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Die israelische Regierung hatte zuvor gedroht, den Grenzübergang geschlossen zu halten und die Hilfslieferungen zu reduzieren. Sie warf der Hamas vor, die Leichen von Geiseln zu langsam zurückzugeben. In der Nacht auf Mittwoch übergab die radikal-islamische Gruppe jedoch weitere Leichen. Am Montag hatte die Hamas bereits vier Särge übergeben, in der Nacht auf Mittwoch folgten vier weitere. Nach israelischen Angaben handelte es sich bei einem der zuletzt übergebenen Leichname jedoch nicht um eine Geisel. Gemäß des Waffenruhe-Plans soll die Hamas die Leichen aller 28 toten israelische Geiseln übergeben.
Die Auseinandersetzung um die Leichen birgt weiterhin das Potenzial, die Waffenruhe zu gefährden. Auch andere zentrale Fragen sind noch ungelöst. Spätere Phasen des von den USA vermittelten Abkommens sehen vor, dass die Hamas die Macht abgibt und ihre Kämpfer entwaffnet, was sie bisher jedoch ablehnt. Stattdessen demonstrierte sie ihre Macht im Gazastreifen durch öffentliche Hinrichtungen und Auseinandersetzungen mit lokalen Clans.
Insgesamt müssten sich noch 21 Leichen von Geiseln im Gazastreifen befinden, einige könnten jedoch aufgrund der Zerstörungen während des Konflikts nur schwer zu bergen sein. Eine internationale Arbeitsgruppe soll sie aufspüren. Das Abkommen verpflichtet Israel zudem zur Rückgabe der Leichen von 360 im Krieg getöteten palästinensischen Kämpfern. Eine erste Gruppe von 45 Leichen war am Dienstag übergeben worden.
Der Krieg hat im Gazastreifen eine humanitäre Katastrophe ausgelöst. Nahezu alle Einwohner wurden aus ihren Häusern vertrieben, internationale Beobachter sprechen von einer Hungersnot. Reuters-Videoaufnahmen zeigten, wie am Mittwochmorgen erste Lastwagen, darunter Tankwagen mit Treibstoff, von Ägypten aus in den Grenzübergang Rafah fuhren. Die Hilfslieferungen sollen Lebensmittel, medizinische Güter, Treibstoff, Kochgas und Ausrüstung zur Reparatur wichtiger Infrastruktur umfassen. Die Lieferungen erfolgen auch über andere Übergänge wie Kerem Shalom.
Der rechtsextreme israelische Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, ein Gegner der Waffenruhe, bezeichnete die Hilfslieferungen auf der Online-Plattform X als "Schande". "Nazi-Terrorismus versteht nur Gewalt, und der einzige Weg, Probleme mit ihm zu lösen, ist, ihn von der Erde zu tilgen", fügte er hinzu. In der israelischen Regierung hält sich die Sorge, dass die Hilfslieferungen von der Hamas abgefangen werden könnten.
Mehrere andere palästinensische Fraktionen unterstützen das Vorgehen der Hamas gegen lokale Clans, die während des Konflikts versucht hatten, die Kontrolle über Teile des Gazastreifens zu übernehmen. Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas verurteilte jedoch die öffentlichen Hinrichtungen, nachdem ein von Reuters authentifiziertes Video zeigte, wie maskierte Bewaffnete sieben gefesselte, kniende Männer auf einer Straße im Gazastreifen erschossen.
Das Büro von Abbas nannte die Tötungen ein Verbrechen und einen "eklatanten Verstoß gegen die Menschenrechte". Die israelischen Streitkräfte haben sich auf eine im Waffenruheabkommen festgelegte "gelbe Linie" außerhalb der großen Städte des Gazastreifens zurückgezogen. Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, man werde jeden Verstoß gegen diese Linie sofort ahnden. Am Dienstag hatten israelische Soldaten deswegen das Feuer eröffnet. Nach palästinensischen Angaben wurden dabei mehrere Menschen getötet.