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Franz Sinabell: „Ich kenne keine Beispiele für erfolgreiche Eingriffe in den Markt“

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Franz Sinabell

©Alexander Müller

Wifo-Ökonom Franz Sinabell spricht im News-Interview über Lebensmittelpreise, Möglichkeiten einer Regulierung und weshalb wir so wenig über die Preise wissen.

Studien zeigen, dass Lebensmittelprodukte in Österreich teurer sind als in anderen Ländern. Weshalb?

Bei Markenartikeln betreiben die internationalen Hersteller regionale Preisdifferenzierung. Österreich ist eines der reichsten Länder, daher werden hier eben höhere Preise angesetzt. Auch wenn wir alle Nicht-Markenartikel betrachten, ist das Preisniveau in Österreich höher als in anderen Ländern. Das hat mehrere Gründe: Höhere Mehrwertsteuer, höhere Löhne im Handel, Kollektivverträge. Außerdem sind die Läden in der Regel kleiner, dafür gibt es mehr – das bedeutet höhere Kapitalkosten und höheren Logistikaufwand. Und es werden in den großen Handelsketten einheitliche Preise für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt. Ein Standort im hintersten Winkel hat höhere Logistikkosten, daher gibt es eine Quersubventionierung

Jetzt wird über eine Preisregulierung bei Lebensmitteln nachgedacht. Was halten Sie davon?

Dafür gibt es zwei Motive: Erstens die hohe Inflation in Österreich, die ein Problem für die Verbraucher, aber auch für die Wirtschaft ist. Zweitens haben wir Einkommensgruppen, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen – und für die spielen Lebensmittelpreise eine große Rolle. Die Frage ist nun: Sollen wir eingreifen? Und wenn ja, wie? Eingriffe in Märkte, auf denen Preise im Rahmen von Wettbewerb entstehen, würde mir nicht als Erstes einfallen. Außerdem haben die Lebensmittelpreise in den vergangenen Monaten die Inflation nicht wesentlich befeuert.

Was wäre die Alternative?

Ich würde mir ansehen, wo Preise für Güter im öffentlichen Einflussbereich zu finden sind, bei denen man eingreifen könnte. Ich denke da etwa an Energie.

Es heißt immer, der Handel habe letztlich die Preishoheit. Stimmt das?

Ja, die Preise werden vom Handel täglich festgesetzt, um Ziele wie etwa hohe Deckungsbeiträge zu erreichen. Dafür werden viele Instrumente eingesetzt: Werbung, Standort, Platzierung in den Geschäften, Rabattmarken und Kunden- bindungsprogramme.

Weshalb lassen wir uns dazu verleiten, mehr zu zahlen als Konsumenten in anderen Ländern?

Wir haben in Österreich zumindest im urbanen Bereich an jeder Straßenecke einen Bankomaten und in jeder Straße einen Supermarkt. Im Vergleich zu anderen Ländern ist diese Bequemlichkeit, dass man nicht weit gehen möchte, um etwas in Anspruch nehmen zu können, stärker ausgeprägt. Hingegen ist die Preissensitivität weniger stark ausgeprägt. Außerdem ist der Anteil von Bioprodukten und Produkten regionaler Herkunft höher. Österreichische Verbraucher legen nicht unbedingt so viel Wert auf einen niedrigsten Preis. Wenn Konsumenten mehr auf Aussehen und Bequemlichkeit achten, wären die Geschäfte ja dumm, wenn sie es anders machen würden.

Was könnte eine Preisregulierung, wie sie angedacht wird, bringen?

Wir wissen gut, was die Folgen von Preisregulierungen sind: Vor dem EU-Beitritt wurden in Österreich viele Güter stark reguliert. Die EU, in der es viel weniger Eingriffe gab, hat dann für Verbraucher starke Preissenkungen gebracht und nicht Preiserhöhungen. Darauf zu hoffen, dass man heute viel klüger ist als vor 30 Jahren, was eine Regulierung betrifft, ist keine gute Idee.

