Wie mit Milliarden, Big Tech und politischer Macht die Zukunft der USA – und der Demokratie – beeinflusst wird
- Von der PayPal-Mafia zum Silicon-Valley-Milliardär
- Thiels Investment-Schwerpunkte
- Libertäre Agenda und Demokratie-Skepsis
- Milliardär als Mäzen der neuen Rechten
- Technologie, Überwachung und die Macht von Palantir
- Palantirs Regierungsaufträge nach Behörde
- Visionen: Seasteading, Transhumanismus und die technologische Utopie
Peter Thiel gehört zu den einflussreichsten und zugleich umstrittensten Figuren im Silicon Valley. Als Mitgründer von PayPal und Palantir sowie erster externer Facebook-Investor hat er ein milliardenschweres Tech-Imperium aufgebaut. Zugleich sorgt der 1967 in Frankfurt am Main geborene Tech-Milliardär immer wieder mit provokanten Thesen für Aufsehen – sei es durch seine libertären, technokratischen Gesellschaftsentwürfe oder als finanzstarker Förderer der US-amerikanischen Rechten. Dieser Artikel beleuchtet Thiels Aufstieg, seine Ideologie, seinen politischen Einfluss, seine Rolle im Technologie- und Überwachungssektor sowie seine Visionen für die Zukunft.
Von der PayPal-Mafia zum Silicon-Valley-Milliardär
Thiels Karriere begann in den späten 1990er Jahren, als er gemeinsam mit Max Levchin und Elon Musk den Bezahldienst PayPal gründete. Der erfolgreiche Verkauf machte ihn mit Anfang 30 zum Multimillionär und Teil der legendären „PayPal-Mafia“. 2004 investierte Thiel als erster externer Geldgeber in das junge Sozialnetzwerk Facebook – ein Anteil, der ihn später zum Milliardär machte. Im selben Jahr hob er das Datenanalyse-Unternehmen Palantir Technologies aus der Taufe, das sich auf Big-Data-Auswertungen für Sicherheitsbehörden spezialisierte.
Thiels Einfluss speist sich nicht nur aus seinem Reichtum, sondern auch aus einem dichten Netzwerk in der Tech-Branche. Mit seinem Risikokapitalgeber Founders Fund investierte er in Dutzende Startups – von SpaceX über LinkedIn bis zum Krypto-Sektor.
Thiels Investment-Schwerpunkte


Libertäre Agenda und Demokratie-Skepsis
Ideologisch versteht sich Thiel als Libertärer – ein Verfechter maximaler individueller Freiheit bei minimalem Staatseinfluss. Früh machte er keinen Hehl daraus, dass er die liberale Demokratie für dysfunktional hält. In Essays und Interviews sprach er offen über sein Misstrauen gegenüber der „Herrschaft der Massen“ und beklagte, dass sich echte Innovation in Demokratien kaum durchsetzen lasse.
Stattdessen propagiert Thiel eine technokratisch-libertäre Ordnung, in der unternehmerische Eliten statt Politiker den Fortschritt vorantreiben. Wettbewerb sieht er skeptisch, Monopole hingegen als innovationsfördernd. Vielfalt und politische Korrektheit kritisiert er scharf – sie seien Ausdruck einer stagnierenden Gesellschaft.
Seine intellektuellen Vorbilder reichen vom französischen Philosophen René Girard bis zum umstrittenen Staatsrechtler Carl Schmitt. Kritiker attestieren Thiel eine Haltung, die autoritäre Denkmuster mit technokratischer Selbstüberschätzung kombiniert.
Milliardär als Mäzen der neuen Rechten
Politisch trat Thiel ab 2016 offen als Unterstützer Donald Trumps in Erscheinung – in einer Branche, die sonst mehrheitlich demokratisch geprägt ist. Auf dem republikanischen Parteitag sprach er in ungewohntem Ton: als stolzer Schwuler, aber noch stolzerer Amerikaner – und als Gegner einer „falschen“ Kulturkriegsdebatte.
Seitdem ist Thiel ein zentraler Financier der republikanischen Rechten. Mit dutzenden Millionen Dollar unterstützte er konservative und teils rechtspopulistische Kandidaten, darunter den Autor J.D. Vance und seinen Ex-Mitarbeiter Blake Masters. Letzterer wurde von Thiel direkt aufgebaut – politisch wie finanziell.
Thiels Rolle geht dabei über finanzielle Hilfe hinaus – er prägt mit, welche politischen Botschaften transportiert werden. Allerdings kündigte er an, für die Präsidentschaftswahl 2024 keine Kandidaten mehr zu unterstützen. Er begründete dies mit seiner Enttäuschung über den inhaltlichen Kurs der Partei, die sich zu sehr auf kulturelle Streitthemen und zu wenig auf technologische Zukunftsfragen konzentriere.


