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Andreas Kraler: „Wir sind definitiv Profiteure der Klimakrise“

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Andreas Kraler

©Bild: NEWS/Ricardo Herrgott

Konjunkturflaute und steigende Kosten: Für mittelständische Betriebe sind gerade harte Zeiten. Hella-Chef Andreas Kraler erklärt, wie man als Familienunternehmen dennoch Kurs hält – etwa mit Bodenständigkeit, Energieautarkie und einem klaren Bekenntnis zu Zuwanderung.

Herr Kraler, sind Sie mit Blick auf die vergangenen heißen Sommermonate ein Klimakrisengewinner?

Die Klimakrise verändert natürlich unser Geschäft. Wir sind definitiv Profiteure davon – auch wenn wir es aktuell nicht spüren, weil die Wirtschaftskrise vieles überlagert. Man merkt die Kaufzurückhaltung der Menschen deutlich, in Deutschland genauso wie in Österreich. Der Neubau fehlt komplett.

Wird Ihnen manchmal mulmig, wenn Sie auf die Konjunkturzahlen schauen?

Für einen Manager sind das spannende Zeiten. Die Unsicherheit in der Planung beschäftigt uns tagtäglich, weil wir schlicht nicht wissen, wohin die Reise geht – auch bei Investitionen. Als Familienunternehmen denken wir in Generationen und versuchen, auch antizyklisch zu investieren. Wenn es wieder aufwärts geht – wann auch immer das sein wird –, wollen wir gewappnet sein.

Wie lange kann man als mittelständisches Unternehmen in Zeiten wie diesen durchhalten?

Man muss natürlich adaptieren. Ich kann nicht sagen, ich ziehe jetzt mit der Mannschaft, die ich vor zwei Jahren aufgebaut habe, durch. Das funktioniert nicht. Man muss sich anpassen – auch an die Dauer dieser Phase. Reserven sind das eine, aber eigentlich will man nach vorne kommen und Wachstum generieren. Herausfordernd sind dabei die massiv gestiegenen Lohnkosten.

Wenn Sie könnten, wie Sie wollten: Was würden Sie tun?

Ich würde die Lohnnebenkosten senken und den Wirtschaftsstandort stärken. Die mittelständischen Unternehmen sind ja dafür verantwortlich, dass es bei uns Wohlstand gibt – und die müssen unterstützt werden. Ich bin kein Freund der Gießkanne. Es braucht individuelle Maßnahmen. Ein Beispiel: Wir produzieren am Hauptsitz in Abfaltersbach über ein eigenes Wasserkraftwerk, eine PV-Anlage und die Beteiligung an einem Biomasse-Heizwerk mehr Energie als verbraucht wird. Dadurch sind wir nicht von den Energiepreisen abhängig, sondern energieautark.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass sich etwas bewegt?

Da geht nichts. Da ist viel zu viel Hickhack und politisches Kalkül dahinter, als dass da etwas passieren würde. Auf der anderen Seite muss ich sagen: Der Standort Österreich hat auch seine Vorteile. Wir hatten in den letzten Jahren im Großen und Ganzen eine stabile Regierung. Rechtlich ist die Lage sauber. Arbeitsrechtlich bin ich im Vergleich zu Deutschland in einer wesentlich komfortableren Situation – sowohl für die Unternehmen als auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sind Standortfaktoren, die helfen.

Was heißt das für ein Unternehmen, wenn sich nichts tut?

Das heißt, wir erhöhen die Preise – und schlussendlich kommt das beim Endkunden an. Damit sind wir indirekt selbst wieder Inflationstreiber, weil wir die Preise anheben, um unsere Ergebnisse abzusichern. Dabei geht es gar nicht darum, übermäßige Gewinne zu erzielen, sondern schlicht um Ergebnisabsicherung.

Wir versuchen im Kleinen, unsere Dinge voranzutreiben. Wenn wir uns auf die Politik verlassen würden, wären wir verlassen

Andreas Kraler

Sorge bereitet auch die Produktivität im Land – Stichwort Teilzeitdebatte …

Wir als Unternehmen müssen dafür sorgen, dass es nach oben geht. Indem wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden, erklären, was notwendig ist – und dieses Miteinander fördern. Es reicht nicht mehr zu sagen: „Der andere muss es mir richten.“ Wir haben selbst viele Dinge in der Hand.

Wie viel Geduld haben Sie mit der Wirtschaftspolitik der Regierung?

Ich kann es ja nicht großartig ändern. Natürlich kann ich im stillen Kämmerlein schimpfen und versuchen, meine Kritik über die entsprechenden Vertreter einzubringen. Aber es gibt viele größere Unternehmen, die eine ganz andere Wirkung und Macht haben, etwas zu verändern. Wir versuchen im Kleinen, unsere Dinge voranzutreiben. Wenn wir uns auf die Politik verlassen würden, wären wir verlassen. In Deutschland habe ich zumindest den Eindruck, dass der Regierung bewusst ist, was sie tun muss, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Denn klar ist: Wenn es etwa der Bauindustrie nicht gut geht, haben wir langfristig ein volkswirtschaftliches Problem. Dafür sind einfach zu viele Menschen in der Bau- und Baunebenindustrie beschäftigt.

