Immer öfter werden Auftritte israelischer Künstler abgesagt. Der jüngste Fall betrifft den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Lahav Shani. Der gebürtige Israeli wurde von einem Festival in Gent samt seinem Orchester ausgeladen. Jetzt eröffnete er die Saison im Wiener Musikverein und sah sich Protesten ausgesetzt. News stellte Künstlern, Intellektuellen, Intendanten und Kulturpolitikern wie Andreas Babler, Lotte de Beer, Michael Ludwig, Markus Hinterhäuser, Bogdan Roščić und Co. fünf fundamentale Fragen.
von
- Es geht auch anders
- Konrad Paul Liessmann – Philosoph
- Markus Hinterhäuser – Intendant der Salzburger Festspiele
- Lotte de Beer – Direktorin der Volksoper
- Bogdan Roščić – Direktor der Wiener Staatsoper
- Matthias Naske – Intendant des Wiener Konzerthauses
- Julian Rachlin – Geiger, Dirigent, Intendant Eisenstadt
- Daniel Froschauer & Michael Bladerer – Vorstände der Wiener Philharmoniker
- Ariel Muzicant – Vizepräsident des jüdischen Weltkongresses
- Alexander Pröll – Staatssekretär (ÖVP)
- Andreas Babler – Vizekanzler, Kulturminister (SPÖ)
- Sepp Schellhorn – Staatssekretär (NEOS)
- Michael Ludwig – Bürgermeister von Wien (SPÖ)
- Laurenz Pöttinger – Kultursprecher ÖVP
- Werner Kogler – Ehemaliger Kulturminister (Grüne)
Wer hätte für möglich gehalten, dass 80 Jahre nach dem Ende der Shoah mitten in Europa jüdische Künstler daran gehindert werden, ihren Beruf auszuüben? Es geschieht, und das immer öfter. In Großbritannien wurde eine Tournee des österreichischen Dirigenten Julian Rachlin abgesagt, der mit dem Jerusalem Symphony Orchestra auftreten wollte. Vorletzte Woche wurde im belgischen Gent ein Konzert der Münchner Philharmoniker storniert. Deren israelischer Chefdirigent Lahav Shani, der auch Musikdirektor von Israel Philharmonic ist, hätte es leiten sollen. Drohende Proteste hätten die „Ruhe“ des Festivals stören können, begründete dessen Leiter die Absage.
Es geht auch anders
Stephan Pauly, Intendant des Wiener Musikvereins, demonstriert, wie es anders geht: Wie geplant eröffnete Shani, dem in dieser Saison ein Schwerpunkt gewidmet ist, mit den „Münchnern“ die Spielzeit. Als Protestierer versuchten, das Konzert zu stören, wurden sie rasch aus dem Saal entfernt. Zu mehr als ein paar Palästina-Rufen kam es nicht. Shani und sein Orchester wurden vom Publikum gefeiert.
Boykottmaßnahmen werden auch dem Song Contest in Aussicht gestellt, dessen nächste Ausgabe in Wien stattfinden soll. Einige Länder wollen nicht bei dem Wettsingen antreten, wenn Israel teilnimmt. Was also tun? Ein Rundruf bei maßgeblichen Personen aus Kultur und Kulturpolitik. Die FPÖ antwortete bis Redaktionsschluss nicht. Vom ORF kam eine Absage.


