Sabotageakte, Cyberangriffe, Drohnenflüge: Die Bedrohungslage in Europa ist längst keine theoretische mehr, sagt Sicherheitsexperte Ferdinand Gehringer. In seinem Buch „Deutschland im Ernstfall" beschreibt er Szenarien, was im Falle eines militärischen oder hybriden Angriffs geschieht. Szenarien, die auch Österreich betreffen würden, ob wir wollen oder nicht. Ein Gespräch über politische Bequemlichkeit, fehlende Vorbereitung – und die Illusion, man könne sich im Krisenfall einfach heraushalten.
Herr Gehringer, Ihr Buch heißt „Deutschland im Ernstfall“. Wen wollen Sie damit aufrütteln? Nur Deutschland oder die gesamte europäische Öffentlichkeit?
In erster Linie war es uns wichtig, mit dem Buch in Austausch mit der Zivilgesellschaft zu treten. Wir halten es für notwendig, dass in Deutschland stärker über die angespannte sicherheitspolitische Lage gesprochen wird. Das wollten wir mit einer gewissen Ehrlichkeit und Offenheit tun – indem wir zeigen, was passiert und was wir beobachten. Die Konstellationen und Szenarien, die wir darstellen, haben selbstverständlich Auswirkungen auf Europa. Das lässt sich – schon allein aufgrund unserer Lage und unserer engen Vernetzung – weder ausblenden noch von der Hand weisen.
In Österreicher heißt es gern und oft: Wir sind neutral. Reicht das, um quasi außen vor zu sein?
Ich glaube, dass man einen solchen Ernstfall nie nur für Deutschland definieren kann. Er hätte letztlich immer Auswirkungen auf viele Länder in Europa – auf manche stärker, auf andere schwächer, teils militärisch, teils weniger militärisch. Allein durch die Vernetzung wäre Österreich betroffen. Selbst wenn man sagen würde: Wir halten uns militärisch heraus, weil wir nicht in der NATO sind – dann blieben immer noch Lieferketten, Nahrungsmittelversorgung, Ersatzteile etc. Österreich wäre zumindest ein Transitland, durch das vieles transportiert werden würde – ganz zu schweigen von möglichen humanitären Unterstützungen. Wenn es tatsächlich zu einer extremen sicherheitspolitischen Entwicklung käme, gäbe es auch viele Verwundete. Es ist denkbar, dass man deren Verteilung über Europa noch einmal neu organisieren würde.
Das heißt, jedes Land müsste jetzt schauen, ob die strukturellen Hausaufgaben gemacht sind – etwa mit Blick auf die Spitäler?
Das wäre der Idealfall, dass man Szenarien definiert und laut diesen Planungen darüber redet, welches Land welche Bedeutung und Rolle einnimmt. Wenn jedes Land so vorgehen würde, wären wir schon zehn Schritte weiter. Denn dann hätte sich jedes Land zumindest einmal mit einer solchen Situation auseinandergesetzt. Außerdem gäbe es einen gemeinsamen Aufhänger, um ins Gespräch zu kommen: Wie planen wir das Ganze konkret? Wie können wir uns in diesen Szenarien gegenseitig unterstützen?


Das Buch
Was passiert, wenn Deutschland in einen Krieg hineingezogen wird? Das Buch „Deutschland im Ernstfall“ entwirft kein Katastrophenszenario, sondern beschreibt nüchtern, was im Falle eines militärischen oder hybriden Angriffs geschieht. Hoffmann und Campe, 16 Euro
Das passiert aber nicht. Wie erleben Sie Europa in Tagen wie diesen?
Ich nehme Europa – und damit meine ich zunächst die Europäische Union – in diesem Zusammenhang als sehr behäbig wahr. Gerade wenn es darum geht, Sicherheits- und Verteidigungsfragen zu lösen, spielt die EU kaum eine Rolle. Trotzdem ist es so, dass die Europäische Union bei Themen wie Krisenvorsorge oder grenzüberschreitenden Unterstützungsleistungen bereits aktiv ist. Das erleben wir etwa bei Waldbränden, wenn Löschflugzeuge ausgetauscht werden. Gerade dieser Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes könnte vonseiten der EU noch besser strukturiert werden. Und es wäre sinnvoll, dabei auch sicherheitspolitische Szenarien stärker mitzudenken.
