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Vom Judenstaat zum Muslimstaat: Eine Geschichte der ungleichen Urteile

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Das Theodor Herzl-Monument in Mini Israel

Das Theodor-Herzl-Monument in Mini-Israel in der Nähe von Latrun.

©Imago/Dreamstime

Israel und Pakistan teilen ähnliche ideologische Wurzeln – und doch könnten ihre Bewertungen kaum unterschiedlicher sein. Während Israels Existenzrecht angefochten wird, bleibt der Islamisierungsprozess Pakistans weitgehend unkritisiert. Ein Blick auf verdrängte Parallelen.

Theodor Herzl schuf mit dem Buch ‚Der Judenstaat‘ die Grundlage des politischen Zionismus – ein eigener Staat der Juden könnte den jahrtausendealten Antisemitismus beenden. Weniger bekannt – vor allem unter Kritikern des Zionismus, deren Einwände oft fließend in den Antisemitismus übergehen – ist das muslimische Gegenstück zu Theodor Herzl: der Philosoph und Dichter Muhammed Iqbal.

Iqbal und Herzl – Islam und Judentum. Mit ihren Theorien schufen sie die Grundlagen für Israel und Pakistan. 1877 in Sialkot geboren, war Iqbal der erste Gelehrte, der von einer muslimischen Nation auf dem Gebiet von Britisch-Indien sprach. Er sah im Islam nicht nur eine Religion, sondern eine politisch-kulturelle Grundlage für eine Gemeinschaft mit einer nationalen Identität – ähnlich der Theorie des Zionismus. In seinen Schriften bewundert er den jüdischen Nationalismus: „Juden haben nach 2.000 Jahren ihr nationales Bewusstsein wiedererweckt. Warum sollten Muslime das nicht auch können?“ In einem Gedicht schreibt er: „Juden haben aus der Asche der Vergangenheit ein neues Leben geschaffen.“

Britisch-Indien

Nach Iqbars Tod 1938 übernahm Muhammed Ali Jinnah als Sprecher der Muslime in Britisch-Indien die ‚Zwei Nationen Theorie‘. David Ben-Gurion, der erste Premierminister Israels, berief sich auf die Theorie Herzls für eine Heimat der Juden – Jinnah, der erste General-Gouverneur Pakistans, berief sich auf die Lehren von Iqbal für eine Heimat der Muslime. Am 14. August 1947 wurde Pakistan gegründet, neun Monate später, am 14. Mai 1948, Israel.

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Muhammed Iqbal

 © Public Domain

Die Folgen waren verheerend. Fünf Millionen Hindus und Sikhs flohen aus Pakistan. Es kam zu Pogromen und Plünderungen, Dörfer wurden zerstört und Züge der Flüchtlinge überfallen. Der Anteil der Hindus liegt heute unter zwei Prozent. Die jahrhundertealte jüdische Gemeinde von Karachi existiert nicht mehr, anstelle der Synagoge steht ein Einkaufszentrum. In Indien leben 270 Millionen Muslime – etwa 15 Prozent der Bevölkerung. In Bombay existiert eine aktive jüdische Gemeinde mit acht Synagogen.

Während Jinnah einen demokratischen Staat mit gleichen Rechten für alle anstrebte, begann in Pakistan nach seinem Tod 1948 die systematische Islamisierung der Verwaltung, des Schulsystems und der Gesetzgebung.

Boykott-Kultur

Heute verurteilt eine teils hysterisch agierende Pro-Palästina Protestbewegung und anti-jüdisch/israelische Boykott-Kultur den Zionismus als ein System des Rassismus und der Apartheid und stellt das Existenzrecht Israels infrage. Während Israel seit seiner Gründung eine stabile Demokratie ist, übernahm in Pakistan das Militär immer wieder die Regierung und kontrolliert bis heute Außenpolitik, Sicherheit und Justiz. Dennoch würde niemand Pakistan das Existenzrecht absprechen.

Islamistische und links-politische Aktivisten ziehen brüllend mit ‚Tod den Zionisten‘ durch die Straßen, doch das Kollektiv der Empörten ignoriert die Islamisierung Pakistans, den Zerfall demokratischer Strukturen, die Kultur der Ehrenmorde und systematische Verfolgung sogenannter ‚Ungläubiger‘.

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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2025 erschienen.

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