Die Sorgen wegen einer möglichen Übernahme von ProSiebenSat.1 (P7S1) durch das Familienunternehmen der Berlusconis könnten die falschen sein. Eine Konzentration auf Entertainment lässt statt Einflussnahme eher den Verlust von TV-Information befürchten.
Herkömmliches Fernsehen ist ungefähr so angesagt wie Papierzeitungen. Wer sich dazu bekennt, dem winkt ein Seniorenausweis ohne weitere Alterskontrolle. Folglich sind persönliche Erinnerungen ans theoretische Rundfunkmonopol überwiegend Pensionistensache. Es endete auf Empfängerseite auch in Österreich vor 40 Jahren, als Deutschlands erste Privatsender in Kabelnetze eingespeist wurden.
Stellvertretend für diese Entwicklung stehen die 1984 gestarteten Sat.1 und RTL. Schon eine Dekade später hatten sie daheim so viel Publikumsanteil wie ARD und ZDF. Heute sind die Öffentlich-Rechtlichen wieder viel stärker, aber die um die Privatsender entstandenen Fernsehhäuser gehören mit zusammen mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz zu den größten Medienunternehmen Europas.
Privatpioniere im TV-Kaufrausch
Trotzdem sind beide in der Defensive. Weil herkömmliches Fernsehen sich im Rückzug vor digitalen Angebote befindet. Noch ist es stärker als Netflix & Co., doch ohne Sehernachwuchs. Deshalb erwirbt die RTL Group den Pay TV-Anbieter Sky Deutschland. Es ist der größte Zukauf in der Geschichte des Unternehmens, das zum Bertelsmann-Konzern gehört. Es will die Streaming-Anbieter herausfordern.
Media For Europe (MFE) führt Ähnliches im Schilde. Der größte Privat-TVAnbieter in Italien und Spanien will deshalb ProSiebenSat.1 (P7S1) übernehmen, zu dem auch Österreichs Puls 4 und ATV gehören. Bis 13. August soll sich das Aktionärsmatch gegen Konkurrent PPF entscheiden. Image-Nachteil für MFE: Es ist das Unternehmen der Erben von Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi (†2023). Der ist hierzulande bekannter als der PPF-Gründer und einst reichste Tscheche Petr Kellner (†2021).
Berlusconi galt als Prototyp der Telekratie – der demokratisch bedenklichen Verbindung von Politik- und Medienmacht. Sein Sohn und MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi wurde deshalb von Deutschlands Kulturstaatsminister Wolfram Weimer zum Gespräch gebeten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte schon früher Bedenken. Die EU-Kommission aber gab die Fusion frei und Österreichs Wettbewerbsbehörde genehmigte sie unter Auflagen für die Unabhängigkeit von Puls 4 und ATV.
Förderung kontra Gesamtstrategie
Die Bedenken gegen Berlusconi könnten sich als irrelevant erweisen, weil MFE auf Entertainment als Kern der Strategie für P7S1 pocht. Das entspräche auch dem Angebotscharakter von Puls 4 und ATV, für die Puls 24 die Informationsprogramme liefert. Die Sendergruppe erhält dafür heuer fast fünf Millionen Euro Privatrundfunkförderung. Die zentrale Frage hierzulande ist, ob das zur Rechtfertigung einer Ausnahme von der europäischen Strategie für MFE für ProSiebenSat.1 ausreicht.
Sonst wirkt Österreichs TV-Nachrichtenvielfalt gefährdet. Denn dann verblieben außer dem ORF nur ServusTV und Oe24.tv mit relevanten Publikumsgrößen für Info-Fernsehen. Wobei die Zukunft des Red-Bull-Senders ebenfalls ungewiss erscheint. Er erhält rund 2,3 Millionen Förderung, doch als Option nach der für Herbst avisierten Pension von Intendant Ferdinand Wegscheider steht auch ein totaler Sportkanal zur Diskussion. Die globale Streaming-Situation verändert die nationale Bewegtbild-Information.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/2025 erschienen.