Otmar Michaeler
©Bild: Matt ObserveWie krisenfest ist der Tourismus? Otmar Michaeler, CEO der Falkensteiner Michaeler Tourismus Group (FMTG), über die Rolle von Branded Residences, Kundenbindung durch Crowdfunding, die Overtourism-Debatte, geopolitische Risiken, Nachhaltigkeit als Chance – und wie er die Zukunft des europäischen Tourismus sieht.
Herr Michaeler, Ihre Strategie sieht vor, dass unter der Marke Falkensteiner künftig nur noch 4-Sterne-Superior- und 5-Sterne-Hotels betrieben werden. Warum dieser Schritt?
Das ist leicht erklärt: Der Kunde soll genau wissen, was er bekommt, wenn er sich für Falkensteiner entscheidet. Wenn die Produktpalette zu breit ist, verwässert das Markenversprechen und spricht zu unterschiedliche Zielgruppen an. Deshalb konzentrieren wir uns künftig klar auf das Premiumsegment. Den klassischen 4-Sterne-Bereich decken wir weiterhin über unser Club-Produkt „Funimation“ ab. Damit bleibt die Marke klar positioniert.
Die Errichtung eines Hotelzimmers im Premium-Segment kostet rund eine halbe Million Euro. Wie rentabel ist es da, neue Hotels zu bauen?
Die Rentabilität hängt ganz klar vom Standort und vom Produkt ab. Es gibt nicht viele Lagen, an denen sich ein solches Investment wirklich rechnet. Deshalb kombinieren wir neue Hotelprojekte meist mit servicierten Apartments oder Branded Residences. Dadurch lässt sich die Durchschnittsrendite über das gesamte Projekt deutlich verbessern.
Stichwort Branded Residences: Die Falkensteiner Michaeler Tourismus Group (FMTG) entwickelt bereits seit fast 20 Jahren servicierte Wohnungen. Welchen Vorteil birgt dieses Modell für Sie als Hotelbetreiber?
Wir verstehen uns nicht nur als Hotelbetreiber, sondern auch als Immobilienunternehmen. Der Vorteil liegt darin, dass wir Immobilien entwickeln, einen Teil anschließend verkaufen und damit unsere Bilanz entlasten können. Gleichzeitig bleiben wir durch die Servicierung der Apartments in Kontakt mit den Eigentümern – etwa über Hotelinfrastruktur und Zusatzumsätze vor Ort. Viele Eigentümer nutzen ihr Apartment nur zeitweise und vermieten es über uns rück, was wirtschaftlich einem Betrieb für Dritte entspricht – allerdings ohne Fixpacht. Die Eigentümer schließen mit uns einen Servicevertrag ab, der ihnen den Zugang zu allen Hotelleistungen ermöglicht. Dieses Modell hat durch Covid zusätzlichen Auftrieb bekommen, weil immer mehr Menschen ortsunabhängig arbeiten und längere Aufenthalte außerhalb ihres Hauptwohnsitzes planen.
Wie viele dieser Apartments haben Sie aktuell im Portfolio?
Derzeit bauen wir rund 160 Apartments in Saló am Gardasee und knapp 100 in Punta Skala und werden weitere 200 bis 300 entwickeln. Insgesamt bewegen wir uns aktuell also bei etwa 500 bis 600 Einheiten, die entweder in Bau oder Planung sind – zusätzlich zu den rund 300 Apartments, die wir bereits im Bestand haben.
In welchem Preissegment bewegen sich die Objekte?
Je nach Lage und Größe beginnen die Preise bei etwa 350.000 bis 400.000 Euro und reichen bei den Penthäusern bis zu 2 bis 2,5 Millionen Euro. Die kleinsten Einheiten haben rund 50 Quadratmeter. Unsere Käufer sind Menschen, die sich bewusst einen Zweitwohnsitz leisten wollen – etwa in Kroatien, wo auch die Infrastruktur optimal mitwächst.
Ich sage immer, dass eine gewisse Marktbereinigung, wie wir sie jetzt sehen, letztlich auch gesund sein kann
Brancheninsider warnen, dass der österreichische Immobilienmarkt an allen Ecken und Enden kracht und 2026 eine massive Krise bevorstehen könnte. Bereitet Ihnen das Kopfzerbrechen?
Ich glaube, dass wir die Talsohle bereits erreicht haben und sich der Markt wieder erholt. Die Zinsen sind gesunken – das war ein entscheidender Faktor. Der Einbruch hat ja schon 2024 begonnen. Wir sehen jetzt, dass die Preise mittelfristig wieder steigen werden, weil aktuell kaum neue Projekte realisiert werden und somit das Angebot in ein bis zwei Jahren knapp wird.