© IMAGO / Newscom World
Technologie, Überwachung und die Macht von Palantir
Ein besonders kontroverser Aspekt von Thiels Wirken ist seine Rolle als Chefstratege von Palantir. Die Software-Firma arbeitet eng mit Geheimdiensten, Militär und Sicherheitsbehörden zusammen. Sie bietet Analyseplattformen, die riesige Datenmengen nach Mustern durchforsten – ein Segen für Terrorabwehr, ein Albtraum für Datenschützer.
Besonders umstritten ist Palantirs Zusammenarbeit mit der US-Einwanderungsbehörde ICE. Die firmeneigene Software hilft dabei, undokumentierte Migranten zu identifizieren und effizient abzuschieben. Kritiker werfen Palantir vor, ein algorithmisch gestütztes Deportationssystem zu betreiben. Auch in Europa wird Palantir aktiv: In Deutschland etwa setzen Polizeien in mehreren Bundesländern auf seine Datenanalyse-Tools.
Neben Palantir hat Thiel auch in andere sicherheitsnahe Unternehmen investiert – etwa in Clearview AI, ein Start-up für Gesichtserkennung, und Anduril, das autonome Militärdrohnen entwickelt. Diese Firmen stehen für eine Hightech-Sicherheitsindustrie, in der Thiel nicht nur Geldgeber, sondern auch ideologischer Impulsgeber ist.
Palantirs Regierungsaufträge nach Behörde


Visionen: Seasteading, Transhumanismus und die technologische Utopie
Über die Gegenwart hinaus denkt Thiel in radikalen Zukunftsszenarien. Besonders zwei Ideen faszinieren ihn: Seasteading – schwimmende Mikronationen jenseits staatlicher Kontrolle – und Transhumanismus, also die technologische Erweiterung und mögliche Unsterblichkeit des Menschen.
In den 2000er-Jahren finanzierte Thiel das Seasteading Institute. Die Idee: libertäre Stadtstaaten auf hoher See, fernab von Demokratie und Bürokratie. Die Projekte scheiterten zwar, doch Thiels Vision eines Rückzugs aus bestehenden Gesellschaftsordnungen blieb. In Neuseeland kaufte er sich ein weitläufiges Anwesen und ließ sich einbürgern – angeblich als Rückzugsort im Katastrophenfall.
Auch der menschliche Körper ist für Thiel ein Optimierungsprojekt. Er unterstützt seit Jahren Initiativen zur Lebensverlängerung und hat selbst medizinische Experimente mit Hormonen unternommen. Sein Ziel: Altern und Tod als technische Probleme zu lösen. Er ist Mitglied einer Kryonik-Stiftung – sein Körper soll nach dem Tod eingefroren und später wiederbelebt werden, sobald die Technologie es erlaubt.
Diese Visionen wirken für viele wie Science-Fiction. Doch in Thiels Denken steckt ein klarer Kern: Fortschritt darf nicht aufgehalten, sondern muss beschleunigt werden – koste es, was es wolle. Für ihn ist es legitim, wenn die Elite sich von den Regeln der Masse befreit. Die Frage bleibt, ob eine solche Zukunft für die Menschheit wünschenswert – oder nur für eine exklusive Minderheit lebbar ist.