Wie nah oder wie weit weg sind diese Szenarien , die Sie im Buch aufzeigen, von der Wirklichkeit?
Ich glaube nicht, dass ein Ernstfall von einem auf den anderen Tag passiert. Viel eher rutschen wir da hinein. Erst merkt man nur einzelne Anzeichen, und irgendwann wird klar: Da hat sich tatsächlich eine sicherheitspolitische Lage entwickelt, die wir zuvor unterschätzt haben. Die Anzeichen der letzten Wochen – häufige Drohnensichtungen, gestörte GPS-Signale, Zwischenfälle auf der Ostsee, Sabotage an kritischer Infrastruktur, Cyberangriffe auf Flughäfen, auf politische Einrichtungen, auf Wirtschaftsunternehmen, Desinformation – das sind alles Nadelstiche, die Teil eines Ernstfallszenarios sein können.
Solche Vorfälle sind auch Tests: Man prüft uns – und mit uns meine ich das NATO-Bündnis. Wie belastbar ist das Sicherheits- und Verteidigungsbündnis? Wie funktionieren die Prozesse, wie sind die Kapazitäten, wie schnell ist die Reaktion? Aber auch: Wie sind die Abläufe? Wie rasch kann ein Flughafenbetreiber handeln? Wie schnell reagiert die Polizei in Dänemark – und wie eskalierend ist diese Reaktion, falls sie überhaupt erfolgt? Ein Nebeneffekt dieser Aktionen ist: Sie destabilisieren und verunsichern die Bevölkerung.
Sie schildern im Buch das Szenario eines Angriffs auf die baltischen Staaten. Was würde in diesem Moment ab Minute eins in Deutschland passieren?
Wir sind mit der deutschen Brigade* in Litauen voraussichtlich ab 2027 dann mit bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten präsent. Ihre Aufgabe ist es, das Bündnisgebiet zu verteidigen. Sollte es zu einem russischen Einmarsch ins Baltikum kommen, wären deutsche Soldaten unmittelbar in Kampfhandlungen verwickelt. In Deutschland würde dann höchstwahrscheinlich der Bündnisfall nach dem Grundgesetz ausgerufen, eventuell sogar der Verteidigungsfall.
Die deutsche Brigade
Die Brigade gilt als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und als Leuchtturmprojekt der sicherheitspolitischen Zeitenwende. Bis Ende 2026 sollen rund 2.000 Soldaten, bis 2027 die volle Brigadegröße in der Nähe von Vilnius stationiert sein.
Heute gilt: Ein Angriff auf das Bündnisgebiet wird wie ein Angriff auf Deutschland selbst behandelt. Der Verteidigungsfall erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Für den Bündnisfall* braucht es zunächst den einstimmigen Beschluss nach Artikel 5 des NATO-Vertrags, anschließend könnte die Bundesregierung ihn auch nach unserer Verfassung feststellen. Beides hätte erhebliche Folgen für den Alltag in Deutschland. Entscheidend ist die Frage, ab wann Artikel 5 ausgelöst wird. Bei einer klaren Invasion besteht kein Zweifel. Unklarer sind die Grauzonen – etwa Luftraumverletzungen, Drohnenüberflüge oder „grüne Männchen“ ohne Hoheitsabzeichen auf fremdem Staatsgebiet. In sicherheitspolitischen Kreisen diskutieren wir, wie viel man sich gefallen lassen darf und wann man reagieren muss. Die Glaubwürdigkeit der NATO hängt davon ab, wie eine klare rote Linie gezogen und wie im Ernstfall entschlossen gehandelt wird.
Bündnisfall, Verteidigungsfall & Angriffsfall
Der Bündnisfall tritt ein, wenn ein Mitglied eines Verteidigungsbündnisses wie der NATO angegriffen wird. Die Partnerstaaten sind dann zum Beistand verpflichtet – militärisch oder in einer anderen Weise.
Der Verteidigungsfall liegt vor, wenn Deutschland selbst mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein Angriff unmittelbar droht. Bundestag und Bundesrat müssen mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.
