„Wir sind in einem hypernervösen Zeitalter“, sag der renommierte Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Im News-Interview spricht er über Angst als politische Währung – und über Europas Versagen, Hoffnung zu stiften.
Herr Rathkolb, wir leben in Zeiten multipler Krisen – Klimawandel, Krieg, Inflation. Sie sprechen von einer „Ökonomie der Angst“. Sind wir Gefangene unserer Ängste?
Absolut. Das ist verständlich, weil viele Änderungen gleichzeitig und mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit auf uns alle einprasseln. Man merkt das nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Politik. Politikerinnen und Politiker sind ebenfalls überfordert. Früher gab es ganz andere Rahmenbedingungen. Dinge waren deutlicher vorhersehbar, man konnte sich darauf einstellen.
Seit dem Ende des Kalten Kriegs 1989/90/91 gibt es laufend unerwartete Entwicklungen, die in der Gegenwart schließlich zum Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine geführt haben. Gleichzeitig gibt es Langzeittrends wie China, das zum ersten Mal in seiner viele tausendjährigen Geschichte beginnt, ein globales Wirtschaftsimperium aufzubauen. Das ist ein völlig neues historisches Phänomen. Und die USA entwickeln sich von einer Vorzeigedemokratie hin zu einem autoritären Staat, einer Art Präsidentendiktatur.
Wann haben Sie selbst zuletzt gespürt, dass Angst Ihr Denken oder Handeln bestimmt?
Das war für mich 2015, im Rahmen der Flüchtlingsbewegung: Wie gelingt es uns, diesen Prozess zu kontrollieren, ohne dass die Gesellschaften destabilisiert werden? Heute wird Angela Merkel dafür verteufelt, aber rückblickend muss ich sagen: Ohne ihre Politik ist mir schleierhaft, wie die Geschichte ausgegangen wäre. Jetzt wird alles auf ihren Schultern abgeladen.
Dabei hat sie letztlich nur versucht, das zu tun, was viele erwartet haben – und was eigentlich auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Verträgen vorsehen. Aber die europäische Solidarität hat damals überhaupt nicht funktioniert. Angefangen bei Ungarn, aber letztlich hat es alle EU-Mitgliedstaaten betroffen. Da hatte ich zum ersten Mal Angst. Das zweite Mal war bei der Krim-Annexion durch Putin.
Hängt das auch damit zusammen, dass Sie als Historiker ja sowieso schon ganz anders auf das Weltgeschehen blicken?
Ja und nein. Natürlich ist es Teil des Jobs. Ich bin geprägt durch die Jahre zwischen 1984 und 1990, als ich für Bruno Kreisky als sein wissenschaftlicher Berater gearbeitet habe. Da bin ich in die internationale Politik hineingeschlittert. Für mich ist zum Beispiel der Globale Süden heute noch mehr als in den 1970er-Jahren zu Kreiskys Zeiten ein globaler Player. Das ist etwas, was die Europäische Union bis heute weitgehend ignoriert. Indien trägt gemeinsam mit China letzten Endes dazu bei, dass der Krieg in der Ukraine aufrechterhalten wird.
Es ist ein Versäumnis europäischer und amerikanischer Entscheidungsträger, nicht stärker versucht zu haben, den Globalen Süden in den Westen zu integrieren – um bei Konflikten einen Allianzpartner zu haben. Man sieht das etwa auch in der Einschätzung des Kriegs Israel–Gaza. Der Globale Süden hat eine völlig andere Perspektive – quantitativ und qualitativ, also mit Blick auf Ökonomie, Militär, Stimmgewicht in den Vereinten Nationen. Momentan wird er vor allem von China in einer Art und Weise umgarnt, bei der man sagen muss: So ein europäischer Henry Kissinger wäre schon ganz gut.
Sie vergleichen unsere Gegenwart mit dem „nervösen Zeitalter“ vor 1914. Was macht die Parallele so zwingend?
