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Kleine Parteien, größere Rolle

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Johannes Huber

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Das Selbstbewusstsein, mit dem Gewessler die ÖVP zur Weißglut getrieben hat, kommt nicht irgendwoher. Grüne, aber auch Neos werden nach der Wahl eher gestärkt sein.

Schlimmer kann eine Beziehung kaum enden. Nachdem die grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler gegen den Willen der ÖVP dem EU-Renaturierungsgesetz zugestimmt hatte, unterstellte ihr diese Verfassungsbruch. Die Grünen hätte ihr wahres Gesicht gezeigt, schäumte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), sie hätten Ideologie über Recht gestellt, es gebe eine Vertrauenskrise, Gewessler werde wegen Amtsmissbrauch angezeigt.

Ist die Klimaschutzministerin wirklich zu weit gegangen? Rechtlich ist das schwer zu beurteilen. Zwei Juristen, drei Meinungen. Politisch könnte die Sache ihr und den Grünen zur Profilierung im Wahlkampf nützen, war die Koalition ohnehin längst fertig. Nehammer ist schon vor einem Jahr dazu übergegangen, von einem "Autoland" zu sprechen und so auf Distanz zu den Grünen gegangen. Deren Chef Vizekanzler Werner Kogler wiederum fühlte sich schon vor Wochen nicht mehr an Vereinbarungen wie jene gebunden, dass Türkise ein neues EU-Kommissionsmitglied bestimmen.

Nach dem, was jetzt vorgefallen ist, könnte man glauben, eine Koalition mit ÖVP und Grünen sei auf Jahre hinaus undenkbar geworden, Gewessler habe eine solche jetzt endgültig verbaut. Das greift jedoch zu kurz. Ihr Verhalten ist im Lichte einer Veränderung der politischen Mehrheitsverhältnisse zu sehen.

Es gibt nicht nur einen Aufstieg der FPÖ. Daneben erfahren auch sogenannte Kleinparteien einen Bedeutungsgewinn, der unterschätzt wird. Gemeint sind vor allem Grüne und Neos: In Summe halten sie konstant rund 20 Prozent, und selbst wenn es bei der Nationalratswahl etwas weniger werden sollten, können sie damit rechnen, danach eine entscheidende Rolle zu spielen.

Vor fünf Jahren hatte Wahlsieger Sebastian Kurz (ÖVP) noch den Luxus, über mehrere mögliche Koalitionsvarianten zu verfügen. Allein dadurch war er in einer starken Position. Letztlich entschied er sich für die Zusammenarbeit mit den Grünen. Sie mussten viel schlucken dafür. Nach der kommenden Wahl könnten die Optionen auch für einen Gewinner Herbert Kickl (FPÖ) gezählt sein. Nicht einmal eine blau-türkise Mehrheit ist sicher. Wobei: Die ÖVP schließt ihn als Kanzler ohnehin aus, hat ihrerseits aber das gleiche Problem wie die SPÖ von Andreas Babler; nämlich, dass sich selbst eine "Große Koalition", also Türkis-Rot oder Rot-Türkis, nicht ausgehen dürfte und wohl eine Kleinpartei zur Unterstützung notwendig sein wird.

Das ist eine Perspektive, die Grünen und Neos klar ist, die zu einem Selbstbewusstsein beiträgt, das jetzt durch Gewessler zum Ausdruck gekommen ist: Beide können erwarten, beim Koalitionspoker gebraucht zu werden; und eine der beiden, dann auch in die Regierung zu kommen.

Doskozil schwächt Babler

Das Kapitel Bundespolitik ist abgeschlossen für ihn, und bis zur Nationalratswahl am 29. September will er sich auch mit Kommentaren zum Thema zurückhalten: Das versucht der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) immer wieder zu vermitteln. Für "seinen" Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler ist es jedoch nicht unbedingt eine gute Nachricht. Schlagzeilen wie "Doskozil gegen Babler" werden ihm vielleicht erspart bleiben, mit Unterstützung wird er aber auch kaum rechnen können.