Natürlich gab es überhitzte Phasen, in denen Grundstücke und Projekte überteuert gekauft wurden – teils von Akteuren, die das Geschäft gar nicht wirklich verstanden haben. Wir gehen sehr vorsichtig vor, entwickeln unsere Pipeline Schritt für Schritt weiter und starten neue Projekte erst, wenn laufende abgeschlossen sind. Ich sage immer, dass eine gewisse Marktbereinigung, wie wir sie jetzt sehen, letztlich auch gesund sein kann.
Mit der FMTG Invest haben Sie ein eigenes, auf Crowdinvest spezialisiertes Unternehmen. Ihre erstes Projekt in diesem Bereichen haben Sie 2017 gestartet. Was war damals der Antrieb? Haben Sie Geld gebraucht?
Ganz im Gegenteil – unser Ziel war, unsere große loyale Kundschaft stärker an uns zu binden und sie zu echten Investoren zu machen. Sie können wählen, ob sie Zinsen oder Gutscheine als Rendite wollen – und rund 50 Prozent entscheiden sich für Gutscheine. Das war für uns der Gamechanger, weil dieser Umsatz direkt wieder ins Unternehmen zurückfließt. Diese Investoren sind Stammgäste, sie fühlen sich als Teil der Marke und liefern wertvolle Impulse, die wiederum unsere Qualität in den Hotels steigern. Mittlerweile zählen wir fast 7.000 Investoren, von denen sich rund 3.500 für die Gutscheine entscheiden. Anfangs hatten wir Bedenken, wie der Markt reagiert – ob man uns vorwirft, Kapital zu suchen, weil wir in Schwierigkeiten sind. Doch nach dem Start war die Resonanz durchweg positiv. Ein großer Artikel im Handelsblatt über unser innovatives Finanzierungsmodell hat uns schließlich bestätigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.
Welche Rolle spielt das Crowdfunding heute im Finanzierungsmix der Gruppe?
Eine wesentliche. Wir werden nächstes Jahr voraussichtlich bei einem Verhältnis von 50 zu 50 zwischen klassischer Bankfinanzierung und Crowdfunding liegen. Auch wenn Crowdfunding auf den ersten Blick teurer erscheint, gleicht sich das durch die sogenannte Umwegrentabilität aus: Viele unserer Investoren sind auch Gäste, die bei uns Urlaub machen und oft mehr ausgeben, als ihr Gutscheinwert beträgt. Rechnet man diesen Effekt ein, liegen die tatsächlichen Finanzierungskosten auf einem ähnlichen Niveau wie bei der Bank.
Sie haben bislang in 14 Kampagnen rund 112 Millionen Euro eingesammelt – 86 Millionen davon allein in den letzten drei Jahren. Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre?
Wir planen, uns langfristig bei rund 30 Millionen Euro pro Jahr einzupendeln – das wären über fünf Jahre etwa 150 Millionen Euro. Nach fünf Jahren läuft dann jeweils die Fälligkeit, bei der die Rückzahlung erfolgt. Parallel wollen wir das Produkt weiterentwickeln und kreativer gestalten, etwa indem wir beispielsweise die Einlösbarkeit der Gutscheine erweitern – nicht nur in unseren Hotels, sondern möglicherweise auch bei Partnerbetrieben. Es gibt auf jeden Fall ein paar neue Ideen, die sind aber noch nicht spruchreif.
In welchen Regionen sehen Sie für die FMTG in den kommenden Jahren noch Wachstumspotenzial?
Unsere Wachstumsstrategie ist klar definiert: In Italien und Kroatien, vor allem in Istrien und im Süden, sehen wir weiterhin Chancen. In Österreich fokussieren wir uns auf Tirol und Salzburg. Außerdem planen wir eine Expansion nach Nord- und Ostdeutschland, mit einer Hotelöffnung 2028 in Grömitz an der Lübecker Bucht. In Osteuropa, etwa in Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, wollen wir über Management-Verträge wachsen – dort sind viele unserer bestehenden Gäste aktiv, und eine stärkere Präsenz unterstützt den Markenaufbau.
Über die Falkensteiner Michaeler Tourism Group AG (FMTG)
Die FMTG ist in sieben europäischen Ländern tätig: Österreich, Italien, Slowakei, Tschechien, Serbien, Kroatien und Montenegro. Unter ihrem Dach bündelt sie die Bereiche Falkensteiner Hotels & Residences (27 Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, 3 Apartmentanlagen, 2 Premium-Campingplätze), FMTG Development, FMTG Invest sowie den Tourismusberater Michaeler & Partner. Das Geschäftsmodell umfasst Planung, Bau, Betrieb und Vermarktung touristischer Immobilien.
