Das Jahr 2025 hat keine Entwarnung gebracht, sondern Gewissheiten erschüttert. Es hat offengelegt, wie brüchig politische Stabilität, freie Medien und internationale Sicherheiten geworden sind – und wie sehr unsere Zukunft von Entscheidungen abhängt, die wir nicht länger vertagen können.
Am Anfang dieses Jahres stand ein „Gerade-noch“. Am Ende steht ein „Vielleicht-schon-bald“. Im Jänner konnte eine Regierung unter FPÖ-Chef Herbert Kickl „gerade noch“ verhindert werden. Doch war das ein politischer Befreiungsschlag – oder bloß ein Aufschub, den wir uns selbst schönreden? Denn was da verhindert wurde, war mehr als ein rechtspopulistischer Machtwechsel.
Es wurde auch ein medienpolitischer Dammbruch abgewendet. Kickl hatte deutlich gemacht, was ihm vorschwebt: Medien nach ungarischem Vorbild, in der kritischer Journalismus als „Systempresse“ diffamiert wird, Pressefreiheit ein ausgehöhltes Schlagwort ist und öffentliche Gelder entlang ideologischer Loyalitäten verteilt werden. Dazu der gezielte Ausbau von Gegenöffentlichkeiten, orchestriert aus der Parteizentrale. All das war näher, als vielen bewusst war – und es bleibt näher, als uns lieb sein kann.
Trumps unverhohlene Drohung
Gleichzeitig, zum Ende eines ohnehin beklemmenden Jahres, richtet sich der Blick auf Donald Trump, der Europa offen ins Visier nimmt. Kein diplomatischer Seitenhieb, sondern unverhohlenes Drohen. Der US-Präsident, für den demokratische Institutionen hinderlich sind, der Journalistinnen beleidigt, die Justiz unter Druck setzt und autokratische Rhetorik zum Regierungsstil erhoben hat, erklärt das transatlantische Bündnis zur Option.
Wer widerspricht, wird abgestraft. Europas Sicherheitsarchitektur – jahrzehntelang getragen vom amerikanischen Schutzversprechen – wird zur Verhandlungsmasse. Trumps strategisches Kalkül ist offenkundig: ein schwaches Europa. Ein gespaltener Kontinent, durchsetzt mit rechtsnationalen Parteien, die ihm ideologisch nahestehen.
Brüchiges Fundament
Es sind zwei Entwicklungen, die dieselbe Geschichte erzählen: die Geschichte vom Ende scheinbar sicherer Gewissheiten. Denn 2025 war ein Jahr der Zäsuren. Ein Jahr, das offengelegt hat, wie brüchig die Fundamente geworden sind, auf denen wir uns jahrzehntelang bequem eingerichtet hatten. Sichtbar wurde, wie fragil Institutionen sind, die einst als unerschütterlich galten: unabhängige Medien, internationale Bündnisse, liberale Demokratien.
Die „Koalition gegen Kickl“ wird sich 2026 daran messen lassen müssen, ob sie mehr zustande bringt als bloßes Verhindern – oder ob sie genau damit jene politische Leerstelle fortschreibt, aus der die FPÖ ihre Stärke bezieht. Denn was die Rechtspopulisten stark macht, sind keine überzeugenden Antworten auf die großen Fragen, sondern das bessere Gespür dafür, was vielen Menschen im Land und darüber hinaus Sorgen bereitet.
Die Rolle der Medien
Die zweite Lehre betrifft uns – die Medien. Auch hier ist die Selbstverständlichkeit ins Rutschen geraten. Die Öffentlichkeit hat sich verändert: Gatekeeper sind entmachtet, Plattformlogiken regieren. Daraus abzuleiten, Journalismus habe ausgedient, wäre verkürzt und fatal zugleich. Gerade in fragmentierten Öffentlichkeiten braucht es verlässliche, überprüfbare Informationen. Nicht trotz, sondern wegen der Meinungsvielfalt. Wir sollten nochmals darüber nachdenken, was wir in Zeiten wie diesen auf Social Media auch im Sinne der Meinungsfreiheit bereits tolerieren, eben weil wir uns längst an einen gewissen „Ton“ gewöhnt haben.
‚Ich hab’s nicht gewusst‘ ist in einer Demokratie kein Argument
Die Debatte 2026 muss mehr leisten als etwa kosmetische Korrekturen bei der Medienförderung. Es geht um Grundsätzliches: Wie wollen wir unsere Öffentlichkeit organisieren? Wer trägt Verantwortung dafür? Nicht nur Redaktionen. Auch Leser, Zuschauer, Nutzer. „Ich hab’s nicht gewusst“ ist in einer Demokratie kein Argument. Wer unabhängige Medien für unverzichtbar hält, muss sie nutzen, finanzieren und/oder verteidigen.
Alles andere trägt zu jener Schwächung bei, die vielerorts beklagt wird. Dabei gibt es auch ermutigende Zahlen: Eine Studie von Gallup-Institut und dem Medienhaus Wien zeigt, dass die Nachrichtennutzung in Österreich weiterhin hoch ist. 95 Prozent sehen unabhängige Medien als zentral für die Demokratie. Selbst bei jenen, die Nachrichten meiden, ist das Bild von Journalistinnen und Journalisten „überwiegend positiv“. Das ist kein Anlass zur Selbstzufriedenheit. Aber ein klarer Auftrag.
Was ist uns das alles noch wert?
Wer noch an den Automatismus glaubt, dass sich liberale Demokratien selbst tragen und Medien „nicht so schnell verschwinden werden“, hat dieses Jahr nicht verstanden. Demokratien kippen nicht von heute auf morgen; Medien verschwinden nicht von heute auf morgen. Sie erodieren schleichend: mit einem Schulterzucken zu viel, mit jedem Gewöhnungseffekt, mit der Trägheit ihrer Verteidiger.
Diese Erkenntnis darf nicht in Resignation enden. Sie muss in den Willen übersetzt werden, es besser zu machen. Und das beginnt mit einer einfachen, aber fundamentalen Frage: Was ist uns das alles noch wert? Demokratie, freie Presse, europäische Sicherheitsarchitektur? Das alles ist an (politische) Entscheidungen geknüpft. Das alles muss geschützt, gestaltet, erneuert werden. Immer wieder. Von uns allen. Wer diese Verantwortung delegiert, braucht sich am Ende nicht über das Scheitern beklagen.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51+52/2025 erschienen.