Ich nehme das Beispiel meines Großvaters und Urgroßvaters. Diese Generationen – ich bin Jahrgang 1955 – haben eine technologische Entwicklung erfahren, die so rasant und so tiefgreifend war wie nie zuvor in unserer Familiengeschichte. Das waren Kleinhäusler aus der Oststeiermark, eine der ärmsten Gegenden Österreichs. Und selbst dort begann die erste Turbo-Globalisierung zu greifen.
Es gab unglaubliche Möglichkeiten, aber auch totale Verwerfungen: industrielle Revolution, Ausbeutung, Kinderarbeit. Aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigen sich langsam mit Gewerkschaften und Arbeiterbewegung erste Ansätze sozialer Absicherung. Also alle Möglichkeiten für ein friedvolles, ökonomisch stabiles, neues 20. Jahrhundert. Und was geschieht? Die Entscheidung für einen völlig verrückten Krieg.


Das Buch
Radikalisierung, Autoritarismus, Kriegstreiberei: Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb zeigt in „Ökonomie der Angst“, wie Globalisierungsschübe einst wie heute Gesellschaften überfordern. Steht uns ein neues autoritäres Zeitalter bevor?
Molden Verlag, € 33,–
Warum?
Ich führe das auf die totale Überforderung durch diese rasanten technologischen, ökonomischen und sozialen Entwicklungen zurück. Oder ein Beispiel aus der Literatur – Kafka: ein sensibler Mensch, innerlich zerrissen von den Entwicklungen in seinem Umfeld. Deshalb versuchte er immer wieder, das Tempo herauszunehmen, um mit diesem nervösen Zeitalter fertig zu werden. Und jetzt sind wir in einem hypernervösen Zeitalter. Alles geht noch viel schneller durch die digitale Revolution. Gleichzeitig ist es eine Zeit, in der man nicht mehr die Ruhe findet, zwei Schritte zurückzugehen, klar zu analysieren und dann entsprechend zu handeln. Deswegen spreche ich von der Rückkehr des „nervösen Zeitalters“.
Sie zeigen, wie Angst historisch immer wieder als politisches Steuerungsinstrument eingesetzt wurde. Wer sind die Hauptakteure heute?
Die sozialen Medien mit ihren Algorithmen, die mit Angry Clicks funktionieren. Also je sensationeller, je negativer eine Nachricht ist, desto sicherer kann man sein, dass sie angeklickt wird. Innerhalb kürzester Zeit verbreitet sich alles, was die Angst befeuert. Das hatten wir auch im 19. Jahrhundert mit diversen Heften, die Verschwörungstheorien verbreitet haben. Selbst ein Genie wie Richard Wagner ist da voll hineingetappt und hat seinen Antisemitismus in einer Broschüre festgeschrieben.
Die zweite Ebene ist, dass durch die digitale Revolution und die Turbo-Globalisierung die Gesellschaft noch mehr gespalten ist als vorher. Man sieht das sehr deutlich in den USA, wenn Sie aus den großen Zentren hinausfahren. Das ist eine völlig andere Welt. Dort haben die Menschen berechtigte Zukunftsängste. Diese Ängste hat Donald Trump sehr geschickt für sich nutzbar gemacht. Auf der einen Seite sendet er einen zentralen, typisch amerikanischen Code aus – Make America Great Again. Gleichzeitig schürt er permanent Ängste, Hass und Aggression. Es gelingt ihm, Menschen sehr geschickt zu manipulieren – und letzten Endes auch die Medien. Kein amerikanischer Präsident zuvor hatte die absolute Medienhoheit durch soziale Medien.
Er ist nicht der Einzige, der Angst als Steuerungsinstrument nutzt …
Nein. Putin macht das ebenfalls sehr geschickt. Auch Russland soll wieder die verdiente Größe erlangen. Er schürt Ängste in der russischen Gesellschaft – vor dem Westen, vor der NATO, vor den USA. Auch wir haben noch immer die Vorstellung der Super-Atommacht aus dem Kalten Krieg. Ich sage es bewusst provokant: Russland ist ökonomisch eine Mittelmacht, die Atomwaffen besitzt.
