NEOS-Europaabgeordneter Helmut Brandstätter untersucht in seinem neuen Buch die gefährliche Nähe von Rechtspopulisten und Rechtsextremen zu Donald Trump und Wladimir Putin. Im Interview sagt er: Wer diese beiden unterstütze, wolle Europa schaden. Denn der US-Präsident und Russlands Herrscher hätten eines gemeinsam: ihre Ablehnung der EU und Europas.
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Sie beschäftigen sich in Ihrem neuen Buch mit Donald Trump und Wladimir Putin und ihren „Marionetten“. Ausgerechnet jene rechten Parteien, die gerne von einer Festung Europa sprechen, öffnen laut Ihrer Beschreibung die Einfallstore für eine Schwächung Europas durch diese beiden.
Im Europaparlament beobachte ich bei den rechtsextremen Parteien – also jenen von Orbán und Salvini sowie bei FPÖ oder AfD – eine Unterwerfung unter alles, was Putin sagt. Das geht bei Abstimmungen so weit, dass die FPÖ gegen die Unterstützung der Republik Moldau, wo es massive Interventionen Russlands gibt, stimmt. Beim Thema Ukraine sind sie immer aufseiten Russlands. Den Sieg Trumps hat die FPÖ großartig gefunden. Jetzt sehen wir, dass jede seiner Entscheidungen gegen Europa gerichtet ist. Wer mit Trump verbündet ist, will Europa schaden. Das ist vielen Menschen nicht klar.
Wie kommt es zu dieser Idealisierung Putins durch Europas Rechte?
Zum einen wollen auch sie ein autoritäres System. Und die FPÖ denkt in Einflusssphären. Für sie gehört alles zu Russland, was in dessen Umgebung ist. Für die FPÖ zählt das „Volk“, sie hat aber kein Verständnis für das Individuum. FPÖ-Politiker wollen Menschen aus der Ukraine nicht treffen, wie wollen gar nicht hören, wie es ihnen seit dem Angriff Russlands geht. Sie vertreten einen Volksbegriff, nehmen aber nicht wahr, dass es ein ukrainisches Volk gibt. Für sie ist alles in der Region irgendwie Russland und gehört Putin.


Einig: Wladimir Putin und Donald Trump bei ihrem Treffen in Alaska. Was sie eint: Sie wollen ein schwaches Europa.
© Andrew Harnik/Getty ImagesKommt von diesem Volksbegriff die Idee des blauen „Volkskanzlers“?
Man weiß, dass die FPÖ sehr nah bei den Identitären steht, die vom „sauberen Volkskörper“ träumen, und was es da an schrecklichen Formulierungen gibt. Die FPÖ schadet den Menschen in Österreich, weil sie unsere Sicherheit gefährdet. Die Drohungen von Russlands Dmitri Medwedew sind ja kein Scherz. Und die FPÖ unterstützt ihn. In den sozialen Medien sieht man, dass russische Scharfmacher oft gleichzeitig dieselben Formulierungen verwenden wie Politiker der FPÖ oder AfD.
Nach der Wahl Trumps hat man sich in der FPÖ gebrüstet, zur Inauguration geladen zu sein. Heute ist es in diese Richtung eher still.
Man dürfte in der FPÖ verstanden haben, dass Trump bei uns ganz offensiv Arbeitsplätze gefährdet. Im Fall von Trump beschäftigt mich, dass dieses Gefühl der Freundschaft und Partnerschaft zu den USA, mit dem meine Generation aufgewachsen ist, durch ihn verloren gegangen ist. Für Trump sind wir Europäer Feinde oder Schmarotzer. Das ist das „Zeitenende“, nicht mehr die Zeitenwende. Die Nachkriegszeit ist damit endgültig vorbei. Viele in Europa haben noch gar nicht verstanden, dass wir jetzt einmal alleine sind.
Ich würde mir wünschen, dass österreichische Politiker nicht vom ,Diktat aus Brüssel‘ reden. Das ist nicht anständig
Experten gehen davon aus, dass Putin ein europäisches NATO-Land angreifen wird, um die Bereitschaft Europas, diesem Land beizustehen, zu testen. Die Drohnen, die nach Polen geschickt wurden, könnten so ein Versuch gewesen sein, ebenso die Verletzung des estnischen Luftraums. Ist Europa dafür bereit?
Im Europäischen Parlament gibt es eine wirklich breite Mehrheit, die hinter der Ukraine und den baltischen Ländern steht. Ich bin in einem Ausschuss des Parlaments, dem European Union Democracy Shield, in dem wir uns genau ansehen, wo Desinformationspolitik stattfindet. Eine Vertreterin Estlands hat uns da erklärt, wie geschickt die russische Bevölkerung in diesen Ländern angesprochen wird. Die Desinformation der Russen ist sehr professionell, mit unheimlich viel Geld. In der Republik Moldau sind im vergangenen Jahr 200 Millionen Euro für Stimmenkauf und Mobilisierung eingesetzt worden. Die Zerstörung Europas und der EU ist das klare Programm der Russen.
Angriffe im virtuellen Raum und Sabotageakte finden ja schon statt.
Ich spüre aber auch sehr stark, wie Europa angesichts dieser Bedrohung zusammengewachsen ist. Wir wissen, dass Deutschland im Zweiten Weltkrieg die schlimmsten Verbrechen in Litauen begangen hat. Heute schützen deutsche Soldaten Litauen gegen Russland. Das macht für mich Europa aus. Und da komme ich zur österreichischen Politik. Ich würde mir erwarten, dass deutlicher gesagt wird, wie sehr wir von Europa profitieren. Ich würde mir wünschen, dass österreichische Politiker nicht vom „Diktat aus Brüssel“ reden. Das ist nicht anständig. Es ist möglicherweise ein kurzfristiger tagespolitischer Gewinn, aber langfristig wird ein enormer Schaden angerichtet. In den neuen Eurobarometer sieht man Skepsis und Unzufriedenheit. Dabei funktionieren die Friedensunion und der Wirtschaftsaustausch.
Was bedeutet es für diesen Zusammenhalt gegen Russland, wenn in immer mehr EU-Ländern rechte Parteien auf dem Vormarsch sind?
Ich versuche es positiv: Wenn man mich vor drei Jahren gefragt hätte, ob der Zusammenhalt für die Ukraine so lange halten wird, hätte ich wahrscheinlich gesagt: Ich bin mir nicht sicher. Aber wir halten zusammen. Wir halten auch gegen Trump zusammen. Wir sehen, dass die französischen Rechten rund um Marine Le Pen im Europäischen Parlament nicht radikal gegen die EU auftreten. Sie sind auch nicht radikal für Putin, weil sie wissen, dass sie damit in Frankreich auf keinen Fall gewinnen können. Die Mehrheit der Europäer weiß, dass Putin ein Kriegsverbrecher ist und will mit ihm nichts zu tun haben. Gerade in Österreich gibt es aber immer noch viele, die glauben, dass das alles mit uns nichts zu tun hat. Es hat sehr wohl mit uns zu tun. Wir werden jetzt schon angegriffen. Es gab auch in der alten Sowjetunion Pläne, durchs Donautal und durch Österreich zu marschieren. Natürlich gibt es diese Pläne weiterhin, das muss man deutlich sagen. Und auch, dass wir uns verteidigen können müssen.
Muss man die USA für den Ernstfall als Unterstützer abschreiben? Das Pentagon hat Militärhilfen für das Baltikum gestrichen.
Die USA sind weiter Mitglied der NATO, daher gibt es Verpflichtungen. Ich habe für das Buch mit einem Professor der Stanford University gesprochen, der zum interessanten Schluss kommt, dass Europa jetzt gebraucht wird, um Amerika wieder auf den demokratischen Weg zu bringen. Es gibt also dort die Hoffnung, dass der Austausch, von dem Europa lange profitiert hat, jetzt in die andere Richtung wirkt. Ich schließe jetzt einmal aus, dass Trump zu einer weiteren Wahl antritt. Ich schließe auch aus, dass er keine Wahlen in den USA mehr zulässt. Es gibt positive Kräfte in den USA. Mit denen müssen wir stärker zusammenarbeiten.


