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Spitzentöne: Kürzungen im Kulturbereich mit dem Mähdrescher – ein Irrweg für Wien

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Aktualisiert
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8 min
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Heinz Sichrovsky

Es wird ernst mit dem Sparen am Kulturbudget: Wiens Stadträtin kündigt „radikale Schritte“ an. Details sind unbekannt, aber was man ahnen soll, beunruhigt: Freunde müssen nichts hergeben, dafür sollen kleine Biotope abgeweidet werden. Reformbedarf besteht bei den Vereinigten Bühnen.

Man bereite „radikale Schritte“ vor, lässt die Wiener Kulturstadträtin Kaup-Hasler vorsorglich via „Kurier“ wissen. Näheres weiß man nicht. Aber dass die Subventionskürzung angeblich Kleine wie Große in Ausmaßen von bis zu 25 Prozent trifft, macht sich bereits als qualifizierte Befürchtung auf den Weg durch die Kulturinstitute.

Eine solche Radikalisierung vom Rasenmäher- auf den Mähdrescherbetrieb erscheint allerdings unvorstellbar. Nimmt man etwa einem kleinen Theaterbetrieb noch etwas weg, so kann er sich nur auflösen. Die Vorbereitungen dafür laufen seit Langem: Unter politischen Drohgebärden wurde selbst Kleinstbetrieben das praxisferne „Fair Pay“-Prinzip aufgenötigt.

Unqualifizierte nach Wien zu locken und dann den Nachfolgern das Geld zum Wiederaufbau zu kürzen, wäre dreist

Es gibt aber auch Theatermenschen, die lieber unter prekären Umständen tun wollen, was ihr Leben ist. Statt mit einer fairen, aber unfinanzierbaren Gage als Bemessungsgrundlage beim AMS vorzusprechen. Um solche Fälle zu minimieren, hat die Kulturstadträtin Botmäßigen damals Subventionserhöhungen und Arbeitsstipendien versprochen. Auf erstgenannte bin ich aufrichtig gespannt. Und erst die Stipendien! Die würden jetzt „mit Blick auf die Sparmaßnahmen angepasst“, lese ich.

Verdorrt das Biotop?

Ebenso eng wird es, wie zwischen den Zeilen zu lesen, für die Mittelbühnen. Genau dort, wo die Schnittstelle zwischen der alternativen und der etablierten Szene verläuft, werden „Fusionen“ angedroht. Dabei durfte sich aus genau diesem Biotop zu Zeiten couragierter und visionärer Kulturpolitiker das Neue entwickeln: Emmy Werner, Michael Schottenberg, selbst der Gigant George Tabori haben sich aus kleinen und mittleren Strukturen die Welt erschlossen.

Heute hingegen lockt man aus provinzlerischer Panik, es sich mit publikumsfernen „Theater heute“-Blasen zu verderben, lieber auswärtige B-Ligisten wie den kürzlich abgelösten Volkstheaterdirektor Voges ins Verderben.

Da kommen wir schon ans nächste Thema. Voges’ Nachfolger Jan Philipp Gloger erfreut zum Einstand mit zwei ansprechenden Produktionen: Die Eröffnungspremiere mit Werken Jura Soyfers ist uneingeschränkt, die gelobte Haneke-Dramatisierung „Caché“ wegen der starken Besetzung zu empfehlen.

Die Kosten des blamablen Song Contests belaufen sich auf etwa das Doppelte der Jahressubvention des Volkstheaters

Aber der Blick auf die theatereigenen Saalpläne bleibt beunruhigend. Kein Wunder: Ein Haus leerzuspielen, ist einfach, der Wiederaufbau ein Himmelfahrtskommando. Und leergespielt war das Haus, trotz gegenteiliger Versicherungen: Der angeblich wundersame Publikumszuspruch im letzten Moment hat u. a. damit zu tun, dass zum Finale Karten über viele Wochen fast verschenkt wurden. Und die bejubelten 1.000 Abos nach mehrjähriger Entwicklung Richtung Unkenntlichkeit? Die Josefstadt ist desperat, weil sie diesbezüglich wegen Corona von 18.000 auf 14.000 gesunken ist.

Erst gegen qualifizierte ortsansässige Bewerber einen Ungeeigneten nach Wien zu überreden und jetzt dem Nachfolger, der das Debakel in Schach halten soll, das Geld wegzunehmen: Das wäre dreist. Noch dreister das stadträtliche Ansinnen, weniger zu produzieren: Wenn man zögernd angenommene Produktionen auch noch vor leerem Haus in Serie spielen soll, ist Zusperren an drei bis vier Wochentagen die menschlichere Alternative.

Aber nicht die Festwochen

Wobei, halt!, der Mähdrescher um mindestens eine Institution einen Bogen machen wird: „Bei den Festwochen wird nicht gespart!“ Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich gönne Milo Rau und seiner wilden Partie teils sehr reifer Jugendlicher herzlich ihr Geld. Auch sie mussten ja eine kapitale politische Fehlentscheidung in Schach halten: Der belgische Vorgänger-Intendant Slagmuylder hatte das einst wegweisende Klassik-Festival zum todmatten Tourneebetrieb abgespielter Avantgarde sediert.

Rau hält erfolgreich dagegen: Ein jüngeres Publikum wird man maximal beim Urania-Kasperl antreffen. Und obwohl das verfeinerte Klassikpublikum keineswegs wiedergekommen ist, sind die Veranstaltungen gut besucht. Wobei ich (als Sympathisant fast tonlos) hinzufüge, dass ich auf das eine oder andere Prozent des Gezeigten verzichten könnte. Denn das Programm setzt sich aus teils brillantem, teils aufdringlichem Agitprop zusammen.

Und die Vereinigten Bühnen!

Ja, und die Vereinigten Bühnen Wien (VBW), unter deren Obhut Theater an der Wien, Raimundtheater und Ronacher stehen! „Da wird etwas kommen müssen“, sagt die Stadträtin. Das Problem ist, dass sie sich hier maximal etwas wünschen darf, denn das Bühnenkonstrukt untersteht der Holding und die dem Finanzressort. Das Theater an der Wien als weltrenommiertes Opernhaus gedieh unter der Obhut des kunstsinnigen Peter Hanke (ein Glück, sonst führte dort womöglich schon ein Slagmuylder-Imitator das Kommando). Jetzt muss Barbara Novak konsequent auf ihrer Zuständigkeit bestehen und sich gut beraten lassen.

Das Theater an der Wien ist in Ruhe zu lassen, alles andere zöge scharfe Proteste nach sich. Aber die beiden zu kleinen Musical-Häuser, befüllt mit Material Modell Stadthalle Herne: Die werden überflüssig, wenn 2027 im Prater eine Musical-Abfüllstation für 1.700 Besucher öffnet. Die beiden Traditionshäuser haben Besseres verdient: Wien braucht einen Ort für die in Mörbisch und Baden niedergesäbelte Operette. Erstklassige Gastspiele aus dem Theater- und Opernbereich, die von den Festwochen nicht mehr angeboten werden, suchen ein Quartier. Ebenso anarchische Unterhaltung mit Handschrift wie einst in Kathrin Zechners Intendanz. Heute wäre da die Führung des Rabenhofs anzufragen. Alles unter einer frischen, ideenflinken Geschäftsführung, versteht sich.

PS.: Die Kosten des blamablen Song Contests belaufen sich übrigens auf etwa das Doppelte der Jahressubvention des Volkstheaters.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2025 erschienen.

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