Der Angriffsfall bezeichnet den tatsächlichen bewaffneten Angriff auf einen Staat. Er begründet das Recht auf Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und kann einen Bündnis- oder Verteidigungsfall auslösen.
Sie schreiben, Deutschland gilt im Ernstfall als logistische Drehscheibe für NATO-Truppen. Warum?
Das sind Überlegungen der NATO-Verteidigungsplanung, die in Deutschland im Bundesverteidigungsministerium umgesetzt werden. Dafür wurde der „Operationsplan Deutschland“ entwickelt. Aufgrund unserer zentralen Lage in Europa sind wir mit Häfen, Flughäfen und Straßen mitverantwortlich dafür, alliierte Truppen – etwa aus den USA, Großbritannien oder Teilen Südeuropas – über unsere Infrastruktur an die Ostflanke zu verlegen.
Man rechnet mit mehreren hunderttausend Soldaten samt Gerätschaften; das zieht einen großen organisatorischen Rattenschwanz nach sich: Versorgung, Wartung, Unterkünfte. Im absoluten Krisenfall würde das Volumen massiv zunehmen. Es könnten in 180 Tagen bis zu 800.000 Soldaten durch Deutschland verlegt werden. Dann wären nicht mehr nur nächtliche Konvois möglich, sondern die Infrastruktur müsste auch tagsüber umfassend für den Transport und die Versorgung genutzt werden.
Das bedeutet Einschnitte im Alltag?
Züge könnten seltener fahren, Vorrangverkehr für militärische Güter würde eingeführt. Das lässt sich über Verkehrssicherstellungs- sowie Vorsorgegesetze im Spannungs- oder Verteidigungsfall anordnen. Straßenabschnitte könnten gesperrt werden, weil große Truppenkonvois geschützt werden müssen. Entlang der Routen entstehen Konvoi-Support-Zentren für Versorgung, Wartung und Ruhezeiten.
Flughäfen und Häfen würden teilweise oder vollständig umfunktioniert, um Gerät und Personal zu bewegen – Übungen wie Red Storm Bravo* haben solche Abläufe bereits simuliert. Gleichzeitig sind Infrastruktur und Konvois besonders angreifbar und werden noch stärker zum Ziel: hybride Methoden – Sabotage, Cyberangriffe, gezielte Störungen – zielen auf Logistik und Versorgung, um die gesamte Versorgungsmaschinerie zu unterbrechen. Deshalb reicht die Priorisierung weit hinein in den Alltag – inklusive zusätzlichem logistischen Aufwand für Verwundete und Binnen- bzw. internationale Fluchtbewegungen.


Feuerwehr, Bundeswehr und Zivilschutz proben bei „Red Storm Bravo“, wie Hilfe, Abwehr und Kommunikation im Ernstfall ineinandergreifen.
© Marcus Golejewski / dpa / picturedesk.comRed Storm Bravo
„Red Storm Bravo“ war die größte Militärübung Hamburgs seit dem Kalten Krieg: Vom 25. bis 27. September 2025 trainierten rund 500 Soldaten der Bundeswehr gemeinsam mit Polizei, Feuerwehr, THW, Behörden und Unternehmen wie Airbus und Blohm + Voss die Verlegung von Truppen und Material an die NATO-Ostflanke.
Für viele Entscheidungen braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Wie realistisch ist diese in einer doch sehr fragmentierten Parteienlandschaft?
Ich glaube nicht, dass wir diese Zweidrittelmehrheit in absehbarer Zeit erleben werden. Die Frage ist: Was müsste passieren, damit auch eine Linkspartei oder die AfD so etwas unterstützen würden? Und wollen die Parteien der Mitte das überhaupt? Eigentlich sollte Parteipolitik bei solchen Konstellationen keine Hauptrolle mehr spielen – aber das ist schwer einzuschätzen. Es besteht die Gefahr, dass wir einen Spannungs- oder Verteidigungsfall in Deutschland erst viel zu spät ausrufen, weil die Mehrheiten nicht da sind. Realistischer wären da derzeit eher ein Zustimmungsfall und dann der Bündnisfall.
Was würde der Ernstfall für die Wirtschaft bedeuten?