Das Buch
Das neue Buch von Helmut Brandstätter „Trump, Putin und ihre Marionetten“ beschäftigt sich mit Europas Rechtsparteien und ihrer Unterstützung für Trump und Putin. Kremayr & Scheriau, € 26,95
Mit dem Ende von Trumps Präsidentschaft werden sich die transatlantischen Beziehungen aber nicht sofort wieder ändern?
Nein. Sollte ihm etwa J.D. Vance nachfolgen, ist er auch gefährlich. Er wünscht sich eine AfD-Regierung in Deutschland. Also eine Partei, in der es jemand gibt, der sagt, er sei das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus. Die Amerikaner haben vor 80 Jahren gekämpft, um uns vom Nationalsozialismus zu befreien. Vielen Dank! Und jetzt solche Aussagen von Vance. Das ist unfassbar. Ich würde von unseren Politikern erwarten, dass sie sagen: „Lieber Freund, so redest du nicht mit uns!“
Den früheren Journalisten gefragt: Was wünschen Sie sich von den Medien?
Ich habe mir bei meinem Wechsel vorgenommen, keine Ratschläge zu geben. Aber wichtig wäre, dass Medien angesichts der konkreten Sorgen stärker erklären, wie sehr Europa helfen kann. Gerade, was die Inflation oder die Energieversorgung betrifft – das kann man nur europäisch aufsetzen. Und natürlich wünsche ich mir, dass nicht auch noch eine Stimmung befördert wird. Warum bekommt Herr Vilimsky, wenn er EU-Spitzenpolitikerinnen als Hexen bezeichnet, eine Schlagzeile? Im EU- Parlament passiert in den Ausschüssen so viel ernsthafte Arbeit. Berichte darüber würden mich freuen.
Wo sehen Sie ihre beiden Titelfiguren Trump und Putin in fünf Jahren?
Trump wird weg sein und ich hoffe noch immer auf die amerikanische Demokratie. Bei Russland bin ich skeptisch: Wenn Putin abtritt, sind die Leute hinter ihm um nichts besser, und die Ideologie, die Putin vertritt, ist nicht weg. Der frühere Schachweltmeister Gari Kasparow hat einmal gesagt: „Reformen in Russland sind immer nur möglich, wenn es eine Revolution gibt.“ Dann würde man sich einen jungen Gorbatschow wünschen und dass Russland noch einmal im Jahr 1990 beginnt.

Steckbrief
Helmut Brandstätter
Der gebürtige Wiener hat Rechtswissenschaften studiert. 1982 begann er in der Auslandsredaktion des ORF zu arbeiten. 1997 wechselte er als Geschäftsführer und Chefredakteur zum deutschen Nachrichtensender n-tv und von dort 2003 zu Puls TV. Ab 2010 war Brandstätter Chefredakteur und später auch Herausgeber des Kurier. Mit der Nationalratswahl 2019 wechselte er in die Politik und kandidierte für NEOS. Bei der EU-Wahl 2024 war er NEOS-Spitzenkandidat und ist seither Abgeordneter im Europaparlament.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2025 erschienen.