Immer mehr Menschen lassen sich zwar manchmal, aber eben nicht immer auf eine Beziehung ein. Soll heißen, Brotkrümelchen reichen schon, um das zarte Band der – ist das dann überhaupt Liebe? – zu erhalten
Breadcrumbing ist ein Ausdruck für ein typischerweise manipulatives Verhalten, das einen in einer Pseudobeziehung förmlich gefangen hält, obwohl fast nichts passiert. Es beschreibt, wie sich narzisstische Personen mithin in der Liebe verhalten: Sie geben dir winzige Portionen ihrer Aufmerksamkeit, „zu viel zum Sterben und zu wenig zum Erblühen der Liebe“. Aber irgendwie blockiert einen diese „Depotliebe“ für gesündere Beziehungsangebote. Woran die Depotliebe erkannt werden und wie sie vermieden werden kann, erläutere ich im Folgenden:
Punktuelle Erreichbarkeit
Er oder sie ist nur gelegentlich erreichbar, sonst nur mit „Ach und Krach“. Es hagelt Vorwürfe, man habe zu viel zu tun, um sich zu melden oder zu antworten, die andere Person solle das gefälligst respektieren. Und was sich das Gegenüber denn überhaupt anmaße, so fordernd und anstrengend zu sein.
Aufmerksamkeitsdepot
Nach langem emotionalen Aushungern erfolgt ein Regenguss ungeteilter Aufmerksamkeit, Hingabe, Wärme und Liebe. Als gäbe es kein Morgen. Ja, irgendwie wirkt das dann beinah beglückend. Wenn, ja wenn es nicht so schnell wieder vorüber wäre, so schnell, wie es begonnen hat. Anschließend wird wieder zur Tagesordnung übergegangen, einem toxischen Mix aus Ghosting und Breadcrumbing, also dem üblichen Brotkrümelchen-Zuwerfen.
Verwirrtaktik
Durch dieses On-off-Muster emotionaler Zuwendung und Liebeskarenz wechseln sich Fastenzeiten der Beziehung mit enthusiastischen Höhenflügen ab. Das führt schon allein auf hormoneller Ebene zu Abhängigkeit, ja Sucht. Und jedes Mal denkt man, jetzt und jetzt wird sich die Person ändern. Sich zu mir bekennen, ganz bei mir sein und bleiben. Aber denkste. Das gehört nun zum Programm einer Depotliebe hinzu: Sich vor Sehnsucht zu verzehren, die nie wirklich gestillt wird.
Überrumpelung
Depotfreundschaften und -lieben beginnen häufig mit einem Gefühl der Reiz überflutung, der Überforderung. Nach einem zuvor erfahrenen Erlebnis, das am ehesten als Schock nach einer Überrumpelung zu definieren ist. Jemand überschreitet mit Lovebombing eine Grenze, eröffnet eine neue emotionale Dimension und entzieht sich unversehens.
Freundschaftsdepot
Eine Freundschaft auf Depot bedeutet, dass man das Gegenüber in Ruhe lassen muss, um – wie in der Depotliebe – dann zu bestimmten, von der anderen Person vorgegebenen Zeiten, wie zu Sprechstunden, in dem betreffenden Gefühl gleichsam baden zu können. „Tauchen wir mal wieder – und zur Abwechslung – in etwas Freundschaft oder Liebe ein!“ Und möglichst tief, gerade so tief, dass es länger hält und man die Liebe oder Freundschaft dann schleifen lassen kann. Darauf vertrauend, dass das Depot schon wirkt.
Fazit: Richtig lieben statt Perfektion inszenieren
Emotionale Wechselbäder sind Depotlieben zu eigen. Nach totaler Innigkeit und Nähe wechseln Depotliebende abrupt zu Distanz, Gleichgültigkeit und Desinteresse. Zeigt man es ihnen auf, wird man verurteilt und bekommt rasch den Nachweis, undankbar für die zugeworfenen Brotkrumen von Aufmerksamkeit zu sein. Was tun, um aus einer Depotliebe zu entkommen? Richtig lieben, sich konstruktiv zusammenraufen statt inszenierter Perfektion.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2025 erschienen.



