"Koch des Jahres": Lukas Nagls Erfolgsgeheimnis

Der Oberösterreicher Lukas Nagl ist Koch des Jahres. Unter anderem weil er aus Prinzip keinen Trends hinterherjagt.

von Lukas Nagl © Bild: traunseehotels.at/ Foto Christof Wagner
Der 35-Jährige wurde von Gault&Millau zu Österreichs Koch des Jahres gekürt. "Mit dem Fokus auf den See hat es Lukas Nagl in den letzten Jahren zu wahrer Meisterschaft gebracht", so die Begründung. Der Vier-Hauben-Koch ist seit zwölf Jahren Executive Küchenchef im Bootshaus, dem Gourmetrestaurant des Hotels Traunsee, und im Wirtshaus Poststube 1327. Er steht für eine naturverbundene Küche, die den Spagat zwischen spannender Regionalität und betonter Weltoffenheit schafft. Nagl ist Mitglied der JRE (Jeunes Restaurateurs Europe) und hat bereits die begehrte "Trophée Gourmet" für kreative Küche gewonnen. Zudem interpretiert er mit seiner Firma Luvi fernöstliche Fermente wie Miso oder Sojasauce neu und regional. Der gebürtige Oberösterreicher besuchte die Tourismusschule in Bad Ischl, bevor es ihn nach einigen Stationen, etwa dem Steirereck, an den Traunsee verschlug. Er ist Vater von drei Kindern und lebt mit seiner Familie im Salzkammergut.

Gratulation zum Titel "Koch des Jahres"! Ist diese Auszeichnung ein Ziel, auf das Sie schon immer hingearbeitet haben?
Nein, ich glaube auch nicht daran, dass man auf so was hinarbeiten kann. Man sollte schon immer Ziele und Pläne haben, aber für mich wäre es der falsche Fokus, Hauben oder Auszeichnungen nachzujagen. Mir geht es darum, jeden Tag aufs Neue meine Arbeit richtig gut und meine Gäste glücklich zu machen. Dann bekommt man laufend etwas zurück, und das ist ja das eigentlich Schöne an dem Beruf. Die Auszeichnung "Koch des Jahres" ist aber unter anderem besonders, weil man von anderen Profis bestätigt bekommt, dass man seine Sache nicht so schlecht macht. Das ist schon ein extrem schönes Gefühl. Man kann diese Auszeichnung nur einmal im Leben bekommen, und das bleibt einem dann für immer.

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Sie dieses Jahr ausgezeichnet wurden?
Es gibt viele großartige Köche. Und davon viele, die diese Auszeichnung ebenso verdienen. Ich bin ja auch ehrlicherweise nicht der Typ Mensch, der sich jetzt denkt: "Ich bin der Beste von allen!" Deshalb steigt mir so was auch nicht zu Kopf. Aber wenn ich einen Grund nennen muss, dann hat vielleicht den Ausschlag gegeben, dass wir die Esskultur weiterentwickeln und nicht nur für eine elitäre Gruppe kochen. Mir geht es nicht nur ums Bootshaus, ich kümmere mich ja auch ums Wirtshaus Poststube 1327, und ich habe eine Firma gegründet, in der wir Sojasaucen und Misopasten aus regionalen Produkten herstellen. Das ist schon eine innovative Sache.

Innovation versus Tradition: Was ist Ihnen wichtiger?
Ich habe da eine ganz klare Meinung: Alles gute Innovative wird irgendwann einmal zu etwas Traditionellem. Und alles Traditionelle war irgendwann einmal innovativ. Das geht also Hand in Hand. Ich finde es total wichtig, dass man nicht starr an Alteingesessenem und Etabliertem festhält. Weiterentwicklung ist einfach notwendig. Man kann ja schon ruhig stolz auf das sein, was es bereits gibt, aber eben auch offen für Neues. So kann man die Esskultur in Österreich weiterdenken.

Sie haben Ihre Firma Luvi erwähnt, deren Kernthema ja das Fermentieren ist. In anderen Länderküchen ist diese Technik fixer Bestandteil, bei uns wird sie seit Jahren den Status "Trend" nicht wirklich los.
Es ist echt in aller Munde, aber wird immer noch als Trend bezeichnet. Ich finde überhaupt nicht, dass das zutrifft. Trends gehen ja irgendwann wieder, aber Fermentieren wird bleiben. Im Mittelpunkt steht dabei, aus etwas Einfachem, das bei uns wächst und unter Umständen nach gar nicht viel schmeckt, etwas Großartiges zu machen. Zum Beispiel aus Sojabohnen. Ich beschäftige mich mit dem Fermentieren bereits seit zwölf Jahren, früher im Privaten, seit sechs Jahren mit der Firma. Ich habe schon immer daran gearbeitet, wie ich richtig guten und besonderen Geschmack ins Essen bringen kann. Nur ja nicht eindimensional kochen, das sage ich auch jedem meiner Lehrlinge. Stichwort "nur" Salz und Pfeffer. Es braucht Zutaten, mit denen man auf einem anderen Level kochen kann, mit denen man die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen hineinbringt, ohne dabei jemals den Geschmack des Grundprodukts zu übertönen. Fermentiertes hat genau diese Fähigkeit. Nebenbei ist es auch noch unheimlich gesund. Es gibt seit Jahrzehnten Studien in Japan, die zig positive Effekte bestätigen. Ich finde es schon sehr schön, dass ich mit dem, was ich da produziere, etwas Gutes für die Gesellschaft tun kann und zusätzlich zeige, dass es auch noch gut schmeckt.

