwagen rein elektrisch unterwegs. Im EU-Schnitt sind es knapp 16 Prozent – Tendenz steigend.
Reichweitenangst als Zukunftsmodell
Klar, bei Verbrennern sind die Margen höher, und die Hersteller können mehr Ersatzteile verkaufen. Die Kundschaft dürften solche Argumente kaum überzeugen. Fraglich, ob sie in zehn Jahren noch neue Hybride, Range Extender oder sogar reine Verbrenner kaufen will. Verbot hin oder her. Übergangstechnologien braucht es schließlich nur so lange, bis der Übergang geschafft ist.
In zehn Jahren dürfte das der Fall sein: ADAC-Daten zeigen, dass sich die durchschnittlichen Reichweiten neuer E-Autos innerhalb der letzten zehn Jahre fast verdoppelt haben. Setzt sich der Trend fort, werden 2035 auch günstigere Stromer ähnlich weit kommen wie Verbrenner. Wer unbedingt die 750 Kilometer von Wien bis zum Gardasee ohne Pause durchbrettern will, der kann das dann auch vollelektrisch, und ohne einen schweren Zweitmotor herumzukutschieren.
Neben der Reichweite schmilzt auch ein weiterer Vorteil von Verbrennern immer weiter dahin: der niedrigere Anschaffungspreis. Laut „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer hat die Preisdifferenz in Deutschland im Oktober mit 1.589 Euro einen neuen Tiefststand erreicht. Dudenhöffer geht davon aus, dass die Preise von Verbrennern stagnieren und E-Autos weiter günstiger werden.
Technologieoffenheit ist nur so lange sinnvoll, bis die beste Technologie gefunden ist
Effiziente Verbrenner, ein Oxymoron
Der Begriff „hocheffiziente Verbrenner“ aus Merz’ Brief sorgte bei der Bundespressekonferenz für denkwürdige Momente. Nach einigem Herumeiern erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius: „Hocheffiziente Verbrenner sind Verbrenner, die hocheffizient sind.“ Damit war alles geklärt, was geklärt werden konnte.
Verbrenner werden aber im Vergleich zu E-Motoren nie hocheffizient sein. Auch nach 170 Jahren Entwicklung wandeln sie unter Idealbedingungen weniger als die Hälfte der Energie in Vortrieb um. Meist sind es eher um die 20 Prozent. E-Motoren haben dagegen einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent. Ein ID.3 von VW kommt mit einer Ladung mehr als 400 Kilometer weit, obwohl in seinem 77-kWh-Akku nur so viel Energie steckt wie in neun Litern Benzin.
E-Fuels: Nicht massentauglich
Auch wasserstoffbasierte synthetische Kraftstoffe, „E-Fuels“, sollen, geht es nach Friedrich Merz, eine Rolle bei der Verkehrswende spielen. Man müsse für die Klimaziele schließlich neben Neufahrzeugen auch den Bestand an Verbrennern miteinbeziehen, schreibt er in seinem Brief. In der Theorie klingt das gut, tatsächlich können mit E-Fuels Verbrenner annähernd CO2-neutral weiterbetrieben werden. Die EU-Kommission plant sogar eine eigene Kategorie für Fahrzeuge, die nur mit solchen Kraftstoffen betrieben werden dürfen. Und auch die Formel 1 will ab 2026 auf die „grünen“ Treibstoffe umstellen.
Massentauglich sind E-Fuels aber bisher nicht, und werden es in diesem Bereich wohl nie sein. Denn das „E“ steht nicht für Effizienz, sondern für Elektro. Ihre Herstellung verschlingt fünf Mal so viel elektrische Energie, wie am Ende im Sprit steckt. Laut Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut haben E-Fuels deshalb im Straßenverkehr nichts verloren und sollten höchstens in der Luft- und Schifffahrt eingesetzt werden. Eine Studie des Öl-Giganten BP kommt zum selben Ergebnis.
Technologieoffenheit ist nur so lange sinnvoll, bis die beste Technologie gefunden ist. Dann ist Klarheit gefragt. Statt weiter ein totes Pferd zu reiten, sollten Europas Autobauer ihre Energie besser ganz in neue Akkutechnologien und E-Motoren stecken.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 50/25 erschienen.







