Hans Peter Doskozil: "Mir ist brutal vor Augen geführt worden, wie verhasst die Stimmung mir gegenüber ist"

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil über seine Niederlage im Rennen um den SPÖ-Vorsitz, die mangelnde Geschlossenheit seiner Parteikollegen und seine Art, Politik zu machen. "Unser Ziel muss doch sein, dass es immer mehr Leute gibt, die keine Unterstützung brauchen. Aber das sehe ich nicht. Das stört mich".

von Hans Peter Doskozil © Bild: News/Ricardo Herrgott

Beginnen wir mit einer Frage, die man Politikern in Interviews nie stellt: Wie geht 's Ihnen?
Ausgezeichnet. Ich bin die erste Woche vom Urlaub zurück, es gibt noch die Urlaubsdepression, aber sonst passt alles sehr gut.

Wie lange haben Sie gebraucht, um die Ereignisse nach dem SPÖ-Parteitag wegzustecken? War es schwer, sich fürs Weitermachen zu motivieren?
Meine Motivation war nie die Frage. Ohne sie wäre ich nicht in der Politik. Natürlich war das ganze Trara nicht angenehm. Aber ich glaube, dass viele Mitarbeiter und Wegbegleiter, die für dieses Ergebnis gelaufen sind, mehr enttäuscht waren als ich. Mich hat am meisten geärgert -und es ärgert mich noch heute -, dass ich meiner Linie nicht treu geblieben bin. Das passiert mir kein zweites Mal.

»Das funktioniert nicht, wenn nicht alle zusammenhalten. Man sieht ja jetzt, wie schwer es der Andi Babler hat«

Inwiefern?
Wir hatten nach der Mitgliederbefragung eine Partei-Präsidiumssitzung, bei der ich für mich schon die Entscheidung getroffen und kundgetan hatte, beim Parteitag nicht zu kandidieren. Bei dieser Sitzung sind Gewerkschaftsvertreter und Landesorganisationen - man weiß eh welche -, massiv gegen mich aufgetreten. Ich habe gesagt, unter diesen Umständen sehe ich mich nicht in der Lage, die Partei für Wahlen vorzubereiten und schwierige Themen, wie die Mitgliederbefragung über den Spitzenkandidaten oder Koalitionsabkommen, umzusetzen. Das funktioniert nicht, wenn nicht alle zusammenhelfen. Man sieht ja jetzt, wie schwer es der Andi Babler hat. Ich habe in der Sitzung gesagt, ich mache das nicht, der Andi soll das machen. Aber dann haben andere Länder auf mich eingeredet und ich habe mich leider Gottes breitschlagen lassen. Gegen meine Überzeugung. Das ist es, was mich ärgert.

Sie hätten sich die Niederlage sparen können?
Es ging nicht um die Frage des Gewinnens am Parteitag. Für mich hat sich eher die Frage gestellt: Wie geht es danach weiter? Bundesparteivorsitzender zu werden, das hätte aus meiner Sicht nur Sinn gemacht, wenn es danach realistisch ist, die Wahl zu gewinnen. Aber um Wahlen zu gewinnen, braucht man Geschlossenheit in der Partei. Und es braucht eine Themenführerschaft, eine Einigkeit bei schwierigen Themen wie dem Mindestlohn oder der Mitgliederbefragung. Bei dieser Sitzung ist mir brutal vor Augen geführt worden, wie verhasst die Stimmung mir gegenüber ist. Ich hätte nicht erwartet, dass man das Ergebnis der Mitgliederbefragung, bei der ich Erster war, nicht akzeptiert.

Hans Peter Doskozil
© News/Ricardo Herrgott Hans Peter Doskozil
Der Burgenländer wurde nach der Matura Polizist, studierte berufsbegleitend Rechtswissenschaften und arbeitete danach unter anderem im Innenministerium. 2008 wechselte er ins Büro des damaligen Landeshauptmanns Hans Niessl, 2012 kehrte er als Landespolizeidirektor in den Polizeidienst zurück. Er fiel bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise 2015 auf und wurde bald danach von Werner Faymann als Verteidigungsminister in die Regierung geholt. 2017 wechselte er in die burgenländische Landesregierung, 2019 wurde er Landeshauptmann.