In einem solchen Fall ginge die Kommandogewalt ins Kanzleramt. Die Regierung könnte Unternehmen anweisen, bestimmte Produkte herzustellen – etwa Schutzmittel oder Abwehrsoftware. Auch einzelne Berufe könnten verpflichtet werden. Ärzte oder THW-Helfer (THW ist die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des deutschen Bundes; Anm. der Redaktion) etwa können mit einem Bescheid für eine bestimmte Zeit an anderer Stelle eingesetzt werden. Das muss befristet und rechtsstaatlich überprüfbar sein, greift aber tief ins private Leben und die Wirtschaft ein.
Ein zentrales Problem dabei ist die Doppelverplanung. Wir wissen kaum, wie viele Reservisten es tatsächlich gibt – und auch nicht, wie viele Menschen parallel ehrenamtlich tätig sind. Eine Ärztin kann gleichzeitig beim THW sein. Im Ernstfall muss aber entschieden werden: Wo wird diese Person dringender gebraucht? Solche Überschneidungen sind derzeit nicht erfasst, weder systematisch noch schnell abrufbar. Gerade in einer Krise bräuchten wir aber sofortige Klarheit und Kontaktmöglichkeiten. Während Corona haben wir gesehen, wie träge das System am Anfang war. Da müssen wir besser werden.
Aber die Daten, die ich bis jetzt nicht gesammelt habe, werde ich nicht so schnell auf den Tisch bekommen …
Deshalb sollte man sich schon jetzt Gedanken darüber machen, wie man an solche Daten kommt und wie man sie systematisch aufbereiten kann. Ein Vorschlag wäre, die bestehende NINAWarn-App* auszubauen, in dem ein persönliches Profil mit Tätigkeiten und Fähigkeiten einer Person angelegt wird. Freiwillig und gegebenenfalls mit Lokalisierungsoption. Koordinierende Behörden könnten dann bei Bedarf schnell erkennen, wo welche Fachkräfte sind, und diese gezielt anfordern. Über eine Kommunikationsfunktion des Warnsystems ließen sich Betroffene direkt erreichen, sofern die Verbindung steht.
NINA-Warn-App
Die NINA-Warn-App ist das zentrale Warnsystem des Bundesamts für Bevölkerungsschutz. Sie informiert per Push-Nachricht über Gefahren wie Unwetter, Brände, Chemieunfälle, Hochwasser oder polizeiliche Lagen.
Sie verweisen auf Vorbilder, die es ja durchaus schon gibt in Europa.
Es gibt viele gute Beispiele, die man nicht eins zu eins nach Deutschland übertragen kann – und auch nicht soll –, die sich aber anpassen ließen. Ein Beispiel sind die Verteidigungskurse in Finnland. Dort gilt es als große Ehre, eingeladen zu werden. Teilnehmen können nicht nur politische Entscheidungsträger, sondern auch CEOs, Vertreter kleiner und großer Unternehmen, Multiplikatoren aus der Gesellschaft und Experten. Ziel ist es, sicherheitspolitische Themen in die Breite zu tragen, Wissen über Abläufe und Strukturen zu vermitteln und zugleich die Rolle der Unternehmen und eines jeden Einzelnen zu stärken.
Auch in Deutschland stehen wir vor dieser Frage, wenn etwa Reservisten freigestellt werden müssen. Das wirft Fragen nach Finanzierung, Lohnfortzahlung und Bereitschaft auf. Hier braucht es Vernetzung und Verständnis für gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Strukturen. Finnland bindet auch bei Übungen zum Beispiel die Textilindustrie ein, die für kurze Zeit Schutzwesten statt T-Shirts produziert. Solche Maßnahmen schaffen Bewusstsein – und zeigen, wie Wirtschaft, Gesellschaft und Staat enger zusammenarbeiten können. Natürlich setzt das die Bereitschaft der Wirtschaft voraus, auch Produktionsausfälle und Umsatzeinbußen in Kauf zu nehmen. Die Bevölkerung mitzunehmen ist dabei entscheidend.
Sie plädieren für mehr Transparenz: je mehr Informationen, desto weniger Angst.
