Der Live-Abgang der Klima-Aktivistin Anja Windl aus dem „Talk im Hangar-7“ in ServusTV war kein großer Eklat und die „Bio-Pause“ von Ex-Grünen-Chef Werner Kogler kaum der Rede wert. Doch es stellt sich wieder die Grundsatzfrage der Teilnahme an solchen Talks.
Wer auf der Plattform X nach Anja Windl sucht, muss lange scrollen, bis er zum Stein ihres jüngsten Anstoßes gelangt: Sie hat am späten Abend des 3. Juli wütend den „Talk im Hangar-7“ verlassen. Social-Media-Erregung darüber und Nachberichterstattung von „Standard“ bis „Heute“ machen ein großes Ding aus diesem Live-Abgang der deutschen Klima-Aktivistin. Deutlich mehr als aus der Fußnote, dass Ex-Vizekanzler Werner Kogler dann noch während der Sendung eine „Bio-Pause“ eingelegt hat.
Windl geht mit den Worten: „Wir haben hier keinen wissenschaftlichen Konsens. Mir reicht’s. Wirklich.“ Moderator Michael Fleischhacker verabschiedet sie mit: „Kommen Sie gern wieder!“ Später wird er Kogler noch erläutern: „Das Konzept dieser Sendung ist, dass auch Extremstandpunkte gehört werden.“ Von den Inhalten, mit denen Schauspieler Albert Fortell und Unternehmer Thomas Eisenhuth Windl empört hatten, wird aber so wenig bleiben wie von jenen der ausgleichenden Ökonomin Heike Lehner. Bestand haben der Eklat und die Grundsatzfrage der Teilnahme an Debatten polarisierender Sender.
Mehr Mittäter als Verweigerer
Einige Wunschkandidaten von ServusTV und auch oe24.TV verweigern sich. Der von Wolfgang Fellner etablierte Boulevardkanal wird wegen seiner puren Krawall-Orientierung boykottiert. Das von Dietrich Mateschitz gegründete Heimatprogramm gilt als rechte Plattform für Wissenschaftsleugner. Der Umgang damit ist aber ideologisch uneinheitlich. Florian Klenk und Barbara Tóth vom linken „Falter“ lassen keine Auftrittsmöglichkeit in ServusTV aus. So wie das Gros der Spitzenpolitik zu oe24 pilgert. Dass FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler dort gegen den ORF schwadroniert, ist kein Sonderfall, sondern typisch für ein mehrheitsfähiges Medienverständnis: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“
Die Frage nach Teilnahme oder Verweigerung lässt sich aber auch moralisch nicht klar beantworten. Denn die Ausgrenzung führt zu Blasenbildung und Opfermythos, die Gesprächsbereitschaft hingegen nährt Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen: „Heiß, heiß, heiß: Klimakrise oder Traumsommer?“ war der Titel für den „Talk im Hangar-7“ und so polarisierend wie die Zusammensetzung der Runde. Das Kalkül dahinter ist aus Sicht des Senders bestmöglich aufgegangen. Was er nicht an Reichweite erzielt, besorgen die Nachbetrachtungen. Also auf sie verzichten? Es hätte keinen Sinn.
Gratwanderung wie in Politik
Sogar vom vielgerühmten „Club 2“ des ORF sind seine Skandale – wie die Masturbationsanleitung von Nina Hagen – am tiefsten im kollektiven Gedächtnis verankert. So viel Wirkung wird Windl nicht hinterlassen, doch ihr Abgang erzielt ein Vielfaches der Reichweite des Talks, der live im linearen Fernsehen 78.000 Zuschauer hatte. Minimal mehr als am Sonntagvormittag in ORF 2 „Die Runde mit Armin Wolf“ samt Corinna Milborn, Meret Baumann, Kathrin Stainer-Hämmerle und Oliver Pink. Ihr konstruktiver Grundton findet kaum Nachhall. Den Medienmachern ergeht es also ähnlich wie der Bundesregierung. Der Grat zwischen Publikumsanbiederung und -vergraulung wird immer schmaler.