Aber auch für Babler scheint es sehr schwierig, Einigkeit in der Partei herzustellen.
Ich will auf seine Themen gar nicht eingehen. Da kann man darüber diskutieren. Man kann ihm auch nicht absprechen, dass er sich bemüht und persönlich engagiert. Aber ich hätte die Partei anders eingeschätzt. Genau die, die immer eingefordert haben, auf Linie zu sein und nicht öffentlich zu kritisieren, machen das -zum Beispiel beim wichtigen Thema Mitgliedermitbestimmung. Und jetzt ist es auf einmal okay. Jetzt darf man das.

Und ist kein Heckenschütze?
Genau. Es ist in Mode und man ist kein Heckenschütze. Das wird sehr schwierig für ihn. Mir ist das in dieser Sitzung vor Augen geführt worden. Ich hätte erwartet, dass man das Ergebnis der Mitgliederbefragung akzeptiert und zusammensteht. Aber es war die Stimmung mir gegenüber von zwei, drei Personen sehr feindselig. Daher habe ich gesagt: Ich sehe mich nicht dazu in der Lage, die Partei so zu einen, dass sie eine Wahl gewinnt.

Und wie hat es sich mit dieser Gewissheit angefühlt, für zwei Tage SPÖ-Chef zu sein? Sie haben bei der Bekanntgabe des -falschen - Ergebnisses nicht sehr euphorisch gewirkt.
Ich war nachdenklich. Was ich als Politiker nicht will, ist, ein Ziel zu definieren und dann drei Tage später etwas anderes zu sagen. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich den Mindestlohn umsetzen kann, auch wenn die Gewerkschaften dagegen sind. Man könnte das mit zwei, drei Maßnahmen schaffen, wenn man an Lohnerhöhungen anders herangeht, als man das heute tut. Das hat mich ständig beschäftigt. Oder: Wie schaffen wir es, die Ärztemisere zu beseitigen. Das wäre möglich gewesen. Aber: Die Entscheidung ist anders getroffen worden. Das ist im Leben so. Das ist ja nicht der erste Rückschlag oder der erste Moment, wo man sich Dinge anders vorgestellt hätte. Irgendwann hat man die Lebenserfahrung, dass es solche Situationen gibt. Ich bin nicht der überschwängliche, emotionale Typ. Ich bin eher der Realist. Daher hab ich das für mich relativ schnell erledigt gehabt.

Klingt fast so, als wären Sie im Nachhinein ein bissl froh.
Froh würde ich nicht sagen. Es ist ein ambivalentes Empfinden. Dass ich mein Konzept für einen Mindestlohn - da rede ich von 2.000 Euro netto, nicht von irgendwelchen Larifari-Beträgen, die andere vorschlagen - nicht umsetzen kann, tut mir leid. Das klingt jetzt vielleicht ein bissl komisch, aber das ist die Wehmut dahinter.

In der Bundespolitik ist der Mindestlohn derzeit kein Thema mehr. Da geht es um die 32-Stunden-Woche.
Er ist leider Gottes kein Thema mehr. Das ist vielleicht der Unterschied. Für mich ist die Bundespolitik beendet. Natürlich hat man eine Meinung, aber ich werde jetzt nicht jede Meldung von Andi Babler kommentieren. Die Frage, die sich jetzt für mich stellt, ist: Wie gewinnen wir im Burgenland die nächste Landtagswahl? Wir haben ein Wahlergebnis (2020: 49,9 Prozent, Anm.) , das es zu bestätigen gilt. Das ist herausfordernd in einer Situation, wo die Bundes-SPÖ in den Umfragen irgendwo bei 22,23 Prozent liegt. Das meine ich gar nicht negativ.

Es gibt keinen Rückenwind durch die Bundespartei?
Den hat es früher auch nicht gegeben. Es gibt einen Unterschied, der manifestiert sich im Zugang. Wie definiert man Politik? Das kann man anhand von 32-Stunden-Woche und Mindestlohn erklären. Würde ich die Meinung vertreten, die 32-Stunden-Woche ist das Allheilmittel, dann wäre mein Zugang, das dort, wo ich zuständig bin, umzusetzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jeden Tag in den Medien die 32-Stunden-Woche fordere, und dann gehe ich ins Landhaus rein, oder in die Spitäler, und die Mitarbeiter dort sagen: "Also, was ist jetzt damit?" Und ich sag dann womöglich: "Das sollen die Sozialpartner regeln." Das könnte ich nicht. Das ist nicht meine Art, Politik zu machen, damit kann ich nichts anfangen. Das ist die Abgrenzung zu anderen: Wir fordern eine gemeinnützige Pflege? Die Forderung reicht nicht. Man muss umsetzen, was umsetzbar ist.

