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Gendermedizin verstehen: Wie geschlechtersensible Diagnostik und Therapie Ihr Leben verlängern – Insights von Prof. Dr. Alexandra Kautzky‑Willer

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4 min
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©Foto von Chermiti Mohamed auf Unsplash

Erfahren Sie, warum Frauen und Männer unterschiedliche Symptome und Risiken haben, wie moderne Gendermedizin die personalisierte Behandlung vorantreibt und welche Präventions­strategien Ihre Gesundheit nachhaltig schützen.

Stand 2025 sind 50,3 Prozent der Weltbevölkerung männlich und 49,7 Prozent weiblich. Und doch gilt der männliche Organismus vielfach noch immer als Prototyp für Diagnosen, Therapieformen und Medikamententests. Die Folge: Risiken und Nebenwirkungen, die bei Frauen unerkannt bleiben, Fehldiagnosen, die Leben kosten können. Dr. Alexandra Kautzky‑Willer, seit 2010 Österreichs erste Professorin für Gendermedizin, erforscht, wie biologische und psychosoziale Unterschiede das Gesundheits­bewusstsein sowie Entstehung und Wahrnehmung von Krankheiten beeinflussen.

Ernährung, Bewegung, Umweltfaktoren und Lebensstil wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich. Diese Differenzen betreffen nicht nur die Krankheits­entstehung, sondern auch Diagnose und Therapie. Gendermedizin bildet damit die Brücke zur personalisierten Medizin der Zukunft.

Für viele Menschen ist der Begriff Gendermedizin noch neu – warum ist es wichtig, geschlechts­bezogene Unterschiede in der Medizin zu berücksichtigen?

Dr. Alexandra Kautzky‑Willer: Gendermedizin untersucht Unterschiede und Gemeinsamkeiten aller Geschlechter in Bezug auf Gesunderhaltung, Krankheits­entstehung, Behandlung und Folgen. Diese Unterschiede beginnen in der Zellforschung und reichen über Tiermodelle bis hin zu Symptomen beim Menschen. Beispielsweise äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen häufiger durch Übelkeit, Erbrechen, Oberbauch‑ oder Kieferschmerzen, während Männer eher den klassischen Brustschmerz verspüren. Auch die Ursachen variieren: bei Männern sind häufig große Arterien verschlossen, bei Frauen oft feinere Gefäßstrukturen oder krampfartige Verengungen betroffen. Solche Erkenntnisse erfordern angepasste Diagnostik und Prävention – etwa eine frühere Kontrolle von Risikofaktoren wie Diabetes, Cholesterin und Blutdruck.

Was können Sie aus Ihrem Fachgebiet, der Diabetesforschung, an konkreten geschlechts­spezifischen Unterschieden berichten?

Frauen weisen häufiger eine gestörte Glukose­toleranz auf, daher ist der Zucker­belastungs­test für sie besonders wichtig. Ergänzend sollte regelmäßig der HbA1c‑Wert kontrolliert werden, um frühzeitig ein erhöhtes Diabetes­risiko zu erkennen. Frauen mit Diabetes tragen zudem ein höheres Risiko für Folge­erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt als Männer. Deshalb braucht es konsequentes Risiko­management und individuelle Präventionspläne.

Welche Fortschritte wurden durch gendermedizinische Forschung bereits erzielt?

Ein Beispiel ist die Darmkrebs­vorsorge: Bei Männern wurde das Screening­alter auf 45 Jahre gesenkt, weil Tumoren dort früher auftreten als bei Frauen. In der Kardiologie helfen geschlechts­spezifische Risiko­faktoren, Herzinfarkte schneller zu erkennen und gezielter zu behandeln.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gendermedizin – in Österreich und weltweit?

Mehr Investitionen in Forschung, eine geschlechts­sensible Arzneimittel­entwicklung mit Hinweisen zu Unterschieden direkt im Beipackzettel sowie gesellschafts­politische Unterstützung, damit Gleich­behandlung in Prävention und Therapie allen zugutekommt.

Steiermark

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