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APA: Sie sind im August vom OLG wegen übler Nachrede schuldig gesprochen worden, weil Sie in Ihrer "Standard"-Kolumne dem Bundeskriminalamt-Direktor Andreas Holzer im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum "Ibiza-Video" eine "rätselhafte Untätigkeit" und "folgenschwere Arbeitsverweigerung" attestiert hatten. Überlegen Sie sich seither jede Formulierung zweimal?
Florian Scheuba: Nein. Aber ein ehemaliger Staatsanwalt und jetziger Richter hat mich auf die möglichen Folgewirkungen dieses Urteils aufmerksam gemacht - nämlich, dass sich Beamte gegen jede Form der Kritik immunisieren könnten, indem sie Kritik mit der Unterstellung von Amtsmissbrauch gleichsetzen. Richter könnten demnach gegen Berufungen klagen. Das ist das Gefährliche an der Sache, das weit über die Frage von Satire und Nicht-Satire hinausgeht.
APA: Auf Ihre Arbeit hat das keinen Einfluss?
Scheuba: Nein, nein. Ein die Gegenseite unterstützender Anwalt hat ja in einem Hintergrundgespräch ganz offen gesagt, das Ziel der Klage ist es, "dem Scheuba das Maul zu stopfen". Dem füge ich mich nicht, denn dann wäre das Ziel erreicht. Dass gegen Satire geklagt wird, ist in Österreich noch relativ neu. Aber es ist eine bedenkliche Entwicklung. Ich bin ja nicht der Einzige. Malarina wurde von Egisto Ott geklagt, die "Tagespresse" von der FPÖ. Satiriker zu verklagen ist so, wie wenn man beim Besuch des Spiegelkabinetts im Wurstelprater den Spiegel wegen Bodyshaming verklagt. Ich habe jedenfalls nicht vor, mich davon einschüchtern zu lassen.
APA: In den USA werden inzwischen unliebsame Late-Night-Shows abgesetzt.
Scheuba: Dort wird Satire tatsächlich von ganz oben politisch bekämpft. Bei Trump bin ich mir nicht sicher, ob es nicht Konkurrenzdenken ist, um andere Comedians vom Markt zu verdrängen. (lacht) Man kann bei vielen seiner Aktionen ja den Verdacht haben, es handle sich um Satire. Bei seiner Ministerriege zum Beispiel hat er nicht einfach nur unfähige, korrupte, ihm treu ergebene Büttel ausgewählt, sondern sich die Mühe gemacht, die jeweils denkbar ungeeignetste Person zu finden. Das wirkt wie ein satirischer Ansatz.
APA: Realität als überspitzte Form der Satire?
Scheuba: Es gibt immer noch den Unterschied zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Komik. Aber ich glaube, dass man heute Satire öfter als solche kennzeichnen muss. Das war früher ein No-Go, weil man dem Publikum damit unterstellt hat, es sei zu blöd, um das selber zu checken.
APA: Sie machen seit Jahren eine Art investigatives Kabarett. Was ist Ihr Ziel?
Scheuba: Früher konnte man davon ausgehen, dass Dinge, die in der "Zeit im Bild" besprochen wurden, allgemein bekannt waren. Das ist nicht mehr der Fall. Außerdem passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass ich den Ehrgeiz habe, Leuten davon zu erzählen. Ich versuche, es satirisch aufzubereiten, um damit vielleicht mehr Menschen zu erreichen.
APA: Womit befassen Sie sich im neuen Programm?
Scheuba: Es geht um die Abendstimmung im Abendland, die gerade herrscht. Wir leben in einer Welt, wie ich sie so noch nie erlebt habe. Zukunftsaussichten werden von massiven Bedrohungen überlagert - der Krieg in Europa, die in den Autoritarismus kippenden USA, die Klimakatastrophe. Ich versuche darüber zu reflektieren, was das mit uns macht - und lande dann irgendwann beim Sinn des Lebens.
APA: Wenn die Krise eh überall ist, wer will sich das dann gegen Eintrittsgeld auch noch reinziehen?
