von
Innerhalb von zehn Tagen hat Jude mit einem iPhone die Geschichte über eine Gerichtsvollzieherin abgedreht, die nach einem Suizidfall in die Sinnkrise gerät. Bei der Berlinale holte sich die Gesellschaftskritik immerhin den Silbernen Bären für das beste Drehbuch 2025.
Als die von Eszter Tompa gespielte Orsolya einen Obdachlosen aus einem Gebäude ausweisen muss, das einem Hotel weichen soll, wählt dieser den Selbstmord. Rechtlich gesehen trägt die Gerichtsvollzieherin keine Schuld - die Gewissensbisse bleiben aber. Rund eineinhalb Stunden irrt Orsolya durch den Alltag, findet in platten Gesprächen aber oft eher Apathie als die gewünschte Sinnfindung.
Ein klassischer Schenkelklopfer ist "Kontinental '25" jedenfalls nicht. Vielmehr zeigt der Film die Absurditäten im Tratsch über aktuelle Themen wie Ukraine-Krieg und Politikverdrossenheit auf, sei es bei der Arbeit, während des Feierabends oder zu Hause mit der Familie. Mitleid mit den Obdachlosen hat man schon, spendet an Hilfsorganisationen, aber die Betroffenen will man dann doch lieber nicht im Blick haben.
Die transsilvanische Hauptstadt Cluj hält auch als Schauplatz für einen brodelnden Nationalismus her. Orsolya bekommt das durch ihre ungarischen Wurzeln zu spüren, wobei sich die Feindseligkeiten auch umgekehrt gegen die Rumänen entladen. Diejenigen, die es gut mit ihr meinen, entschuldigen sich wiederum dafür, dass der Balkanstaat nach dem Ersten Weltkrieg Siebenbürgen übernommen hat. Lösungsansätze für seine Beobachtungen liefert Jude dabei allerdings nicht. Es bleibt bei einer reinen Bestandsaufnahme.
Für potenzielle Lacher sorgt allenfalls die schroffe Attitüde, die am Schauplatz womöglich gängiger ist als hierzulande. Etwa wenn die Orban-vernarrte Mutter mit wüsten Beleidigungen das Kind aus dem Haus jagt oder sich ein Priester Mikroaggressionen nicht verkneifen kann.
Eszter Tompa spielt die Verzweiflung der Beamtin auf ganz natürliche Art. Auch die meisten Nebendarsteller, zu großen Teilen derselbe Cast aus Judes "Dracula", der wie "Kontinental '25" vor dem Kinostart bei der heurigen Viennale zu sehen ist, vermitteln die Rauheit und trockenen Pointen durchaus mit einer glaubhaften Gelassenheit. Zumal entstehen durch die statischen Aufnahmen des iPhones eine Intimität und Nahbarkeit, die Gespräche wirken nicht wie typische Filmdialoge. Zwischen den Szenen schwelgt der Film dann mehrfach in starren Stadtaufnahmen. Ob die gelegentlichen Rekalibrierungen der Kamera zum Konzept gehören, sei dahingestellt.
(Von Klaus Kainz/APA)
(S E R V I C E - www.filmgarten.at/kontinental)
BUKAREST - RUMÄNIEN: FOTO: APA/APA/Filmgarten






