Kurz' letzter Mann

Er war die "Abrissbirne" der großen Koalition, wurde von Sebastian Kurz mit dem zweithöchsten Amt im Staat belohnt und sorgte als Vorsitzender im ÖVP-U-Ausschuss für Aufregung. Nun wird Wolfgang Sobotka durch die Aussagen von Thomas Schmid belastet und für die ÖVP immer mehr zum Problem.

von Wolfgang Sobotka © Bild: IMAGO/SEPA.Media

Rücktrittsaufforderungen an Wolfgang Sobotka gibt es, seit er - schon damals umstritten - auf Geheiß von ÖVP-Chef Sebastian Kurz ins Amt des Nationalratspräsidenten gewählt wurde. Seinen Posten als Innenminister hatte in der türkis-blauen Koalition Herbert Kickl übernommen, aber loswerden konnte man den durchsetzungsstarken Mann aus Niederösterreich, der so gar nicht ins modische türkise Regierungsbild passte, auch nicht. Seit 2017 also waren die Rücktrittsaufforderungen mal leiser, mal lauter. Seit letzten Dienstag sind sie sehr laut. Doch nur Sobotka entscheidet -im Sinne des freien Mandats -, ob er während der laufenden Legislaturperiode abtritt. Abwählen kann man ihn nicht.

Im Vernehmungsprotokoll von Thomas Schmid geht es auch um Sobotka. Dieser habe sich 2013 (als niederösterreichischer Finanzlandesrat und möglicher "Kronprinz" von Landeshauptmann Erwin Pröll) bei ihm gemeldet, so Schmid, "dahingehend, dass er mir mitteilte, dass es betreffend das Alois-Mock-Institut oder die Alois-Mock-Stiftung (das weiß ich nicht mehr genau) sowie die Erwin-Pröll-Stiftung Steuerprüfungen gäbe und dass das nicht sein könne. Es sei zu erledigen." Schmid habe, sagt er weiter, die Sache an Kabinettsmitarbeiter und Sektionschefs weitergegeben. Die Sache wurde erledigt.

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Sobotka weist diese Aussagen in einer Stellungnahme zurück. Er spricht von " Anschwärzen", Schmid wolle Kronzeugenstatus erlangen. Damit folgt er der türkis-schwarzen Verteidigungslinie: "Wer weiß, ob das überhaupt stimmt, was Schmid ausgesagt hat." Man sei zwar im ersten Moment "geschockt" gewesen, als das Protokoll bekannt wurde, heißt es in der ÖVP, aber es gebe keinen Grund, an Sobotka zu zweifeln. Aus dem Parlament hört man: "Wir stehen voll hinter ihm."

Beredtes Schweigen

Von jenen Personen, um die es in Schmids Aussagen geht, ist nur mehr Sobotka auf höchster Ebene aktiv. Innerhalb der ÖVP fragen sich einige, wie sehr Sobotka der Partei schadet. In Niederösterreich wird Anfang nächsten Jahres gewählt. Laut Umfragen hält Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bei rund 40 Prozent der Stimmen, bei der Wahl 2018 hatte sie rund 50 Prozent erreicht. Querschüsse aus der Bundespolitik kann sie also nicht brauchen, auch nicht von ihrem Landsmann Sobotka. Mittwoch, kurz nach Bekanntwerden von Schmids Aussagen, sagte sie die Teilnahme an einem Pressetermin ab und wich damit unangenehmen Fragen aus. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer, der sich in den ersten Monaten an der Parteispitze noch demonstrativ neben Sobotka gestellt hatte, erwähnte diesen in einer Stellungnahme zur Akte Schmid/Kurz gar nicht. Die Justiz solle sorgfältig aufklären, er habe indessen ein Land durch die Krise zu führen.

Nehammer hat es verabsäumt, bei seinem Amtsantritt einen wirklich harten Schnitt zur Episode Kurz zu machen. Es wäre leichter für ihn -und auch für seinen grünen Koalitionspartner, dem von der Opposition naturgemäß vorgeworfen wird, der ÖVP die Stange und sich selbst an der Macht zu halten -, könnte er glaubhaft versichern, dass die Protagonisten einer mutmaßlich skandalträchtigen Zeit mittlerweile die Politik verlassen hätten.

"Sobotka ist noch in einer Generation groß geworden, für die Parteimacht ein viel positiveres Image hatte", beschrieb Politologe Peter Filzmaier in News die Haltung des Niederösterreichers, der unter schwarzer Allmacht im Land politisch sozialisiert wurde. Und fügte hinzu: "Er hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt." Vielleicht kommt die Erkenntnis noch. Möglicherweise mit "Hilfe" seiner Parteifreunde Nehammer und Mikl-Leitner.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/2022 erschienen.