Qualität hat ihren Preis, heißt es. Wo ist da die Grenze – und wer zieht die?

Der Markt gibt die Grenze vor. Wenn es zu teuer ist oder die Qualität nicht mehr passt, reguliert sich das. Gleichzeitig hängt es vom Ansatz ab: Baue ich so, dass es nur die Gewährleistungsfrist überdauert? Dann brauche ich nichts vor das Fenster hängen. Aber wir wollen Produkte schaffen, die viele Jahre Nutzen bringen – nicht nur drei Jahre halten und dann ersetzt werden. Ein solches „Wegwerfgeschäft“ wäre am Kunden vorbei und nicht nachhaltig.

Sie sitzen nach wie vor in einem kleinen Ort. Warum?

Wir haben durch Zukäufe auch andere Standorte. Aber unser Headquarter in Abfaltersbach in Osttirol wollen wir nicht verlagern. Das ist unser Zentrum, unsere heile Welt. Wir sind am Standort etabliert und das einzige Unternehmen, das hier im Bezirk Lienz seinen Hauptsitz hat. Das verschafft uns am lokalen Arbeitsmarkt eine gewisse Alleinstellung.

Ein klares Bekenntnis zur Zuwanderung wäre ein Bekenntnis zum Standort Österreich

Andreas Kraler

Sie befürworten Zuwanderung. Wie viel Gegenwind bekommen Sie?

Es braucht gezielte Zuwanderung, aber mit voller Integration, vor allem über die Sprache. Ohne Sprache gelingt Integration nie. An unserem Standort in Osttirol hatten wir in Spitzenzeiten 30 Nationalitäten beschäftigt. Wir sind also durchaus offen. Aber in der Bevölkerung braucht es viel mehr Offenheit. Natürlich schaden Ereignisse wie Gewaltdelikte, weil sie die Vorurteile verstärken. Und dadurch bekommt das Thema viel Populismus.

Warum blicken Sie eher entspannt auf das Thema?

Weil ich es als den einzigen Weg sehe. Automatisierung hilft hier und da, aber nicht überall. Es fehlt die Ehrlichkeit im Umgang mit dem Thema. Der eine schiebt den Ball nach links, der andere nach rechts. Ein klares Bekenntnis zur Zuwanderung wäre ein Bekenntnis zum Standort Österreich. Vielleicht sind eh alle ganz dankbar, dass es der Wirtschaft nicht so gut geht – und dadurch nicht so viele Leute gebraucht werden.

Ihr Vater dreht täglich seine Runden durch den Betrieb. Wie finden Sie das?

Gut. Er ist die graue Eminenz – auf der einen Seite – und zugleich der Integrator schlechthin. Ich bin viel unterwegs, er kümmert sich um die internen Themen. Manchmal sind wir unterschiedlicher Meinung. Aber wenn wir das Zimmer verlassen, haben wir uns vorher immer geeinigt. Ich bin ein anderer Charaktertyp. Die Zeiten, als er das Unternehmen aufgebaut hat, waren andere. Heute holen wir viel mehr Meinungen ein, um eine breitere Akzeptanz zu haben.

Sie sagen, Hella war immer am stärksten, wenn die Zeiten turbulent waren. Wann zweifeln Sie?

Man denkt immer darüber nach, ob man alles richtig macht, die richtigen Entscheidungen trifft. Wenn alle Krisen gleichzeitig hereinbrechen – Kriege, Wirtschaftskrise –, dann fragt man sich: Wie geht sich das jetzt aus? Vor allem, weil man nicht abschätzen kann, wie lange es dauert. Wenn der Ausgang ungewiss ist, geht es darum, im Krisenmodus zusammenzuhalten. Wenn es eng wurde, haben wir im Zusammenhalt das Beste herausgeholt.

Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht?

Das ist eine Grundhaltung. Ich will Optimismus ausstrahlen – auch wenn nicht immer alles perfekt ist.

Was würde in einer Nachricht an die nächste Generation stehen?

Bleibt bodenständig, seid optimistisch und helft zusammen.

© Hella

Steckbrief

Andreas Kraler

Andreas Kraler wurde am 22. August 1974 in Lienz geboren. Nach der HTL für Maschinenbau und Betriebstechnik studierte er einige Semester internationale Betriebswirtschaft in Innsbruck, absolvierte eine Ausbildung zum systemischen Coach und einen MBA am IfM in Salzburg. Heute führt er das Familienunternehmen Hella, einen der führenden europäischen Anbieter von Sonnen- und Wetterschutzsystemen, als Geschäftsführer und Miteigentümer in dritter Generation. Abseits des Büros ist der Vater zweier Töchter begeisterter Skitourengeher, Mountainbiker und leidenschaftlicher Pilzesammler.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2025 erschienen.

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