Als Landeshauptmann können Sie das, als Oppositionspolitiker nicht.
Das stimmt nicht. In den Ländern kann man das umsetzen.

Also, die SPÖ-geführten Länder sollen Forderungen, die von der Bundes-SPÖ kommen verwirklichen?
Ja, und es gibt ja auch Koalitionsregierungen mit der SPÖ. Gratis-Nachhilfe ist eine sozialdemokratische Forderung. Wir im Burgenland machen das. Wir haben extra zusätzliche Lehrer dafür beschäftigt. Da frage ich mich, warum geht das bei uns und bei anderen nicht? Eine Forderung in den Raum zu stellen, und dort, wo ich es umsetzen kann, mache ich es nicht? Ich will niemanden mehr kritisieren, aber da habe ich ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Das kaufen mir die Leute dann nicht mehr ab. Wir haben eine Bundesregierung, die wie ein Boxer in der zwölften Runde die Hände nicht mehr raufkriegt, die stehend K.o. ist. Die sind nicht einmal in der Lage, ein seriöses Modell für einen Mietpreisdeckel vorzulegen. Die Mieten sind in den letzten Jahren teilweise um 20 Prozent gestiegen. Nächstes Jahr sinkt die Inflation vielleicht unter fünf Prozent, und sie kommen mit einem Mietpreisdeckel bei fünf Prozent daher. Das ist doch ein Schlag ins Gesicht für alle Mieter. Oder: Die ÖVP schafft es bei den Energiekosten nicht nur nicht, die Preise zu regulieren, sie schafft es nicht einmal, Klientelpolitik für die Wirtschaft zu machen, wie sie es sonst tut.

Wie soll sich die SPÖ als Alternative etablieren? Reicht es, die Zustimmung im Parlament zu verweigern?
Im Burgenland haben wir einen Wärmepreisdeckel eingeführt, dafür sind im Budget 40 Millionen Euro vorgesehen. Das ist in meiner Sicht die große Frage: Wie macht man Politik? Das ist die Trennlinie, an der sich die Unterschiedlichkeit der Politik zeigt. Es geht um Glaubwürdigkeit. Denken Sie an die Lohnpolitik. Wir reden darüber, die Politikergehälter heuer nicht zu erhöhen. Dann heißt es: Das gilt nur für Regierungspolitiker. Bei uns im Burgenland gilt das für alle, auch für die Abgeordneten, nur nicht für die Bürgermeister. Ich sage jetzt ganz provokant: Wenn ich die Lohnerhöhungen für heuer und nächstes Jahr zusammenrechne -7,2 Prozent im öffentlichen Bereich und fünf Prozent für Politiker -, dann kassieren Spitzen-Gewerkschaftsfunktionäre, die im Nationalrat sitzen, jeden Monat wohl mindestens 2.500 Euro brutto mehr.

Heißt für die SPÖ?
Wir diskutieren, ob es bei kleinen Einkommen heuer sechs, sieben, acht oder neun Prozent mehr geben soll. Das ist doch ein Witz. Wir haben das im Burgenland für heuer anders gemacht: Jeder - vom Mindestlohnbezieher bis zum Landeshauptmann -bekommt 300 Euro mehr. Bei einem Mindestlohn sind das weit über zehn Prozent mehr. Wenn man das zwei, drei Mal hintereinander macht, kann man auch das Lohngefüge verändern. Die Schere zwischen Spitzenverdienern und geringen Einkommen geht immer weiter auf. Da verstehe ich unsere Gewerkschafter einfach nicht.

Hans Peter Doskozil
© News/Ricardo Herrgott

Für die Herbstlohnrunde würde das heißen: Fixbeträge statt Prozente?
Das wäre ein Weg Richtung Mindestlohn und einer meiner Vorschläge als SPÖ-Chef gewesen. Ich würde mich als Politiker nicht in den Spiegel schauen können, wenn ich in den letzten zwei Jahren, die für die Bevölkerung wirklich schwierig waren, über 2.000 Euro brutto monatlich mehr kassiert hätte.

