Ein deutscher Kulturstaatsminister nennt Österreich als Vorbild, um US-Giganten eine Abgabe aufzubrummen. Dass dies weder ÖVP noch SPÖ für Eigenpropaganda ausnutzen, liegt indirekt an Sebastian Kurz und direkt an 124 Millionen Euro Jahreseinnahmen aus der Digitalsteuer.
Eine Leserin beklagt zu Recht, dass in diese Kolumne über „Medien & Menschen“ oft zu viele Zahlen, Daten und Fakten fließen. Der Autor gesteht, dass er den Recherche-Nachweis oft als Rechtfertigung seiner Ansichten erbringt. Denn er empfindet die wachsende Dominanz von Meinung gegenüber einer schwindenden Basis an Wissen als eine der größten Schwächen im öffentlichen Diskurs.
Strafzoll, Vergeltung, Retourkutsche
Die aktuelle Vielzahl von Personalien ermöglicht nun aber eine Besserungskolumne nach der Devise „Namen sind Nachrichten“. Wolfram Weimer war Chefredakteur der Tageszeitung Welt sowie des Wochenmagazins Focus und hatte dazwischen die Politikzeitschrift Cicero gegründet, bevor er mit eigenem Verlag sein bürgerliches Credo pflegte. Als Autor von „Das konservative Manifest“ ist der parteilose, von Kanzler Friedrich Merz auf einem Ticket der CDU installierte Kulturstaatsminister auch Koalitionspartner SPD suspekt. Doch dem Vorschlag, amerikanische Digitalgiganten wie in Österreich zu besteuern – gleich mit zehn statt hierzulande fünf Prozent – stimmt die rote Regierungsspitze zu.
Das bringt den heimischen Top-Sozialdemokraten in eine Zwickmühle. Denn Vizekanzler Andreas Babler rührt als Medienminister die heiße Kartoffel Digitalsteuer nicht an, um sich keine Finger zu verbrennen, während die EU den Konflikt um die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle austrägt. Der Austro-Sonderweg könnte dem Amerikaner ein besonderer Dorn im Auge sein, dessen Sehschärfe von Konzernen wie Google, Meta & Co. bestimmt wird. Dass die rasant steigenden Einnahmen aus der Digitalsteuer eine Hauptquelle der Medienförderung sind, die Babler massiv erhöhen will, macht die Angelegenheit noch komplizierter. Denn die Beachtung von deutschen Gegenmaßnahmen zu amerikanischen Handelssanktionen ist zu groß, um weiterhin unter der Aufmerksamkeitsschwelle zu manövrieren. Und Weimer hat Österreich ausdrücklich als Vorbild für seinen Vorstoß genannt.
Kurz-Dekorateur als Kultur-Kämpfer
Apropos Aufmerksamkeit: Regelmäßige Leser dieser Kolumne erinnern sich richtig, hier vom jetzigen Kulturstaatsminister – das entspricht einem hiesigen Staatssekretär – schon einmal gelesen zu haben. Weimers „Media Group“ veranstaltet den Ludwig Erhard-Gipfel am Tegernsee, wo seit 2017 auch ein „Freiheitspreis der Medien“ vergeben wird. 2021 ging die Ehrung, von der zuvor nicht nur in Österreich niemand wusste, an Sebastian Kurz. Die türkise Volkspartei tat alles, um die Auszeichnung bekannter zu machen. Denn Weimer begründete die Dekorierung mit dem denkwürdigen Satz: „Mit Sebastian Kurz würdigen wir einen Brückenbauer Europas und Kommunikator der Freiheit.“ Der war damals auch Medienminister. In seine Verantwortungszeit fällt die ab 2020 erhobene Digitalsteuer.
Nachnachfolger Babler wird sich also aus vielen Gründen hüten, die Digitalsteuer-Vorlage aus Deutschland zu einem Propaganda-Tor für Österreich zu verwandeln. Er muss hoffen, dass ausgerechnet Weimer mit seiner Zehn-Prozent-Initiative Erfolg hat – um dann im Windschatten nachzuziehen. Denn angesichts des Budgetdefizits ist die Finanzierung der versprochenen zusätzlichen Medienförderungen weniger sicher, als ihr Verkünder öffentlich eingestehen kann.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 24/2025 erschienen.