Unterstützung, auf die es aus seiner Sicht ankommen würde: Seit der Europawahl ortet er einen Dreikampf ums Kanzleramt. Auf die ÖVP würden der SPÖ rund 46.000, auf die FPÖ etwa 75.000 Stimmen fehlen. Sie sei daher in "Schlagdistanz".

Wesentlich dafür wäre allerdings geschlossener Einsatz aller Genossinnen und Genossen um jede Stimme, ob in Wien, Vorarlberg oder eben dem Burgenland. Gerade der dortige Europa-Wahlkampf muss Babler jedoch Böses befürchten lassen: Im Seewinkel etwa wurde die Kampagne der Bundespartei durch eine regionale überlagert. Doskozil ließ sich auf großflächigen Plakaten als Landeshauptmann feiern, der die Errichtung eines neuen Krankenhauses in Gols durchsetzt.

Ergebnis ebensolcher Prioritätensetzungen: Im Burgenland waren Wahlbeteiligung sowie Stimmenanteil der SPÖ zwar noch immer höher als anderswo. Beides ist aber deutlich stärker zurückgegangen als bundesweit: Die Wahlbeteiligung um 7,6, der Stimmenanteil der SPÖ um 3,2 Prozentpunkte. Auf die Sozialdemokratie entfielen letztlich allein im östlichsten Bundesland um rund 10.000 Stimmen weniger als bei der Europawahl 2019. Das ist nicht nichts – vor allem bei einem knappen Rennen, das Babler sieht und bei dem es seines Erachtens eben nur um die Überwindung einer "Schlagdistanz" geht.

Freiheitliche haben neue Hochburgen

Bei der Europawahl ist die FPÖ zum ersten Mal auf Platz eins gekommen bei einem bundesweiten Urnengang. 25,4 Prozent waren ausreichend dafür. Bei der Europawahl 1996 hatte sie 27,5 Prozent zusammengebracht, also ein noch besseres Ergebnis. Damals hatten ÖVP und SPÖ mit jeweils rund 30 Prozent aber noch etwas mehr Zuspruch erreicht.

Auffallend ist, wie sehr sich freiheitliche Hochburgen über die Jahre verschoben haben. In den 1990ern bildeten die westlichen Bundesländer Salzburg, Tirol und Vorarlberg – neben Kärnten – ebensolche. Dort kam die Partei auf bis zu 33,7 Prozent. Heute ist sie in diesen Ländern weit davon entfernt, waren ihre Wahlergebnisse bei der jüngsten Europawahl mit maximal 24,3 Prozent unterdurchschnittlich. Nur in Wien musste sie sich mit noch weniger begnügen (18,1 Prozent). Umgekehrt ist sie in Kärnten sehr stark geblieben und vor allem in Ländern wie Niederösterreich stärker geworden. Das ist das Bundesland mit den meisten Wahlberechtigten und daher für die Partei von Herbert Kickl besonders relevant im Hinblick auf das Ziel, auch bei der Nationalratswahl im September auf Platz eins zu kommen.

Die Bundesländer-Ergebnisse zeigen im Übrigen, dass die FPÖ heute nicht dort am meisten punktet, wo der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund am höchsten ist (also in Wien, Salzburg, Tirol und Vorarlberg), sondern eher dort, wo er niedriger ist. Das lässt den Schluss zu, dass für die Partei in Wirklichkeit andere Dinge relevanter sind. Zum Beispiel Abwanderung, die für Verschlechterungen der allgemeinen Verhältnisse steht und die in Teilen des ländlichen Raumes ein größeres Problem darstellt. In der Obersteiermark etwa, wo es Bevölkerungsrückgänge gibt, ist sie bei der Europawahl auf über 30 Prozent geklettert.

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