Die Argumente für die amtierende Dreierkoalition sind spärlich. Aber sie verhindert eine FPÖ-Regierung und soll daher mit Umsicht kritisiert werden. – Dem Theater an der Wien drohen empfindliche Subventionskürzungen. Dabei wurde es soeben zum Opernhaus des Jahres gewählt.
Acht Monate etwa ist das her, dass ich Ihnen versprochen habe, meine staatsbürgerlichen Mühewaltungen wieder auf die Kulturpolitik zu beschränken. Seither habe ich meinen Ressort-Autismus halbwegs lückenlos ausgelebt. Aber jetzt treibt mich wieder die Sorge aus den dunklen Tiefen der Zuschauerräume, so wie die Göttin Erda in Wagners „Ring“.
Beobachten Sie auch, mit welcher Beharrlichkeit an der Aushebelung der Regierung gearbeitet wird? Nicht, dass man ihr auch nur annäherndes Gelingen attestieren dürfte. Aber die Zeiten sind miserabel. Und wer außer rechtsradikalem Gebrüll von der Oppositionsbank und neoliberaler Menschenverachtung noch andere, vertiefende Lösungsvorschläge zu präsentieren hat, möge sie vorbringen.
Dass sich der Grundkonsens gegen eine FPÖ-Regierung verabschiedet, ist katastrophal
Vorläufig nämlich konzentriert sich die Anklage statt auf Bedenkenswertes auf Sonderbares. Schellhorns Dienstauto rollt mittlerweile ungesteinigt seiner Wege (während der neutralitätsgefährdende Aktivismus der beobachtungsbedürftigen Außenministerin zur Erzeugung von Neidreflexen nicht taugen will).
Babler wird serienverprügelt, obwohl er nichts qualifizierbar Böses begangen hat. Viel Gutes allerdings auch nicht, denn reichlich Umsetzungspotenzial von links bleibt ihm unter dem Druck der Verhältnisse nicht. Aber dass sich Hyperflexibilisten wie Lercher und Kern dafür hergeben, die eigene Partei immer tiefer unter die 20 Prozent zu drücken, will man nicht für möglich halten. Es sei denn, sie erbrächten damit Vorleistungen auf das, was Babler als einer der Letzten ausschließt: die Regierungsbeteiligung unter jener FPÖ-Führung, deren Verhinderung lang der zwingendste Existenzberechtigungsnachweis der Regierung war.
Die FPÖ muss verhindert werden
Dass sich dieser Grundkonsens zu verabschieden beginnt, halte ich für eine Katastrophe. Die NEOS ordne ich nicht unter den bündnisfähigen Kräften ein. Die heutige Außenministerin hätte uns seinerzeit um ein Haar den Volkskanzler eingewirtschaftet, als sie die Koalitionsverhandlungen verließ.
Aber die ÖVP unter dem uncharismatischen, aber pragmatischen Stocker: Die war lang eine Art Stabilisator der wankenden Regierungskonstellation. Da ging es los, keineswegs unverschuldet, aber unverhältnismäßig. Wögingers Intervention parteienübergreifende Tagesroutine zu nennen, ist noch ein Euphemismus.
Und jetzt Mahrer! Um Missverständnissen vorzubeugen: Der Mann ist ein unterhaltungszirzensischer Unglücksfall, über Jahre dilettantisch beraten und mit seiner Ämteranhäufung eine Dauerpointe unter gewitzten Staatsbürgern. Aber er war auch hauptverantwortlich für den Ausstieg der ÖVP aus den Koalitionsverhandlungen mit Kickl. Jetzt haben ihn auch die eigenen Leute gestürzt, und zwar überwiegend diejenigen, denen er in die blau-schwarzen Träume gegrätscht ist.
Und wenn jetzt das Kammersystem insgesamt zur Debatte steht, so mag sich das unter substanzlosem Reform-Blabla schick ausnehmen. Aber die Sozialpartnerschaft, die uns sicher durch die Verwerfungen der Zeit geführt hat, ist dann am Ende. Folgerichtig steht nun auch die Autonomie der Bundesländer zur Diskussion. Ich möchte mir aber die Folgen nicht ausmalen, wenn das rote Wien als Argument gegen den sich aufbauenden Ungeist auf halblaut geschaltet wird.
Wiens problematische Kulturpolitik
Keinesfalls allerdings will ich, der sprichwörtlich gepeinigte SPÖ-Stammwähler, mich hier als lokalpatriotisches Ludwig-Groupie zu erkennen geben.
Deshalb erneuere ich mit gesteigerter Dringlichkeit meine Bedenken gegen die Wiener Kulturpolitik. Was den Bund betrifft, so verspüre ich seit der Bestellung Rudolf Scholtens zum Berater des Kunstvizekanzlers eine Art Optimismus, die sich hoffentlich nicht als substanzlos erweist. Das Kulturbudget ist derart mikroskopisch, dass sogar seine Kompletteinsparung keine erkennbare Auswirkung auf den Gesamthaushalt hätte. Die Folgen massiver Kürzungen für den zivilisatorischen Gesamtbefund wären allerdings ungeheuer. Nicht zu reden vom Wirtschaftlichen, wenn Touristen infolge erzwungener Schließtage zweimal die Woche vor der unbespielten Staatsoper stünden.
Stipendien killen
Zudem hat Scholten via News ein schönes Beispiel linker Kulturpolitik skizziert: Stipendien und Sozialzahlungen im Ressortbereich zu reduzieren, widerspräche allem, wofür man stehe. Die Mahnung kommt nicht zur Unzeit: Dimitré Dinev hätte seinen großartigen, soeben mit dem Österreichischen Buchpreis gewürdigten 1.100-Seiter „Zeit der Mutigen“ ohne Stipendium nicht vollenden können.
Zur nämlichen Zeit gibt die Wiener Kulturstadträtin die Abschaffung einer minimalen Weihnachtsremuneration für Künstler und die Halbierung des kommunalen Stipendienaufkommens bekannt. Nicht ohne hinzuzufügen, dass das Budget der Festwochen unbehelligt bleiben wird.
Dafür sorgt man sich im Theater an der Wien vor kolportierten Kürzungen von 20 Prozent. Das städtische Institut wurde allerdings soeben von den einflussreichsten Kritikern der Welt zum Opernhaus des Jahres gewählt. Auch nimmt es unter den Trägern des Österreichischen Musiktheaterpreises, dessen Jury ich vorsitzen darf, seit Jahren Spitzenrang ein.
PS.: Sollte jemand von Ihnen eine Petition gegen den Verbrauch von 22 städtischen Millionen für das EBU-Wettdilettieren samt antisemitischem Rahmenprogramm verabschieden wollen: Meine Unterstützung ist hiermit zugesichert.
Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte: sichrovsky.heinz@news.at
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 47/2025 erschienen.







