Donald Trump und Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour
©APA-Images / AFP Getty / MATTHEW STOCKMANDie Schweiz hat eine Lösung für den aus dem Ruder gelaufenen Zollstreit mit den USA gefunden: Statt Politikerinnen und Politiker tingelten Wirtschaftsbosse um Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour zu Donald Trump, mit üppigen Geschenken im Gepäck. Wie kam es dazu? Und ist das noch lösungsorientiert oder schon Korruption?
In Innsbruck wird im Zuge des nächsten Benko-Prozesses gerade viel über Schweizer Uhren geredet. Aber nicht nur dort. Sie spielten kürzlich auch eine Rolle auf höchster diplomatischer Ebene. Auch hier nicht, ohne ethische und juristische Fragen aufzuwerfen.
Schweiz in Trumps Visier
Der Reihe nach. Wir sind im März diesen Jahres. Kanada, Mexiko und China sind bereits von neuen US-Zöllen betroffen. Auch in der Schweiz wächst die Sorge, nachdem die Eidgenossenschaft auf einer US-Liste von Ländern mit „unfairen Handelspraktiken“ landet. Wie auch die anderen Staaten auf der Liste exportiert die Schweiz mehr Waren in die USA, als sie von dort importiert.
Der Überschuss kommt vor allem durch Pharmazeutika, Uhren und Edelmetalle zustande. Der große Exportschlager der USA – digitale Dienstleistungen – ist in der US-Rechnung kein Faktor. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda trifft daraufhin den US-Handelsbeauftragten Jamieson Greer, um die Vorwürfe der USA zu entkräften. Das Gespräch verläuft positiv, Schweizer Medien berichten, Budliger Artieda hätte „die Wogen geglättet“.
Rechnung ohne den Wirt gemacht
Wohl aber nur bei Jamieson Greer und nicht bei dessen Chef im Oval Office. US-Präsident Donald Trump stellt sich kurz darauf mit einer überdimensionalen Liste vor die Weltpresse. Darauf zu sehen: die Höhe der „Gegenzölle“ zum Ausgleich „unfairer“ Handelspraktiken. Switzerland: 31 percent. European Union: 20 percent. Budliger Artieda dürfte ihren Augen kaum getraut haben.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Bundesratspräsidentin Karin Keller-Sutter rücken zu Verhandlungen aus. Wenig später setzen die USA alle neuen Zölle drei Monate lang aus. Daraufhin bemühen sich so gut wie alle betroffenen Staaten um Verhandlungen, auch die Schweiz. Ende Juni gibt der Bundesrat bekannt, es sei anhand der Gespräche davon auszugehen, dass es beim Basiszoll von zehn Prozent bleiben würden. Nur Trumps Okay fehle noch.
Zollhammer am Nationalfeiertag
Der Präsident hatte allerdings andere Pläne als seine Verhandler. Während EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen sich Ende Juli mit Trump auf 15-Prozent-Zölle im Tausch gegen Investitionszusagen und Flüssiggas-Einkäufe durch EU-Staaten einigt, geht ein Telefonat von Trump mit Keller-Sutter schief. Wie der Schweizer „Tagesanzeiger“ berichtete, soll Handelsbeauftragter Greer während des Gesprächs eine Nachricht an das Schweizer Staatsoberhaupt geschickt haben: „Beenden Sie dieses Gespräch, sonst wird die Situation noch schlimmer.“
Keller-Sutter habe nicht den richtigen Ton getroffen, hieß es danach in Schweizer Medien. „Die Frau war nett, aber sie wollte nicht zuhören“, sagt Trump gegenüber dem US-Sender CNBC. Der bereits fertig verhandelte Deal – 200 Milliarden Franken Investitionen in den USA für eine Beibehaltung der Zehn-Prozent-Zölle – war damit Geschichte. Einen Tag später, am Schweizer Nationalfeiertag, folgte dann der Hammer: 39 Prozent werden die Einfuhrzölle ab dem 8. August betragen. Im August sank daraufhin etwa das US-Exportvolumen der Schweizer Uhrenindustrie um 16,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.
Kurswechsel
Daraufhin ändert die Schweiz ihre Strategie. Weil Politikerinnen und Politiker offenbar nicht zu Trump vordringen, sollen es nun Wirtschaftsbosse versuchen. Am 2. August klingelt deshalb bei Alfred Gantner, Milliardär und Mitgründer der Private-Equity-Firma Partners Group, die Hauptaktionär von Breitling ist, das Telefon.
Am Apparat ist Staatssekretärin Budliger Artieda, die ein „Team Switzerland“ für einen Besuch bei Trump zusammenstellen will. Neben Gantner soll Johann Rupert dabei sein, zu dessen Richemont-Konzern gehören Marken wie Cartier und IWC. Außerdem Daniel Jäggi vom Ölkonzern Mercuria, Marwan Shakarchi vom Goldhandels-Riesen MKS Pamp und MSC-Chef Diego Aponte. Weiters: Rolex-Boss Jean-Frédéric Dufour. Männlich, reich, mächtig – ideale Gesprächspartner für Trump also.
