Kathrin Gulnerits
©Bild: Matt ObserveDie Medienbranche steckt in einer tiefgreifenden Krise. Weniger Jobs. Weniger Reichweite. Weniger Vertrauen. Das hat viele Gründe: wirtschaftlicher Druck, digitale Umbrüche, politische Kurzsichtigkeit. Nicht alles daran ist selbst verschuldet. Aber manches eben schon. Zeit, das auch so zu benennen.
Objektiv und schonungslos. Kritisch sowieso. Das sind Zuschreibungen, mit denen wir uns gerne schmücken. Wir, die Medien. Mit Blick auf unser Selbstverständnis. Mit Blick auf die anderen. Die Politik. Das Publikum. Wir, die per Definition für Information, Meinungsbildung und Kontrolle der Macht zuständig sind. Nur: Wir, die Medien, sind gerade in einer existenziellen Krise. Personalabbau. Sparprogramme. Ein Medienbeben. Ein „großes Sterben“. Klingt nach Aufmerksamkeitshascherei. Nach Clickbait. Trifft aber ziemlich gut den Punkt. Ausgang ungewiss bis fatal.
Die Gründe? Bekannt. Jeder kennt jemanden, der schon lange keine Zeitung mehr kauft oder Fernsehnachrichten meidet. Der Werbemarkt bricht ein oder wandert gleich ganz zu Google, Meta & Co. Dazu die weitverbreitete naive Vorstellung: KI schreibt eh alles. Nein, tut sie nicht. Eine KI hätte auch René Benko nicht zu Fall gebracht. Kontrolle der Macht braucht mehr als ein paar Prompts. Was auch zur Erzählung gehört und gerne unter den Tisch fällt: die teils sehr guten Gehälter, die sich über Jahre per KV-Erhöhungen selbstverstärkten. Jetzt stellt sich die Frage: Wer soll das alles noch zahlen? Erst recht, wenn es wirtschaftlich nicht rund läuft.
Geld fehlt, Strategie auch
Die Folge? Rund 100 Journalistinnen und Journalisten haben in den letzten Wochen in Österreich ihren Job verloren. Weil das Geld fehlt. Weil viele Häuser ihre Hausaufgaben in Sachen digitale Transformation und Social Media nie gemacht haben. Aber auch, weil die Politik lieber auf ein intransparentes, absurderweise abhängigkeitsschaffendes Medienförderungs-Flickwerk setzt, statt auf eine durchdachte Medienpolitik. Offenbar fehlt der Wille. Oder der Weitblick. Vielleicht auch beides. Vom nötigen Grundverständnis für die bedrohliche Lage der Medien im Land ganz zu schweigen.
Der zuständige Minister ist entweder auf Dauer-Tauchstation – oder bastelt gerade an seinem eigenen YouTube-Kanal im SPÖ-Design. „SPÖ 1“ soll nächste Woche online gehen. Der Medienminister als Medienmacher? Begründung: „Wir brauchen eine Kommunikation, die zielgerichtet ist.“ Die FPÖ ist da schon weiter. Die bündelt längst ihre Inhalte in einem eigenen „FPÖ-Medienhaus“. Ziel: „ungefiltert unsere Dinge in Umlauf bringen“. Die Message Control ist tot – lang lebe der Eigenkanal.
Und wir? Was bei unserer aktuellen medialen Nabelschau selten angesprochen wird, aber angesprochen werden müsste: Wir tragen selbst einen beachtlichen Teil zur Schieflage bei. Im Umgang mit uns selbst. Bestes Beispiel: der APA-OGM-Vertrauensindex aus der Vorwoche. „Polizei Top – Soziale Medien Flop“ titelte der Boulevard. „Vertrauen in Polizei und Nationalbank gestiegen – in ÖGK und Justiz gesunken“ schrieb die Qualitätszeitung. Dass die Medien selbst im Vertrauensranking – zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt – ziemlich weit hinten gelandet sind, war keine Headline wert. Hat halt nicht ins Narrativ gepasst.
Fehlendes Gespür
Völlig zu Recht haben wir uns hingegen eine Zeit lang über (zu) viel Nähe zwischen Medien und Politik ausgetauscht. Leidenschaftlich. Mit der einen oder anderen Konsequenz, weil das, was da an angeblich professioneller Distanz verkauft wurde, oft nichts anderes war als anbiederndes Geschachere um Einfluss, Jobs, Inserate. Nur: Diese Nähe gibt es immer noch. Wir reden nur nicht mehr drüber. Ein Gespür, wenn nicht gleich eine klare Vorstellung davon, wie Distanz funktionieren könnte, gibt es nach wie vor nicht.
Wir Medien sind nicht nur Teil dieser Medienkrise – wir haben sie an mancher Stelle selbst mitverursacht
Und ja, es nervt. Es nervt, wie selbstreferenziell die Medienbranche in diesem Land ist und wie selbstverständlich Sendeminute um Sendeminute damit gefüllt wird, dass Journalistinnen Journalisten interviewen. Journalist = Experte. Punkt. Auch wenn der gestern noch Corona erklärt hat und heute Putin. Mit einer Selbstverständlichkeit, die verwundern darf. Und währenddessen werden auf Social Media stolz Selfies aus dem TV-Studio gepostet: „War wieder im TV.“ Herzlichen Glückwunsch. Aber ist das unser Job? Und wenn ja – warum sind es dann immer dieselben drei Chefredakteure und fünf Innenpolitik-Expertinnen, die in jeder Runde sitzen? Wollen die anderen nicht oder dürfen sie nicht?
Wem ist geholfen, wenn in der ZiB2 nach der Benko-Urteilsverkündung ein gewisser Herr Pötz der Protagonist eines Beitrags ist? Tituliert als „Prozessbeobachter“. Dabei ist er „nur“ Pensionist und glücklich, dass er eine Platzkarte für den Gerichtssaal bekommen hat. Er schildert, was war. Er ordnet ein. Kein Experte. Kein Hintergrund. Kein Kontext. Nur ein Zuschauer, der erzählen darf. Ein Beitrag, der wirkt wie Kinderfernsehen – nur hat er sich in die Hauptnachrichtensendung verirrt. Und das in einem Moment, in dem es um nichts Geringeres geht als um die größte Wirtschaftspleite der Zweiten Republik.
Wir Medien sind nicht nur Teil dieser Medienkrise – wir haben sie an mancher Stelle selbst mitverursacht. Das dürfen wir benennen. Das müssen wir benennen – und es besser machen.
Was meinen Sie? Schreiben Sie mir: gulnerits.kathrin@news.at
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/25 erschienen.