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"Quantenforschung erweitert unsere Horizonte auf Arten und Weisen, die wir vor hundert Jahren nicht vorhersehen konnten und mit denen wir auch jetzt noch Schwierigkeiten haben. Aber wir glauben fest daran, dass sie ein Teil des Fortschritts ist", erklärte die theoretische Physikerin Loll, die die abschließende Diskussionsrunde zur Semesterfrage der Universität Wien "Wie verändert Quantenforschung unsere Wirklichkeit?" in Kooperation mit den "Science Talks" des Wissenschaftsministeriums (BMFWF) eröffnete. Anlass dafür war das 100-jährige Jubiläum der Quantenmechanik, wegen dem 2025 von den Vereinten Nationen zum "Jahr der Quantenforschung" ernannt wurde.
"Eine zentrale Erkenntnis des 20. Jahrhunderts ist, dass alle Physik Quantenphysik ist", sagte Loll weiter. Denn die mikroskopische sei nicht einfach eine Verkleinerung der makroskopischen Physik. Auf makroskopischem Niveau könne man beispielsweise das Verhalten von Billardkugeln beobachten. "Aber wenn wir uns etwa Atome ansehen, dann verhalten die sich nicht wie Billardkugeln, die zusammenstoßen, sondern nach anderen Gesetzen - den Quantengesetzen", erklärte Loll. Deren Prinzipien sind unserer Wahrnehmung nicht zugänglich, können aber durch Experimente untersucht werden.
Innerhalb der Forschung gebe es noch "eine entsetzliche Lücke", so Loll. Denn eine der vier fundamentalen Wechselwirkungen, die Gravitation, konnte mit den Gesetzen der Quantenphysik noch nicht in Einklang gebracht werden. Sie selbst forscht anhand von Computersimulationen an genau diesem Thema. In den letzten Jahrzehnten habe man enorme Fortschritte gemacht.
"Diese Computerexperimente sind ein wertvolles Substitut, da wir echte Experimente nicht bauen können", so Loll weiter. Sie ermöglichen das Ableiten von Konsequenzen ihrer Theorien. Um auf ihr beruhende, sehr schwache Signale und Effekte auch in der Realität zu finden, müsse sich die Theorie aber noch verbessern; dafür erhofft sich die Forscherin einen Zeitrahmen von 50 Jahren.
"Man könnte auch sagen, die Quantenphysik sagt nichts über die Wirklichkeit aus - das ist genau unser Problem", ergänzte Markus Aspelmeyer von der Universität Wien. "Der große Wurf, der Werner Heisenberg vor 100 Jahren gelungen ist, war es, nur noch über das, was er beobachten konnte, Aussagen zu machen und nicht darüber, wie die Natur ist." Innerhalb von drei Monaten sei die Quantenmechanik daraufhin ausformuliert gewesen. Dafür musste man das Konzept aufgeben, dass das Elektron um das Atom kreise.
"Das heißt, wir haben heute eine Theorie, die seit 100 Jahren super funktioniert, aber auf dem Grundprinzip beruht, keine Aussagen darüber zu machen, was genau unsere Messergebnisse produziert", so Aspelmeyer. Aus philosophischer Perspektive stelle das ein "völlig skurriles" Problem dar, das dementsprechend auch vonseiten der Geisteswissenschaften beleuchtet werden müsse.
Österreich habe sich als weltweit anerkanntes Zentrum der Quantenforschung etabliert. "Das liegt einerseits daran, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Visionäre hier gehabt zu haben und gleichzeitig den Mut, sie zu finanzieren", sagte Aspelmeyer. "Österreich hat so die moderne Quantenforschung maßgeblich geprägt. Gemessen an der Größe des Landes ist das einzigartig." Man habe mutig in Forscher wie etwa Anton Zeilinger investiert - das habe sich bezahlt gemacht.
Aktuell würden sich neue Chancen bieten: In den Vereinigten Staaten seien auch in den Naturwissenschaften Forschungsinstitutionen und ihr Personal von Budgetkürzungen betroffen. "Das stellt für Österreich, Europa und auch Kanada eine Möglichkeit dar, sich hervorzuheben", merkte Thomas Jennewein von der kanadischen Simon Fraser University in Vancouver an. Man müsse sich nun profilieren, um für diese hoch qualifizierten Forschenden attraktiv zu sein.
"Außerdem hat es die USA in der Vergangenheit geschafft, die besten Studenten aus allen Ländern anzuziehen. Für Europa und auch Österreich ist die jetzige Situation eine Möglichkeit, ganz klar zu sagen: Kommt zu uns und studiert bei - und mit - uns!", ergänzte Aspelmeyer.