Scheuba: Der Anspruch ist schon, dass ich mich darüber lustig mache und Aspekte heraushole, die lustig sind. Lachen ist ja auch eine Form von Notwehr. Ich versuche, Phänomene zu analysieren, in Rollen zu schlüpfen, Argumentationslinien zu hinterfragen. Ein Beispiel: Man sieht, dass der moralische gesellschaftliche Konsens, dass Lügen etwas Schlechtes ist, bröckelt. J.D. Vance hat offen im Wahlkampf gesagt: Wenn es darum geht, Geschichten zu kreieren, um in die Medien zu kommen, dann mache ich das. Ein Bekenntnis zur Lüge. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe, Lügen glaubwürdig erscheinen zu lassen, wenn man behauptet, dass Einwanderer Haustiere essen und Wirbelstürme von der Regierung gemacht werden. Die Message ist: Es gibt die Wahrheit nicht, sondern nur Meinungen. Die einen sagen so, die anderen so, wir wissen es auch nicht genau. Wir brauchen die Wahrheit nicht mehr, es gibt nur mehr Meinungen.
APA: Bieten Sie auch Lösungsansätze?
Scheuba: Das ist vielleicht eine naive Botschaft, aber ich glaube, dass ein Nachdenken über den Sinn des Lebens helfen kann, wieder konstruktiv und positiv an unserer Welt zu arbeiten. Ich glaube auch, dass wir es inzwischen nicht mehr mit Populismus zu tun haben, sondern mit einem Sado-Populismus. Der Populismus hat gesagt: "Freibier für alle." Der Sado-Populismus sagt: "Kein Bier für die anderen." Das verfängt bei vielen Menschen. Laut Studien ist ein wesentlicher gemeinsamer Nenner von Wählerinnen und Wählern, die darauf reinkippen, ein Sinnlosigkeitsgefühl. Es sind Menschen, die keinen Sinn in ihrem Leben sehen, und Empörung oder Wut als Sinnersatz nehmen.
APA: Stellen Sie sich als Aufklärer gerade in Zeiten wie diesen nicht auch manchmal die Sinnfrage?
Scheuba: Natürlich. Die Illusion, dass man durch ein Kabarettprogramm die Welt verbessert, habe ich nicht. Und oft heißt es auch, man erreicht nur die Leute, die eh schon derselben Meinung sind. Mag sein, aber das ist ja auch schon was Sinnvolles. Zu wissen, es gibt auch noch andere Leute, die ihre sieben Zwetschken noch beieinander haben, kann wieder Mut machen.
APA: Sie arbeiten viel im Team. "Schönen guten Abend" ist erst Ihr drittes Solo - erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Sie seit gut 40 Jahren auf der Bühne stehen. Spielen Sie gar nicht so gern allein?
Scheuba: Das hat sich so ergeben. Ich habe es beim ersten Programm einmal ausprobiert, das war nett und fein und ich hab mir gedacht, das kann eine weitere Facette meiner Arbeit werden. Zuletzt hatte ich dann wieder mehrere Projekte gemeinsam mit Kollegen. Ich fühle mich da sehr privilegiert, weil ich mit Leuten zusammenarbeiten darf, mit denen es viel Spaß macht. Aber jetzt dachte ich mir, es könnte wieder mal an der Zeit sein, ein Solo zu machen.
APA: Und wie geht es den "Staatskünstlern"?
Scheuba: Wir machen wieder einen Jahresrückblick, da sind wir schon brav am Sammeln. Vielleicht kommt auch ein neues Programm.
APA: Der ORF hat noch nicht angeklopft für ein "Staatskünstler"-Comeback?
Scheuba: Nein. Dort heißt es immer: "Leider, kein Geld!"
(Das Gespräch führte Thomas Rieder/APA)
(S E R V I C E - "Schönen guten Abend" von und mit Florian Scheuba, Premiere: 11. November, 19.30 Uhr, Stadtsaal Wien; https://www.florianscheuba.com/)
Florian Scheuba anlässlich eines Interviews mit der APA - Austria Presse Agentur am Freitag, 17. Oktober 2025, in Wien.