Wir sind in einer Spar-, Einschränkungs- und Angstsprache gefangen
In Österreich arbeitet die FPÖ ganz offensichtlich mit Ängsten. Die anderen auch?
Jein. Die anderen haben den Nachteil, dass sie immer nur reagieren: auf Ängste, Migration, Inflation, statt proaktiv Politik zu machen. Es fehlt ihnen – und das ist die Stärke von Trump – eine positive Grunderzählung. Das war zum Beispiel beim EU-Beitritt perfekt gelungen, obwohl der Beitritt Österreichs keine ausgemachte Sache war. Trotzdem hat es funktioniert, weil die Regierung Vranitzky, Busek, Mock imstande war, eine positive Zukunftserzählung zu präsentieren.
Derzeit gibt es keine solche Erzählung. Es gibt das Budgetdefizit. Aber keine Art Wiederaufbauerzählung. Die ökonomische Situation zwischen 1945 und 1953 in Österreich war um ein Vielfaches schlechter als heute. Das Budgetdefizit von heute ist nichts im Vergleich: Die Republik war 1945 bankrott. Trotzdem ist es gelungen, aus dem Nichts eine positive Aufbaustimmung zu schaffen. Natürlich war das viel Symbolpolitik und anfangs wenig Substanz.
Das fehlt heute völlig. Ein bisschen weniger Aufregung wäre heute angebracht. Auch eine Budgetsanierung könnte man anders kommunizieren. Stattdessen sind wir in dieser Spar-, Einschränkungs- und Angstsprache gefangen. Und natürlich blasen die Oppositionsparteien, vor allem die FPÖ, in genau dieses Horn.
Aber ist Angst nicht generell zur Ware geworden? Versicherungen arbeiten ja auch mit unseren Ängsten, dass wir uns möglichst absichern in allen Eventualitäten.
Wir sind – und da haben Sie ein gutes Beispiel – in einer Zeit, in der wir uns eigentlich gegen alles absichern wollen. Gleichzeitig sind wir aber mit einer unglaublichen Turbo-Globalisierung konfrontiert, bei der wir noch gar nicht wissen, wo das mit KI und anderen Entwicklungen enden wird. Wir wollen das in den Griff bekommen, können es aber nicht.
Dadurch entsteht oft noch mehr Angst, als vielleicht berechtigt wäre. Angst potenziert sich auch durch das Sicherheitsdenken, das wir aus vielen Jahrzehnten von Wachstum, Einkommenszuwächsen etc. gewohnt sind. Unser altes Sicherheitsdenken funktioniert nicht mehr. Aber wir haben noch keine neue Alternative, weil es keine positive Zukunftserzählung gibt.
Sie schreiben, dass autoritäre Botschaften in Zeiten der Überforderung besonders verfänglich sind. Was macht Demokratien so anfällig?
Ich zitiere mehrfach in dem Buch einen leider schon verstorbenen bedeutenden deutschen Soziologen und Politiker: Ralf Dahrendorf. Er hat schon in den 1990er-Jahren klargemacht: Wenn es uns nicht gelingt, dieses soziale Sicherheitsnetz, das in ganz Europa den Wiederaufbau nach 1945 geprägt hat, aufrechtzuerhalten, dann wenden sich die Menschen autoritären Regimen zu. Rückblickend muss man sagen: Er hat völlig recht. Wir sehen das in den USA, in Russland, bei Orbán oder beim PiS-Regime in Polen. Das läuft immer über ein soziales Angebot: „Wir fangen euch auf in dieser unsicheren Zeit.“ Die Menschen nehmen dieses Angebot dann an und fragen nicht viel.
Ich komme aus der ehemaligen DDR, ich war 17, als die Mauer gefallen ist. Angst war im Herbst 1989 sehr präsent. Und trotzdem haben wir diese Angst genutzt, um am Ende Weltgeschichte zu schreiben.
