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Liebes Leben: Die Hermeneutik der Sexualität

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4 min
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Monika Wogrolly

©Bild: Matt Observe

Viele machen sich ihr Liebesleben unnötig schwer. Was Sie dringend tun sollen, um Ihre Partnerschaft zu entkrampfen oder auch nur endlich glücklich zu lieben, beruht auf der richtigen Deutung des Verhaltens

Die Hermeneutik ist die Wissenschaft der richtigen Interpretation und geht auf den Götterboten Hermes zurück. Mit dieser Methode ersparen sich all jene, die sie anwenden, vornehmlich eines: Ständige Missverständnisse, Sprachbarrieren und Denkfehler zwischen klischeehaften Rollenbildern. Ich zeige Ihnen die Kunst der richtigen Auslegung an zwei Beispielen aus meiner Praxis. Sie werden sehen, wie Fehldeutungen eine Beziehung erschüttern.

Da sind erst einmal Johannes und Sofie. Sie sind als Paar ständig im Konflikt. Sofie ist total frustriert, wenn er „keine Lust auf sie hat“. Und da liegt schon der zentrale Denkfehler: Sofies schon vor ihm dagewesene Selbstzweifel nagen an ihrem Selbstwert. Und ihr Selbstwert wird wiederum, wenngleich unbewusst, nicht von ihrer, sondern erstaunlicherweise von seiner Libido abhängig gemacht.

Libido und Selbstwert

Personen wie Sofie sind irgendwann in der Vergangenheit zu der Erkenntnis gelangt, dass ihr Wert von der sexuellen Begierde des Partners nicht bloß ein bisschen abhängt, sondern tatsächlich damit steht und fällt. Ihr Unwohlsein, ihre Tränen, ihr Ringen um Aufmerksamkeit, ja, irgendwann eskalierende Streitereien sind die Folge dessen, was sie ihrem Partner als Kaltherzigkeit und Liebesentzug schließlich verbal vor den Latz knallt. Und Johannes? Ist einfach nur dessen müde. Und er liebt ja Sofie. Aber das wird nie zu ihr durchdringen, solange seine Libido und ihr Selbstwert so toxisch zusammenhängen.

Und dann Margret und Konstantin. Er will dauernd Sex mit ihr, sie will einfach nur ihre Ruhe. Konstantin bemüht sich umso mehr um Margret und fühlt sich als halber Mann, wenn sie seine Versuche, mit ihr neue sexuelle Erfahrungen zu sammeln, ignoriert. Hier sollte dringend ausgesprochen werden, was sie an alte Traumata der sexuellen Bedrängnis erinnert, wenn er – aus ihrer Sicht – andauernd „will“.

Abwertendes Verhalten

In beiden Fällen handelt es sich um einen krassen Widerspruch zwischen Selbstbild und Fremdbild. Sofie empfindet Johannes‘ Verhalten als abwertend. Johannes entfernt sich emotional, je öfter sie ihm sein abwertendes Verhalten vorhält. Typische Sätze von ihr sind: „Du liebst mich nicht.“ – und: „Sonst wäre das und das ganz anders.“

Und Konstantin? Er fühlt sich wiederum abgewertet, wenn Margret ihn wie früher seine Mutter zu bestrafen scheint. Und mit seinem sexuellen Verlangen anscheinend wertlos findet und links liegen lässt. In beiden Fällen unterliegen die jeweiligen Opfer von Ignoranz und Schmähung einem Irrtum, der aus Fehldeutungen des Verhaltens ihres Gegenübers entsteht.

Fazit: Mehr als Lust auf Sex

Sexualität kann nicht das ständig zu erneuernde Gütesiegel sein, das eine Beziehung flott hält. Sexualität ist auch kein Maßstab für die Beziehungsqualität, sondern viel eher ein Begleiteffekt dessen, was Liebe ist. Und Liebe ist mehr, viel mehr als Lust auf Sex zu haben. Liebe ist, so kitschig sich das anhört, die Fähigkeit und Bereitschaft, das Gegenüber sein zu lassen. Ja, ganz genau, lassen Sie die andere Person einfach sein. Denn das und nur das ist Liebe.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.35/2025 erschienen.

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