Wenn politische Parteien zunehmend Medien und Journalismus attackieren, sollten diese mit Verdeutlichung und Verstärkung ihres gesellschaftlichen Beitrags kontern. So können sie eine unverzichtbare kontrollierende Instanz der Demokratie bleiben
Während die SPÖ von Andreas Babler noch prophylaktisch die Opferrolle übt, ist die FPÖ von Herbert Kickl auch kontra Medien längst einen Schritt weiter: unverhohlener Angriff. Auf der blauen Zielscheibe steht groß ORF, die rote Wehleidigkeit gilt den Zeitungen. Dieser Zwei-Fronten-Feldzug der Parteipolitik schließt aber nicht die Reihen der Attackierten, sondern schürt dort bloß heimliches Verständnis für die Kritik am jeweils anderen. Dabei gerät aus dem Blickfeld, wogegen der rhetorische Sturmlauf wirklich gerichtet ist: Journalismus als unverzichtbare kontrollierende Instanz einer Demokratie.
Doch auch die festgeschriebenen Staatsgewalten sind Infragestellungen wie nie zuvor ausgesetzt. Die Verteilung von Macht und ihre gegenseitige Überwachung stehen auf dem Prüfstand. Während die Ränder im Links-Rechts- wie Oben-Unten-Schema stärker werden, verliert die Mitte an Fähigkeit zu Kooperation und Konstruktivität. Deshalb versucht ein Netzwerk „Chance Demokratie“, die öffentliche Diskussion über diese bedrohliche Entwicklung anzuregen und allenfalls Lösungen vorzuschlagen.
Symposium im Parlament
Am 12. September ist dazu ein Symposium im Parlament mit Proponenten von vier Parteien: Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), Selma Yildirim (SPÖ), Wolfgang Gerstl (ÖVP) und Johannes Margreiter (Neos). Ihr Kolumnist soll zur Rolle von Journalismus und Medien sprechen. Es wird eine zu optimistische Rede werden, ein naiver Appell an die Selbstheilungskraft des Metiers, das mehr als eine Branche sein muss.
Die Ausgangsthese lautet: Journalismus und Demokratie bedingen einander gegenseitig. Doch er muss tragende Säulen renovieren und neue Stützmauern errichten. Das beginnt mit der Definition von Relevanz. Die Rückkanalfähigkeit des Webs 2.0 und seine populären Anwendungen alias Social Media führen zu Reichweitenwahn. Statt das Meistgeklickte zu einem Produkt zu sammeln, braucht es mehr Vertrauen in die journalistische Schwarmintelligenz, Must-have von Nice-to-have zu unterscheiden.
Redaktionelle Gesellschaft
Im Gegenzug müssen Redaktionen endlich wahre Transparenz üben. Was sie von Politik und Wirtschaft fordern, üben sie selbst kaum aus. Journalismus agiert als Black Box, statt permanent das Motto zu pflegen: Ich sage, was ich tue, und ich tue, was ich sage. Medien sind ein großes gesellschaftliches Thema. Das landläufige Wissen darüber ist aber noch geringer als die politische Bildung. Das liegt vor allem daran, dass Journalismus sich zu wenig thematisiert – mangelnde Fehlerkultur inklusive.
Medienmündigkeit, wie sie der Wissenschaftler Bernhard Pörksen für die redaktionelle Gesellschaft der Zukunft fordert, können Redaktionen besser und eher herstellen als der Bildungsbetrieb. Er muss folgen, ist aber zu träge, um rechtzeitig Ergebnisse zu bringen, die einem unter Echtzeitbedingungen rund um die Uhr agierenden Metier gelingen sollten. Eine Voraussetzung dafür ist die Rückgewinnung von Vertrauen, ein Mittel dazu Konstruktivität, wie sie der Journalist Ulrik Haagerup bereits vor einem Jahrzehnt gefordert hat. Ihr Kolumnist hofft, Sie zählen diesen Beitrag dazu.