Diese friedliche Transformation – mit Ausnahme von Rumänien und einigen baltischen Staaten – hat praktisch niemand vorhergesehen. Wenn einmal so eine gesellschaftliche Kippbewegung erreicht wird, wie Sie sie beschrieben haben, dann gibt es kein Halten mehr. Niemand hätte vorausgesagt, dass es so kurz nach dem Ende des Kalten Kriegs zur deutschen Einheit kommen würde – obwohl England dagegen war, obwohl Frankreich dagegen war.
Das war unvorstellbar, gerade vor dem Hintergrund des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Insofern würde ich sagen: Es besteht Hoffnung. Heute ist es ähnlich. Wir sind so sehr in unserer Angstsituation gefangen, dass wir keinen Weg hinaus sehen. Ich gestehe: Ich habe auch keinen. Ich kann nur einen Befund machen: ein bisschen Angst herausnehmen, mehr nachdenken, keine irrationalen Entscheidungen treffen. Und vor allem, was die Europäische Union betrifft: endlich erkennen, dass wir im 21. Jahrhundert angekommen sind.
Das heißt?
Für Europa bedeutet das: Der Nahe Osten und Afrika sind Europa. Wir müssen uns aktiv mit diesem Raum auseinandersetzen. Wir müssen uns aktiv mit dem Globalen Süden beschäftigen, was wir derzeit nicht tun. Es gäbe Alternativen. Aber wir sind in diesem Angst-Irrgarten so gefangen, dass wir den Weg nicht finden – obwohl die Brotkrümel eigentlich längst am Boden liegen.
Orbán, Trump, Putin, Xi – unterschiedliche Systeme, aber alle arbeiten mit Angst. Gibt es ein „gemeinsames Drehbuch“ der Angstpolitik?
Ein indirektes Drehbuch. Beispiel China. Es ist eine unausgesprochene Angst, mit der eigenen Zukunft fertig zu werden. China kennt seine Statistiken sehr genau. Sie wissen, was auf sie zukommt: durch die Ein-Kind-Politik, durch die Immobilienblase, von der man nur hoffen kann, dass sie nicht explodiert, weil das auch weltweit Konsequenzen hätte.
Angst wird zur Klick-Währung, haben Sie vorhin gesagt. Wie gelingt es Medien, aus diesem Mechanismus der Angstbespielung auszusteigen?
Natürlich ist der Journalismus als vierte Gewalt dazu verpflichtet, die Regierenden kritisch zu prüfen, zu hinterfragen, zu kontrollieren, Missbrauch aufzudecken. Was mir aber fehlt, sind die positiven Geschichten. In der Nachkriegspresse nach 1945 war in Österreich beides möglich – spannende Aufbaugeschichten und Korruptionsbekämpfung.
Es braucht auch ein bisschen mehr Contenance. Ein Beispiel, bei dem ich selbst nicht weiß, wie es ausgeht: die Drohnen in Dänemark. Natürlich kann es sein, dass der russische Geheimdienst dahintersteckt. Es kann aber genauso gut sein, dass es irgendwelche Verrückten waren. Trotzdem heißt es sofort: NATO-Sondersitzung, Russland greift den NATO-Partner Dänemark an, mitten in Europa. Wir schwanken von einem Extrem ins andere. Beispiel: Künstliche Intelligenz (KI). Ich selbst habe ein KI-operiertes Stahlknie – und das ist ein Traum. Der Roboter hat anhand von Röntgenbildern ein 3D-Modell erstellt und das bestehende Knie nachgebildet. Er hat dem Operateur quasi die Hand geführt. Das Ergebnis ist eine präzise Passform.
Sie beschreiben, wie Kunst und Literatur im ersten „nervösen Zeitalter“ – Stichwort Kafka – Angst verarbeitet und gespiegelt haben. Wer sind die kulturellen Seismografen von heute?