Die sicherheitspolitische Lage muss klarer und regelmäßiger kommuniziert werden. Das bedeutet nicht, jedes Lagebild zu veröffentlichen. Was fehlt, ist eine fortlaufende Information: Welche hybriden Aktivitäten beobachten wir? Welche Maßnahmen wurden ergriffen? Welche Lehren ziehen wir daraus? Ein nationales Lagebild, wie es der Nationale Sicherheitsrat schaffen will, sind erste Schritte. Eine solche Transparenz würde Schwachstellen offenlegen und zeigen: Wir haben Vorfälle erkannt und handeln.
Das würde Vertrauen schaffen, statt die Bevölkerung durch punktuelle, ereignisgetriebene Kommunikation zu verunsichern. Es ist schwierig, ja. Derzeit herrscht eher die Haltung: Lieber der Bevölkerung nicht zu viel zumuten, lieber nicht zu viel sagen. Ich glaube jedoch, dass man den Menschen in Deutschland deutlich mehr zutrauen kann. Medien haben hier auch eine Rolle. Mir ist klar, Erfolgsgeschichten wirken oft weniger attraktiv als Probleme. Dennoch halte ich eine Fortschrittserzählung für entscheidend: Wir haben eine angespannte Lage, aber wir bereiten uns vor. Das nimmt die Bevölkerung stärker mit und eröffnet Gespräche über eigene Rollen.
Sich auf den Satz ‚Wir sind nicht in der NATO’ zurückzuziehen, greift zu kurz
In Österreich spricht man lieber gar nicht über „Was-wäre-wenn“-Szenarien oder Verteidigungsfragen. Ist das in Ihren Augen eine bequeme, vielleicht sogar naive Haltung?
Das Thema darf nicht in Alarmismus kippen. Alles, was ich sage, sind schlimme Szenarien, die hoffentlich niemals eintreten werden. Aber Verantwortung und Betroffenheit zu verdrängen, schafft eher Verunsicherung und Hilflosigkeit. Auch Österreich kann sich nicht sicher sein, außen vor zu bleiben – allein aufgrund seiner Lage und Anbindung. Sich auf den Satz „Wir sind nicht in der NATO“ zurückzuziehen, greift zu kurz. Im Ernstfall unterscheidet niemand zwischen NATO- und EU-Gebiet – betroffen wäre die gesamte Region, wenn auch unterschiedlich stark. Diese andere Betroffenheit komplett wegzudrücken, halte ich für falsch.


Alles im Griff. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sieht Österreich beim Schutz vor Drohnen „auf einem sehr guten Weg“.
© C.Karlovits/HBF / OTSWie blicken Sie auf die Welt im Herbst 2025? Was gibt Ihnen am Ende noch ein Stück weit Hoffnung?
Es ist eine sehr unruhige Zeit. Wir sehen zahlreiche hybride Angriffe. Gleichzeitig erlebe ich viele besonnene und engagierte Politikerinnen und Politiker in NATO- und EU-Staaten, die die Lage ernst nehmen, aber nicht in Panik verfallen. Natürlich reagieren Grenzstaaten oder nordische Länder alarmistischer – das ist nachvollziehbar. Insgesamt gibt es in den Bündnisgremien aber ein gutes Maß an Abwägung und Handlungsbereitschaft. Das macht mir Hoffnung. Hoffnung gibt mir auch, dass das Thema in der Bevölkerung zunehmend ernst genommen wird. Wer sich gedanklich vorbereitet und Vorsorge trifft, erlebt einen möglichen Ernstfall weniger als Schock.

Steckbrief
Ferdinand Gehringer
Der sicherheitspolitische Berater der Konrad-Adenauer-Stiftung ist Jurist und zertifizierter Mediator. Er berät Abgeordnete des Deutschen Bundestags und des Europäischen Parlaments sowie internationale Organisationen zu Fragen hybrider Bedrohungen, Cyber- und Informationssicherheit und dem Schutz kritischer Infrastrukturen. Gemeinsam mit Johannes Steger hat Ferdinand Gehringer das Buch „Deutschland im Ernstfall: Was passiert, wenn wir angegriffen werden?“ verfasst.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2025 erschienen.

