Ob Demokraten, Diktatoren oder Autokraten: Vor dem Staat und seinen Repräsentanten ist immer Vorsicht angebracht. Denn sie trachten uns Bürgern nach der Freiheit. Auch und gerade dann, wenn sie behaupten, sie wollten uns beschützen und ernähren.
Im fernen Osten kommt es gerade zu mehreren Treffen der autokratischen Weltelite. Ausschließlich Männer übrigens, Frauen scheinen für das Geschäft der Menschenverachtung weniger gut geeignet zu sein. Der etwas infantil wirkende nordkoreanische Dikta tor hat sich mit seinem Spielzeugzug von Pjöngjang nach Beijing aufgemacht, um in der chinesischen Hauptstadt mit Xi Jinping, Vladimir Putin und dem serbischen Kurz-Freund Aleksandar Vučić den 80. Jahrestag des Weltkriegs-Endes zu feiern, nachdem man in Tianjin, einer der etwas größeren Städte Chinas, die Jahrestagung der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) abgehalten hat.
Die SOZ ist ein Kommunikationsvehikel der BRICS-Gruppe, die sich während der vergangenen Jahre als anti westliche Internationale etabliert hat. Russland, China und Indien setzen sich, wie sie sagen, für eine multipolare Weltordnung ein, sie verstehen sich als Verteidiger des armen Südens gegen den reichen, arroganten Norden und seine Hegemoniebedürfnisse. Hauptadressat der autokratischen Folklore ist mit den USA ironischerweise ein Staat, dessen demokratisch gewählter Präsident in der Regel ebenfalls als Autokrat und als Faschist bezeichnet wird.
Guter Staat, böser Staat
So wie es gute und böse Menschen gibt, gibt es offenbar auch gute und böse Staaten. Die Grenzen sind fließend und folgen, dem Zeitgeist entsprechend, oft eher ästhetisch-ideologischen Kriterien als klassisch politischen oder ökonomischen. Wenn man wie der eben aus der Politik gewichene deutsche Ex-Vizekanzler Robert Habeck der Schwarm von einer ganzen Generation von Batikund Birkenstockenthusiastinnen ist, machen sich polizeistaatliche Ambitionen und Massenanzeigen gegen unliebsame Bürger nicht ganz so schlimm. Wenn man hingegen, wie der argentinische Präsident Javier Milei, die Motorsäge gegen den Staat schwingt, ist einem in der öffentlichen Meinung auch dann nicht zu helfen, wenn es dem Land, an dessen Spitze man steht, nach einem Jahr deutlich besser geht.
Zu Staat gibt es viele Theorien, von Platon („Politeia“) bis zum liechtensteinischen Fürsten Hans Adam („Der Staat im dritten Jahrtausend“), und es fällt auf, dass fast alle, die sich intensiver mit dem Wesen des Staates beschäftigen, von einer gewissen Skepsis gegenüber den moralischen und politischen Kapazitäten der Menschen geprägt sind. Am deutlichsten kommt das in einem der Meisterwerke der Staatstheorie, Thomas Hobbes’ „Leviathan“, zum Ausdruck, in dem der Staat als eine Art Container vorgestellt wird, in dem das Böse, das dem Menschen eigen ist, eingesperrt und bewacht wird, damit nicht andauernd der Krieg aller gegen alle geführt werden muss.
Heute wird hauptsächlich zwischen demokratischen und nicht-demokratischen Staaten unterschieden, obwohl es auch in dieser Hinsicht fließende Übergänge zu geben scheint. Manche sind der Meinung, dass gerade die Demokratie in Amerika abgeschafft wird, und auch in Bezug auf Indien gibt es Stimmen, die sagen, dass die Demokratie dort eigentlich nur noch eine formale Angelegenheit darstelle. „Autokraten“ nennt man inzwischen alle Figuren, die sich in ihren jeweiligen Systemen, seien sie formal demokratisch wie in Russland und Indien, klassisch „volksdemokratisch“ wie in China oder lupenrein demokratisch wie in Amerika, einen überproportionalen Anteil an der Staatsmacht für ihre Person sichern wollen.
Der Begriff „Sozialstaat“ ist einigermaßen trügerisch, weil er immer von Solidarität spricht, wo er Zwang ausübt
Pragmatiker – ich zähle mich selbst zu ihnen – schätzen deshalb das rechtsstaatliche Prinzip höher ein als das demokratische. Ein Rechtsstaat kann auch eine Monarchie oder ein ständisch organisiertes Staatsmodell sein, und selbstverständlich muss auch eine Demokratie dem rechtsstaatlichen Prinzip folgen, das besagt, dass die staatliche Autorität nur auf der Grundlage geltender Gesetze gegen seine Bürger vorgehen darf. Auf diese Weise soll die Willkürmacht der Herrschenden eingeschränkt und die Freiheit der Bürger sichergestellt werden.
Es empfiehlt sich immer, dem Staat gegenüber skeptisch zu bleiben, auch und vor allem dann, wenn er sich als Beschützer und Ernährer geriert, so wie es in der europäischen Spätmoderne üblich geworden ist. Der Begriff „Sozialstaat“ ist einigermaßen trügerisch, weil er immer von Solidarität spricht, wo er Zwang ausübt (Solidarität ist ein Begriff, der nur auf der Basis von Freiwilligkeit Sinn ergibt), und er kaschiert mit viel Geschick und Aufwand seine entmündigende und also freiheitsfeindliche Komponente. Welche absurden Ausmaße das annehmen kann, sehen wir gerade in Österreich: Da erwarten alle von einer Regierung, die ihnen viel zu viel wegnimmt, damit sie einen viel zu teuren und ineffizienten Bürokratieund Sozialstaat finanzieren kann, dass sie ihnen aus der Tasche, in der sie die Abgaben der Bürger hortet, ein paar Almosen zusteckt, damit sie besser zurechtkommen.
Natürlich ist alles, was wir an unseren europäischen Sozialstaaten zu beklagen haben, im Vergleich zu China oder Russland Jammern auf hohem Niveau. Aber Freiheit gibt es nirgendwo zum Nulltarif, sie muss immer und überall erkämpft werden, auch dann, wenn man in der Geburtslotterie gewonnen hat und sich mit dem Kampf gegen die Borniertheit der österreichischen Staatsbürokratie begnügen kann.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2025 erschienen.