Haben Sie das den Gewerkschaftern persönlich gesagt?
Natürlich sage ich gewisse Dinge. Und sie sind natürlich nicht begeistert. Wir müssen die Mindestlöhne raufkriegen. Wir schaffen sonst, auch als Sozialdemokratie, eine Situation, in der es immer mehr Leute gibt, die abhängig von Förderungen, Unterstützungen und Sozialleistungen sind. Wollen wir das? Vielleicht will man das ja.

Den dankbaren Untertan?
Genau. Du kriegst ein Brieferl für das Schulstartgeld, eines für den Heizkostenzuschuss und so weiter. Offensichtlich wollen wir das. Dabei muss das Ziel doch sein, dass es immer mehr Leute gibt, die gar keine Unterstützung brauchen. Aber das sehe ich nicht. Das stört mich.

Bei den jüngsten Landtagswahlen sind die Amtsinhaber abgestraft worden. Zu den Corona-Nachwehen kommt nun auch noch der Frust über die Teuerung dazu. Droht Ihnen das auch?
Also ich glaube schon, dass die Menschen sich viel mehr für Sachthemen interessieren, als wir in der Politik meinen. Die Gesundheitsversorgung zum Beispiel. Da verspricht der Bundeskanzler erst 500 zusätzliche Ärzteplanstellen, dann landet er bei 100. Und auch die wird er nicht besetzen können, wenn es keine flankierenden Maßnahmen gibt -und es gibt keine. Die Bundesregierung ist wirklich wie beim Boxer, der stehend K.o. ist, auf die nächste Wahl wartet und dort die Rechnung präsentiert bekommt. Die Bevölkerung spürt, dass dort nichts weitergeht.

Die Frage galt eigentlich Ihrer Landtagswahl ...
Wir haben aufgrund dieser Lage die Ärztegehälter massiv erhöhen müssen. Das führt dazu, dass wir mit Jahreswechsel in den Spitälern Vollbesetzung haben werden, im Pflegebereich haben wir diese schon jetzt. Als nächstes lösen wir die Situation im niedergelassenen Bereich, bei den Hausärzten, obwohl wir da gar nicht zuständig sind. Ich glaube schon, dass die Menschen das sehen.

Heißt im Umkehrschluss: Wer bei seiner Wahl neun oder zehn Prozent verliert, hat zu wenig umgesetzt?
Ich will die Wahlergebnisse in den anderen Bundesländern nicht analysieren, weil es jeweils ganz verschiedene Hintergründe gibt. Mir geht es ausschließlich um unsere Politik im Burgenland.

Bund und Länder streiten seit Monaten über den Finanzausgleich. Da haben die Menschen das Gefühl, es geht gar nichts weiter.
Selbst wenn die Diskussion nebulos scheint, ist sie vonseiten der Länder immer noch gehaltvoller als die Vorschläge aus dem Finanzministerium. Ich bin das erste Mal bei diesen Verhandlungen dabei, sowas, wie das zumindest am Anfang gelaufen ist, habe ich noch nie erlebt. Da wurde über eigentlich kleine Beträge für Eisenbahnkreuzungssicherung oder die Digitalisierung der letzten Meile diskutiert. Das ist wichtg für die Lokalpolitik, aber doch kein Thema für den Finanzausgleich. Mir kommt das so vor, als würde der Finanzminister durch die Länder und Gemeinden ziehen und sagen: "Was brauchst denn?" Das ist ja, wie wenn der Bürgermeister zu mir in die Sprechstunde kommt, damit wir sein Projekt unterstützen. Dieses inhaltliche Niveau ist ein Problem. Ein Trauerspiel in Wirklichkeit. Aber ich habe noch immer die Hoffnung, dass sich das jetzt auf der Zielgerade verbessert - Signale dafür gibt es.

Was wollen Sie diskutieren?
Es gibt ein großes Misstrauen zwischen Bund und Ländern, weil der Bund überall reinkontrollieren will. Notwendig wäre, den Finanzausgleich so zu gestalten, dass er der Diversität der Länder gerecht wird. In Wien ist die Pflege ein wichtiges Thema, wir im Burgenland brauchen da womöglich gar keine zusätzlichen Mittel, aber dafür mehr für die Spitäler. Das würde der von uns geforderte vertikale Finanzausgleich ändern, wo die Steuermittel nach einem Prozentschlüssel zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt werden, die Länder dann aber individuell entscheiden, wie sie das Geld einsetzen. Schauen wir, was bei den Verhandlungen rauskommt.