Wir sehen in Frankreich, dass höhere Preistransparenz nicht zu deutlich niedrigeren Preisen führt

Franz Sinabell

Eine Wifo-Studie sieht einen Mangel an Preistransparenz entlang der Wertschöpfungskette. Weshalb wissen wir über die Preise so wenig?

Wir haben nur partielle Einblicke in die Art und Weise, wie jene Preise, die Verbraucher letztlich zahlen, zustande kommen. Die Situation ist zwar besser als vor fünf Jahren, weil wir zumindest für einige Lebensmittel wissen, zu welchen Preisen der Handel einkauft. In Frankreich läuft es besser: Dort gibt es seit rund zehn Jahren ein ausgeklügeltes Preismonitoring für die wichtigsten Lebensmittel.

Könnte man das auch in Österreich umsetzen?

Wenn es in Frankreich klappt, sollte es auch in Österreich funktionieren. Das würde aber nicht bewirken, dass die Preise sinken. Wir sehen in Frankreich, dass höhere Preistransparenz nicht zu deutlich niedrigeren Preisen führt. Die Preisdiskussion würde auf eine andere Ebene gehoben, wir könnten die Preisentwicklung sachlicher betrachten und genauer hinsehen, wo es Auffälligkeiten gibt.

Stichwort Preise: Die Bauern erhalten nur einen geringen Teil des Endpreises, bei Brot zum Beispiel weniger als zehn Prozent. Weshalb?

Die meisten Landwirte produzieren Commodities, also Güter, die international gehandelt werden. Der Preis von Weizen wird nicht dadurch bestimmt, ob die Österreicher mehr oder weniger Kipferln essen. In Österreich sind die Agrargüterpreise zwar etwas höher als anderswo, unter anderem weil die Produkte eine höhere Qualität haben. Ab der Verarbeitung wird es aber intransparent. Zum Beispiel bei Brot: In einem Bäckerladen gibt es frisches Brot, das in der Nacht davor gebacken wurde, da kostet ein Kilogramm fünf Euro. Aber für die Supermärkte wird in Großbäckereien der Teig erzeugt, gekühlt, gelagert, in einer Kühlkette bis zum Supermarkt transportiert, nochmals gekühlt und dann unter hohem Energieaufwand fertig gebacken. Da ist es logisch, dass der Anteil des enthaltenen Weizens am Endpreis des Brotes niedrig sein muss.

Gibt es Beispiele für erfolgreiche Eingriffe in den Markt?

Erfolgreiche kenne ich keine. Für erfolglose brauchen wir nur nach Ungarn schauen: Dort wurden die Treibstoffpreise reguliert, dann gab es Versorgungsengpässe. Wenn Preise gedrückt werden, sodass es auf eine Rationierung hinausläuft, könnte ein Schwarzmarkt entstehen oder die Qualität der Produkte wird verringert.

Welche Möglichkeiten bleiben?

Es ist die Frage, was man erreichen will. Für jene Gruppen, die sich diese Preise nicht leisten können, braucht es spezifische Instrumente wie Sozialmärkte. In manchen Ländern gibt es auch Lebensmittelmarken. Für das generelle Preisniveau ist es wichtig, dass der Wettbewerb funktioniert. Bei Elektronikgütern beispielsweise gibt es Vergleichsplattformen, die mit Gewinn betrieben werden und die viele Menschen nutzen. Bei Lebensmitteln hat sich das noch nicht etabliert.

Die Online-Plattform Temu will in Europa Lebensmittel verkaufen …

Ich persönlich würde dort eher nicht kaufen. Doch wenn es den Markt belebt und dazu beiträgt, dass günstige und qualitativ hochwertige Produkte von einem neuen Anbieter das Sortiment bereichern, weshalb nicht?

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33+34/25 erschienen.

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