Rolex
Das 1913 von dem Deutschen Hans Wilsdorf gegründete Unternehmen mit der Krone im Logo hat heute geschätzt 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 9.000 davon teilen sich auf die Schweizer Standorte in Genf und Biel auf. Im Jahr 2024 wurden mit Submariner, Daytona und Co. rund 10,5 Milliarden Schweizer Franken umgesetzt – mehr als bei Cartier, Omega, Audemars Piguet, Patek Philippe und Richard Mille zusammen. Das sagen zumindest Schätzungen von Morgan Stanley und Luxeconsult, börsennotiert ist Rolex nicht
Plaudern beim Tennis
Schon während der Vorbereitungszeit gelingt Rolex-CEO Dufour ein erster Coup. Er lädt den US-Präsidenten zum Finale der US Open in New York ein – in die Rolex-Loge. Trump kommt tatsächlich, und nicht nur er: mit dabei sind Finanzminister Scott Bessent, Attorney General Pam Bondi, Pressesprecherin Karoline Leavitt und Schwiegersohn Jared Kushner. Mehr als zwei Stunden verbrachte die illustre Truppe mit dem Rolex-Boss.
Der Präsident in der Loge mit dem Subjekt seiner Strafzölle? Das sorgte schon damals für Irritationen. Nicht nur bei den Tennisfans, die wegen der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ihre Sitzplätze teils erst mehrere Stunden zu spät einnehmen konnten. US-Senatorin Elizabeth Warren forderte eine Erklärung: Versuchte Dufour etwa, mit der Einladung Ausnahmeregelungen für Rolex-Produkte zu erschleichen? Nein, lautete die Antwort aus Genf. Die Gespräche in der Loge hätten sich vor allem um Tennis gedreht. Trump habe „im Scherz“ gefragt, ob er wohl ohne die Zollthematik auch eingeladen worden wäre, woraufhin sich alle köstlich amüsiert hätten. Rolex verhandle aber nicht mit der US-Regierung über Zölle, das sei Sache der Politik.


Die Kunst des Schenkens
Im Hintergrund tüftelte genau jene Politik gemeinsam mit Beratern, Lobbyisten und den Wirtschaftsbossen selbst weiter an dem Plan, das „Team Switzerland“ ins Weiße Haus zu bringen. Den Türöffner spielte dabei nach Blick-Informationen der Lobbyist und Ex-Trump-Diplomat Carlos Trujillo. Am 4. November ist es dann soweit. „Team Switzerland“ reiste nach Washington.
Mit im Gepäck: wertvolle Geschenke ganz nach Trumps Geschmack: ein Goldbarren im Wert von über 130.000 US-Dollar, darin eingraviert: „President“. Und eine Rolex-Tischuhr: Gehäuse in Trump-Gold, grünes Ziffernblatt und Kalender, angelehnt an die Datejust fürs Handgelenk. Die Uhr soll offiziell an Trumps Präsidentenbibliothek gegangen sein. Finanziert wurden die Geschenke von dem Wirtschaftsbossen, der Bundesrat war informiert, sagt Milliardär Gantner später in einer Sendung des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF).
Mehr als ein Höflichkeitsbesuch:


Am Tisch zu sehen: Rolex-Tischuhr und Goldbarren
Rolex war „sehr nett“
Das Treffen verläuft jedenfalls amikal. Trump schreibt unmittelbar danach auf Truth Social, es sei ihm eine „große Ehre“ gewesen, sich mit „hohen Repräsentanten der Schweiz“ zu treffen. Alle Anwesenden hätten einen „guten Job“ gemacht. Und die Tisch-Rolex ziert noch wochenlang den Schreibtisch im Oval Office. Auch während einer Pressekonferenz am 10. November. Dort fragt ein Reporter dem Präsidenten, wie es denn um die Verhandlungen mit der Schweiz stehe.
Trumps Antwort lässt tief blicken: Warum der Reporter denn so viel zum Schweiz-Deal wissen wolle, fragt er gut gelaunt. „Haben Sie etwas mit der Schweiz zu tun? Er will eine schöne Uhr kaufen. Er will eine schöne Rolex kaufen! Komm, wir machen etwas Werbung für Rolex. Sie waren sehr nett, wisst ihr“, sagt er – und schaut kurz auf die Tischuhr zu seiner Linken. Und weiter: die Schweiz sei ein schönes Land, klein, aber wirtschaftlich groß. Man arbeite an einem Deal. Am 14. November ist die Einigung schließlich da. Welche Rolle spielten dabei die üppigen Mitbringsel?
Erklärung:
Am 14. November einigten sich die Schweiz und die USA auf eine Reduktion der Importzölle für Schweizer Waren von 39 auf 15 Prozent. Die Schweiz will ihrerseits Importzölle reduzieren und auf eine Reduktion des Handelsdefizits hinarbeiten. Dafür soll vor allem die Pharmaindustrie vermehrt in den USA produzieren.
Teresa Eder von der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, D.C. sagt gegenüber News, die Trump-Regierung habe der offenen Korruption Tür und Tor geöffnet. Sie kritisiert aber auch die Schweiz: „Sobald die wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel steht, zählt ethisches Verhalten für viele demokratische Entscheidungsträger offenbar nichts mehr.“ Für das „Team Switzerland“ um Gantner und Dufour könnte der Besuch bei Trump noch ein Nachspiel haben: Die Schweizer Grünen haben Anzeige wegen Verdachts auf Korruption erstattet. Alfred Gantner sagte dazu im SRF, wenn ein Gericht Fehlverhalten feststelle, sei er „gern“ bereit, dafür die Konsequenzen zu tragen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 49/2025 erschienen.