Gute Frage. Die Frage ist, ob das überhaupt die Aufgabe der Literatur ist. Ich glaube, es ist primär Aufgabe der Politik, aber auch der Gesellschaft, in dieser hypernervösen zweiten Turbo-Globalisierung positive, grundlegende Botschaften auszusenden – und sie dann auch einzuhalten. Also weg mit dieser ganzen Marketing- und Politikstrategie. Oder – wie bei Kurz – totale Kontrolle. Das ist nicht gut. Menschen wollen Politiker mit Ecken und Kanten. Sie wollen Botschaften und Ergebnisse. Momentan funktioniert das nicht – und zwar nicht nur in Österreich, sondern genauso in Deutschland. Die neue Regierung in Deutschland hat das größte Investitionsprojekt ihrer Geschichte geschnürt und ist nicht in der Lage, es rüberzubringen.
Die Europäische Union kann trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bis heute nicht global agieren und denken
Sie plädieren für Bildung, Erinnerungskultur und offene Debatten als Gegenmittel gegen Angstdenken. Aber sind das nicht sehr langsame Instrumente gegen ein sehr schnell wachsendes Problem?
Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass ihre Ängste von der Politik ernst genommen werden und sie bekommen etwas, dann beginnen sich auch Einstellungen zu ändern. Und dann müssen wir in die Kindergärten und Volksschulen schauen. Das sind acht Jahre – wenn man so will, eine Generation. Ich garantiere: Wenn es gelingt, hier konsequent zu investieren – der jetzige Bildungsminister hat das erkannt, ihm fehlen nur die Mittel –, haben wir in 18 Jahren eine völlig andere Situation. Weil ich dann eine gut ausgebildete junge Generation habe, die mit KI und der digitalen Revolution umgehen kann, die Medien einschätzen kann. Aber dafür braucht man einen langen Atem und nicht nur vier oder fünf Jahre bis zur nächsten Wahl. Aber wir leben in einer Turbo-Globalisierung, in der es eigentlich keine Zeit gibt.
Was ist die wichtigste Lehre aus der Geschichte für den Umgang mit der Angst in der Gegenwart?
Die wichtigste Lehre – auch vor dem Hintergrund der fatalen Entscheidung, in den Ersten Weltkrieg zu gehen – ist, sich nicht von Ängsten treiben zu lassen. Bei ganz zentralen Entscheidungen ruhig nachzudenken und in der Politik zu versuchen, langfristigere Strategien zu entwickeln.
Die Einzigen, die momentan einen globalen Masterplan haben, sind die Chinesen. Die Amerikaner sind völlig durcheinander mit Trump. Und die Europäische Union kann trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bis heute nicht global agieren und denken. Es bleibt bei Absichtserklärungen, aber es gibt kein strategisches Mastermind. Die Einzigen, die noch ein wenig global denken, sind die Briten. Die Briten haben noch immer ihr zerfallenes Empire im Kopf. Aber nach dem Brexit haben sie auch viele eigene Probleme.
Vielleicht traut sich bei uns einfach niemand, groß zu denken. Aus Angst?
Um die Angst vor der Zukunft in den Griffzu bekommen, müssen wir global denken und globale Schwerpunkte setzen.
Global denken – oder vor allem groß denken?
Beides. Nehmen wir die Flüchtlingslager von Nordafrika über Libanon und Jordanien bis in die Türkei: Immer darauf zu hoffen, dass dort nichts passiert, ist keine Politik. Da müssen Strategien gesetzt werden. Da sind viele junge Menschen, die gerne arbeiten würden. Mit den enormen Lohnunterschieden ließe sich, wenn man es geschickt aufsetzt, eine Win-win-Situation schaffen. Aber stattdessen belässt man die Lager, zahlt den türkischen Diktator Erdoğan und hofft, dass nichts passiert. Das ist keine Politik. Das ist altes, kontinentales Denken, das sich zwischen Atlantik und Ural abspielt, mit ein bisschen Norden und Mittelmeer. Aber wir leben längst in einer anderen Welt.

Steckbrief
Oliver Rathkolb
Oliver Rathkolb, geboren 1955, war langjähriger Vorstand und Professor des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur österreichischen und internationalen Zeit- und Kulturgeschichte sowie Herausgeber der Zeitschrift Zeitgeschichte und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/2025 erschienen.