Bestimmte Auswüchse im Tourismus sorgen zunehmend für Kritik. In Ihrer Heimat Südtirol ist eine Diskussion um das Thema Overtourism entbrannt. Können Sie den Unmut der Bevölkerung nachvollziehen?
Ich sehe hier zwei Aspekte. Einerseits hat sich die öffentliche Wahrnehmung verändert – Themen kochen heute medial viel schneller hoch und werden intensiver und kontroverser diskutiert. Andererseits gibt es natürlich Regionen, in denen sich viele Gäste konzentrieren und das Gefühl entsteht, es seien zu viele. Aber das betrifft einzelne Hotspots wie Venedig, die damit schon seit Jahrzehnten umgehen müssen. In Südtirol sehe ich die Lage weniger dramatisch. Es geht also eher darum, gezielt zu steuern und besser zu organisieren, etwa mit öffentlichem Verkehr und digitalen Tools. Das ist machbar.
Was halten Sie von Maßnahmen wie eine Begrenzung der Bettenkapazitäten? Läuft das nicht gegen Ihre Interessen als Hotelbetreiber?
Ich sehe das nicht als Widerspruch. Am Ende des Tages muss man als Unternehmer auch im Einklang mit der Bevölkerung agieren – die Balance ist entscheidend. In den letzten 15 Jahren wurde viel investiert und aufgebaut, wir haben ein gutes Niveau erreicht. Jetzt geht es darum, qualitativ weiterzuentwickeln, nicht quantitativ. Eine gewisse Ruhepause ist daher richtig, um das Gleichgewicht zu wahren.
Der Tourismus bleibt für Südtirol ein zentraler Wirtschaftsmotor, vor allem, weil die Wertschöpfung auf viele kleine und mittlere Betriebe verteilt ist – von der Gastronomie über den Handel bis zu den Dienstleistern. Das stärkt die Mittelschicht und macht die Region wirtschaftlich stabiler.
Die Spitzenbetriebe im Tourismus kommen ja großteils aus Familienhand – und das hat seinen Grund. Familienunternehmer sind näher am Gast, flexibler und reagieren schneller auf Veränderungen
Angesichts steigender Kosten und zunehmender Regulierung stellt sich die Frage, ob der klassische Familienbetrieb im Tourismus überhaupt noch Zukunft hat.
Absolut. Die Spitzenbetriebe im Tourismus kommen ja großteils aus Familienhand – und das hat seinen Grund. Familienunternehmer sind näher am Gast, flexibler und reagieren schneller auf Veränderungen. Was sich verändert hat, ist die Vermarktung: Früher war das ein Nachteil, heute sind Familienbetriebe durch Digitalisierung und Social Media oft besser aufgestellt als große Ketten. Selbst Privatzimmervermieter können sich heute professionell positionieren – das hat die Spielregeln komplett verändert.
Rezession, Klimawandel, geopolitische Spannungen und steigende Nachhaltigkeitsansprüche – all das beeinflusst den globalen Tourismus. Wie krisenfest ist das Geschäftsmodell der FMTG?
Man muss trotz solcher Entwicklungen langfristig planen. Wenn man jedes Risiko in den Mittelpunkt stellt, könnte man den Betrieb gleich einstellen. Auf persönlicher Ebene beschäftigen einen die großen politischen Themen natürlich, aber sie bestimmen nicht unsere Strategie. Wir sehen vielmehr, dass Menschen auf anderen Kontinenten wohlhabender werden – und das eröffnet Chancen für den europäischen Tourismus. Europa punktet mit Kultur, Natur und Lebensqualität, und genau das suchen die Menschen. Nachhaltigkeit bleibt dabei ein zentraler Wert. Auch wenn es politisch einmal Gegenwind gibt, etwa durch Trump, müssen wir an diesem Weg festhalten. Am Ende gilt: Das Original – echte Natur, echte Kultur – ist immer stärker als jede künstliche Kopie.

Steckbrief
Otmar Michaeler
Der Südtiroler ist CEO und Miteigentümer der Falkensteiner Michaeler Tourism Group AG (FMTG), die er 2007 gemeinsam mit Erich und Andreas Falkensteiner gründete. Seit 1995 leitet er zudem das Beratungsunternehmen Michaeler & Partner. Von 2010 bis 2020 war er Präsident der Südtiroler Volksbank. Otmar Michaeler studierte Betriebswirtschaft an der Universität Innsbruck, begann seine Karriere bei der Edinger Tourismusberatung und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Bruneck.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/25 erschienen.