Sie scheinen kein großer Fan von Trends zu sein. In einem Interview haben Sie einmal gesagt, man darf sich von Trends nicht einschüchtern lassen. Wie haben Sie das gemeint?
Wir schauen nicht so viel nach links und rechts. Auch wenn Kritik immer willkommen und wichtig ist, gehen wir im Grunde unseren Weg und sind überzeugt von dem, was wir tun und was uns schmeckt, völlig unabhängig von Trends. Ich finde es total sinnlos, etwas hinterherzulaufen, was ein halbes Jahr lang angesagt ist. Ich werde nicht Schäumchen machen, nur weil das alle machen. Das finde ich belanglos und fad. Wir machen lieber unsere eigenen Dinge.

Wenn wir über Weiterentwicklung sprechen: Was war früher in der Küche okay und ist heute für Sie ein No-Go?
Ich zeige nicht gern mit dem Finger auf jemanden. Jeder soll seine Sachen so machen, wie er es für richtig hält. Es gibt aber natürlich einiges, was heute nicht mehr zeitgemäß ist. Früher war in der Sauce ein Kilo Butter, heute spielt Bekömmlichkeit eine wichtige Rolle. Auch die Definition eines Luxusprodukts hat sich gewandelt. Für mich liegt Luxus im Seltenen, im Raren. Warum sollte ich wie tausend andere Restaurants auf der Welt eine handgetauchte Jakobsmuschel anbieten? Es ist eher Luxus, ein wild geschossenes Blässhuhn vom Traunsee auf der Karte zu haben. Das ist etwas, was uns auszeichnet.

Sie kochen vorzugsweise mit Produkten aus dem und um den Traunsee. Ist er Ihre größte Inspiration?
Ich finde Inspiration eigentlich überall. Etwa wenn man selbstkritisch ist und Dinge immer wieder hinterfragt, neu denkt, etwas immer wieder aus anderen Blickwinkeln ansieht. Es ist beim Essen wie in der Kunst. Wenn ich das Bild nur von vorne betrachte, sehe ich weniger, als wenn ich es von der Seite oder von anderen Winkeln aus betrachte. Aber ja, der Traunsee ist natürlich auch eine Inspirationsquelle. Wir haben uns hier über die Jahre ein super Netzwerk aufgebaut. Das macht uns schon einzigartig.

Ist diese Einzigartigkeit das Erfolgsgeheimnis?
Ich habe mir stets gedacht: Warum soll ich Gänseleberterrine auf die Karte setzen, wenn es in Frankreich 800 und in Deutschland wahrscheinlich noch mal 200 Köche gibt, die das besser können? Wir sind nur einzigartig, wenn wir uns individualisieren. Mit dem zu kochen, was aus der Region kommt: Das ist für mich selbstverständlich. Gerade weit gereiste Gäste aus Amerika, England oder Holland wollen doch keine internationale Allerweltsküche, wie es sie immer noch in einem Großteil der Gastronomie gibt. Ich verurteile niemanden, der es so macht, wenn es für ihn funktioniert und wirtschaftlich erfolgreich ist. Aber ich persönlich glaube, dass man das einfach nicht mehr braucht.

Spielt da auch der Nachhaltigkeitsgedanke eine Rolle?
Klar, wir müssen auf die Umwelt schauen und sollten nicht alles von A nach B karren. Wir denken zwar global und setzen uns keine Grenzen, aber wir schauen dabei darauf, was Sinn macht. Natürlich verwenden wir auch Schokolade oder Kaffee, obwohl das nicht bei uns wächst. Aber es ist halt nicht notwendig, einen Apfel aus Neuseeland zu importieren.

Sie sprechen oft als "wir", selten als "ich", erwähnen oft die Wichtigkeit Ihres Netzwerks. Die Gastronomie war früher eine konkurrenzbetonte Branche. Hat sich das gewandelt?
Wir arbeiten in meinem Umfeld nicht gegeneinander, um der Beste zu werden, sondern miteinander. Das ist mir total wichtig. Der eine kann das besser, der andere das, und jeder positioniert sich anders. Ich habe das schon immer negativ gesehen, wenn Köche konkurrieren. Das verstehe ich überhaupt nicht. Wenn von mir jemand etwas wissen will, dann erzähle ich ihm das ohne Wenn und Aber. Nur gemeinsam können wir etwas erreichen.

GAULT&MILLAU

Die weiteren Preisträger

Guide 2023. Der Gault&Millau Österreich hat einen neuen Fünfhauber bekannt gegeben: Benjamin Parth, Küchenchef im Restaurant Stüva in Ischgl, wurde zum jüngsten Fünf-Hauben-Koch des Landes ernannt. Hedi Klinger (Gasthof Klinger) wurde für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Parvin Razavi vom Wiener Restaurant &flora ist Newcomerin des Jahres, Patissière des Jahres wurde Lisa Krispel vom Genusstheater im Weingut Krispel in Straden. Der Guide Gault&Millau weist in diesem Jahr 762 Haubenrestaurants aus, die in Summe 1.486 Hauben tragen. Das ist neuer Rekord.

Das Interview erschien ursprünglich im News 46/2022.