Wer ist schuld an dieser Diskussionskultur?
Es ist nie jemand alleine schuld, aber die Hauptschuld trägt schon der Bund. Mittlerweile steht eine Verfassungsklage im Raum. Ich gehe davon aus, dass diese kommen wird, wenn es keinen Kompromiss gibt. Die Länder ziehen da an einem Strang. Mir fehlt beim Bund ein bissl die Ernsthaftigkeit. Vielleicht spekuliert man auch, dass, wenn wir nicht zusammenkommen, der alte Finanzausgleich fortgeschrieben wird. Das wäre fatal.

Hans Peter Doskozil
© News/Ricardo Herrgott

Woran würden das die Leute merken?
Ich hoffe, dass es die Leute gar nicht merken, und wir dann vom Verfassungsgerichtshof klären lassen können, wie die Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aussehen soll. Wir haben ja Aufgaben zu erledigen. Im Gesundheitsbereich haben wir eine Kostenexplosion. Wir konnten 2016 bis 2018 mit den Mitteln, die wir bekommen haben, halbwegs ausgeglichen bilanzieren. Jetzt müssen wir jedes Jahr nur für den Betrieb 50 bis 60 Millionen drauflegen. Das kann nicht gut gehen. Vom Bundeskanzler habe ich zu diesem Thema übrigens noch gar nichts gehört. Null. Den interessiert das nicht.

Die FPÖ zieht derweil in den Umfragen für die Nationalratswahl davon. Rechnen Sie mit einem Regierungsauftrag für Herbert Kickl?
Also wenn diese Prognosen tatsächlich das Wahlergebnis widerspiegeln, dann glaube ich, dass die FPÖ, in welcher Rolle auch immer, in der Regierung sein wird, und zwar mit der ÖVP. Diesbezüglich hat es schon zu viele Vorleistungen gegeben. Niederösterreich ist da ein sehr gutes Beispiel. Angesichts der schwierigen Situation zwischen ÖVP und FPÖ dort in eine Koalition zu gehen, dazu noch bei gewissen Themen vorgeführt zu werden, verlangt einer so stolzen und starken Landesorganisation doch einiges ab. Auch der Salzburger Landeshauptmann war kein Freund einer blauen Koalition, das ist hinlänglich bekannt, und hat es gemacht. Daher glaube ich, dass die Zeichen in diese Richtung gehen.

Wird die ÖVP trotz aller Absagen mit Kickl in eine Regierung gehen?
Hundertprozentig. Die ÖVP geht sehr weit und macht sehr viel, um an der Macht zu bleiben und Posten zu besetzen.

Rechnen Sie damit, dass die SPÖ Konkurrenz durch die KPÖ plus bekommt?
Es gibt nächstes Jahr eine Wahl in der Stadt Salzburg, wo die KPÖ stark ist. Ich würde meinen, dass sich dort möglicherweise auch eine bundesweite Wahlbewegung ergeben wird. Damit muss man durchaus rechnen.

»Das ist Andi Bablers Aufgabe, sich zu positionieren und zu wissen, wie er eine Wahl gewinnt«

Muss die SPÖ in diesem Fall nach links abdichten oder in die Mitte rücken?
Ich habe ja eine Meinung dazu, aber das muss der Andi Babler entscheiden, wie er sich orientiert. Er ist jetzt Parteivorsitzender und wird das sicherlich am besten wissen. Das ist auch seine Aufgabe, sich zu positionieren und zu wissen, wie er eine Wahl gewinnt.

Man hat den Eindruck, viele in der SPÖ lehnen sich zurück und schauen, wie es läuft.
Wir im Burgenland haben das größte Interesse daran, dass es gut läuft. Man darf ja nicht vergessen, wenn im kommenden Herbst Nationalratswahlen sind, folgt unsere Landtagswahl nur drei, vier Monate später. Das ist ohnehin schon eine Herausforderung. Es gibt ja auch Themen, wo wir andere Positionen haben, das müssen wir dann drei Monate später den Menschen erklären.

Aber die Bundes-SPÖ muss gewinnen, damit es auch im Burgenland leichter geht?
Ja. Ein Höhenflug der FPÖ färbt ja auch auf die burgenländische FPÖ ab. Die FPÖ wieder runterzuholen, wäre also schon unsere Aufgabe.

Wird es gelingen?
Ich hoffe es.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2023.