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2nd Opinion: Wissen und Zweifeln

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Michael Fleischhacker

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Die Klage darüber, dass in Österreich eine zu große Wissenschaftsskepsis herrscht, geht ins Leere: Wo Wissenschaft in den politischen Aktivismus abgleitet, ist Skepsis höchst angebracht. An aktuellen Beispielen dafür mangelt es nicht.

Wissenschaftsskepsis ist spätestens seit der Corona-Pandemie einer der wichtigsten Kampfbegriffe in den großen gesellschaftlichen Debatten geworden. Wissenschaftsskepsis gilt als Ausweis ungenügender Bildung und als wichtiges Indiz für die Neigung zu Verschwörungstheorien. Wissenschaftsskeptiker haben nicht verstanden, dass die Maxime „follow the science“ das Gebot der Stunde und der Zug der Zeit ist. Wer sich wissenschaftlichen Erkenntnissen verweigert – oft wird verräterischerweise gesagt: Wer nicht an die Wissenschaft „glaubt“ – gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Demokratie und das Überleben des Planeten.

Die österreichische Akademie der Wissenschaften hat vor einiger Zeit eine Studie in Auftrag gegeben, in der untersucht werden sollte, warum die Wissenschaftsskepsis in Österreich stärker ausgeprägt ist als in anderen Ländern (dass das so sei, wurde als wissenschaftliche Erkenntnis vorausgesetzt). Wenn ich mich richtig erinnere, stellte man fest, dass das etwas mit der Homöopathie und wahrscheinlich auch mit der FPÖ zu tun hatte. Ich selbst glaube eher, dass die Hauptverantwortlichen für die Wissenschaftsskepsis aktivistische Wissenschafter sind, und deshalb halte ich eine verbreitete Wissenschaftsskepsis für ein Zeichen gesellschaftlicher Reife.

Wissenschaftsskepsis ist nicht gleich Wissenschaftsfeindlichkeit

Abgesehen von der fast banalen Tatsache, dass Skepsis der zentrale Modus Operandi der Wissenschaft und deshalb der Begriff Wissenschaftsskepsis als Synonym für Wissenschaftsfeindlichkeit eine kommunikative Fehlleistung erster Ordnung darstellt: Der Wahrheitsanspruch, der mit der Aufforderung, der Wissenschaft zu folgen, verbunden ist, kann am Ende nur von den exakten Natur­wissenschaften erhoben werden, nicht aber von den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Das bedeutet nicht, dass Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft oder Soziologie, so ärmlich viele ihrer Publikationen auch daherkommen, gar keine Wissenschaften wären, denn sie bedienen sich immerhin wissenschaftlicher Methoden, die ein gewisses Maß an Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit erlauben. Das gilt sogar für die Theologie, obwohl man mit der Tatsache, dass katholische und islamische Dogmatik an Universitäten unterrichtet werden, dauerhaft fremdeln kann.

Verbreitete Wissenschaftsskepsis ist ein Zeichen der gesellschaftlichen Reife

Michael FleischhackerNEWS-Kolumnist, Journalist und Moderator

Feststellen lässt sich jedenfalls, dass die Skepsis gegenüber sogenannten wissenschaftlichen Erkenntnissen immer stärker angebracht ist, je weiter sich die entsprechende Disziplin vom Mess- und Beweisbaren entfernt. Sie haben vielleicht noch einen lebhaften Eindruck von den Modellierungswissenschaftern, die uns während der Pandemie mit ihrem Hokuspokus beeindruckt haben, und auch das eine oder andere Klimamodell hat sich den Zweifel an seiner Wissenschaftlichkeit redlich verdient.

Es hat sich eingebürgert, dass die nicht ganz so wissenschaftlichen Wissenschaften ihr empirisches Defizit durch die Betonung des Normativen auszugleichen versuchen, durch die Behauptung dessen, was sein soll, kaschieren sie den Mangel an Informationen darüber, was ist. Das ist die Lücke, in die der wissenschaftliche Aktivismus mit großer Dynamik vorstößt, indem zum Beispiel hysterische Politologen mit der universitär verbrämten Autorität des Klimawissenschafters auftreten und erklären, dass man demnächst von Wien in höhergelegene Regionen wird ziehen müssen, weil man in der Stadt verbrennen wird.

Die Politisierung des wissenschaftlichen Agierens

Ein besonders interessanter Fall ist die Soziologie. Ihre Aufgabe ist die Beschreibung gesellschaftlicher Entwicklungen und die Erforschung ihrer Gründe, die empirische Sozialforschung arbeitet mit der mathematisch-statistischen Aufarbeitung von Selbstauskünften und sie hat sehr gute Methoden entwickelt, mögliche Fehlerquellen wie etwa erwünschtes Antwortverhalten zu eliminieren.

Zugleich ist die Soziologie eine der Disziplinen, in der sich die Politisierung des wissenschaftlichen Agierens und der Aktivismus besonders breit gemacht haben. Das Kunststück, alles und jeden, der nicht links ist, als rechtsextrem zu klassifizieren, haben Politikwissenschafter und Soziologen gemeinsam zuwege gebracht.

Das jüngste Beispiel, das dieser Tage in der Presse publiziert wurde, lässt besonders tief blicken: Die Internationale Gesellschaft für Soziologie (ISA) hat die Mitgliedschaft der Israelischen Gesellschaft für Soziologie ausgesetzt, weil sie das Agieren von Politik und Armee in Gaza nicht deutlich genug verurteilt habe. Mit den Iranern hat man kein Problem, und auch dass Marokko, der Veranstalter des nächsten Soziologischen Forums, darauf pocht, dass die teilnehmenden Gesellschaften „marokkanische Werte“ teilen, scheint niemanden zu verstören. Die österreichische Gesellschaft für Soziologie ist übrigens als Reaktion auf den Ausschluss Israels aus der ISA ausgetreten.

Es gibt zur Wissenschaft keine Alternative

Wie soll man da noch an die Wissenschaft glauben? Gar nicht. Aber wir sollten unbedingt an der Überzeugung festhalten, dass die Wissenschaft das wichtigste Instrument der Menschheit zur Erforschung ihrer Vergangenheit, zum Begreifen ihrer Gegenwart und zur Vorbereitung auf ihre Zukunft ist. Es gibt zur Wissenschaft keine Alternative – und zur Skepsis auch nicht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 32/25 erschienen

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