Konrad Paul Liessmann
© Bild: Matt ObserveKonrad Paul Liessmann – Philosoph
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Ich bin prinzipiell dagegen, Künstler zu boykottieren. Ich halte diese Maßnahmen – Ausladungen, Absagen, Androhungen und Aufrufe – für Dokumente einer Mischung aus Barbarei und Dummheit. Dass so etwas in vermeintlich zivilisierten Staaten wie Belgien möglich ist, hätte ich für ausgeschlossen gehalten. Abgesehen davon, dass nun an die Kunst ständig kunstfremde Maßstäbe angelegt werden, nimmt man sich damit die Chance, Kunst als den letzten Ort des Dialogs zu behaupten.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Natürlich kann man die israelische Regierung wie jede andere Regierung kritisieren. Warum richten sich die Aktionen aber dann unterschiedslos gegen den Staat Israel an sich, dessen Existenzrecht zunehmend bestritten wird, gegen israelische Staatsbürger und gegen Juden, die woanders leben? Ohne antisemitische Beweggründe ist das wohl nur schwer zu erklären. Ganz im Gegenteil: Vermeintliche Israelkritik scheint mir oft ein Vorwand zu sein, um einem lange zurückgehaltenen Antisemitismus wieder freien Lauf zu lassen.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Ich habe mich unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine auch dagegen gewandt, nun russische Künstler, die keine Nachweise einer uns genehmen Gesinnung abliefern, zu canceln – was nicht dagegen spricht, offenkundige Sympathiebekundungen von Künstlern für ein aggressives Regime scharf zu kritisieren. Aber diese nun überall grassierende Gesinnungsschnüffelei ist mir zutiefst zuwider. Ich bin ja auch der altmodischen Ansicht, dass man Kunst und Leben, Künstler und Werk trennen kann und die Kunst sich eben nicht den politischen Tagesmoden und moralischen Attitüden von selbstgerechten Aktivisten unterwerfen sollte.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Selbstverständlich nicht. Ich finde es ja auch einigermaßen absurd, dass Künstler den Ausschluss von Künstlern fordern. Österreichs ESC-Sieger ist ja hier mit schlechtem Beispiel vorangegangen. Wenn sich die Verhältnisse ändern und sie selbst betroffen sind, ist dann das Entsetzen groß.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Wenn diese Szene noch irgendeine Form von Rückgrat hätte, würde der ESC in diesem Fall abgesagt werden. Ich fürchte, das wird aber nicht der Fall sein. Man spürt ja, dass dem Druck der Hamas-Sympathisanten immer öfter nachgegeben wird.


Markus Hinterhäuser
© www.neumayr.cc Neumayr / Christian LeopoldMarkus Hinterhäuser – Intendant der Salzburger Festspiele
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Pauschale Boykottmaßnahmen beziehungsweise Boykottaufrufe, die einem vermeintlich mustergültigen politischen oder moralischen Anspruch folgen, treffen zumeist die Falschen. In Israel gibt es nicht nur Netanjahu, es gibt auch einen unüberhörbar großen und in der Mehrheit von jungen Menschen getragenen Protest gegen dessen Politik. Und genau dieser Widerstand und diese jungen Menschen sollen keine Ausgrenzung erfahren, sondern unsere Solidarität.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Ich würde sie weniger als antisemitisch betrachten, vielmehr als eine trostlose Addition von Feigheit, Mutlosigkeit und Opportunismus gegenüber dem Mainstream eines Meinungsklimas. Gerade im Fall Lahav Shanis, der in Daniel Barenboims Friedensprojekt des West Eastern Divan Orchestras groß geworden ist, kann man diesen Vorgang nur als besonders abstoßend empfinden.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Die Fälle sind in gar keiner Weise vergleichbar. Die Ukraine wurde von Russland ohne jegliche Legitimation angegriffen. Der Beginn des Gazakriegs war der Überfall der Terrormiliz Hamas, bei dem mehr als tausend Israelis regelrecht abgeschlachtet und Hunderte Israelis als Geiseln genommen wurden. Über die Verhältnismäßigkeit der daraus resultierenden militärischen Maßnahmen mag man verschiedener Meinung sein, nicht aber über die Tatsache, dass Israel sich verteidigen musste und muss. Im Falle Russlands gibt es auch unter Künstlern nicht wenige Exemplare, die dem Putin-Regime nahestehen. Wer möchte mit denen zu tun haben? Ich nicht. Boykottaufrufe und pauschale Aufforderungen zum Boykott russischer Künstler halte ich allerdings auch in diesem Fall für nicht akzeptabel. Vielleicht haben es manche vergessen: aber auch in Russland gab es zu Beginn des Ukrainekriegs Demonstrationen und Protestkundgebungen, die allerdings sofort niedergeknüppelt wurden. Und es sollte uns auch klar sein, dass es in Russland ein Gesetz gibt, aufgrund dessen allein schon die Erwähnung des Wortes „Krieg“ Gefängnis und Verschleppung in Straflager zur Folge haben. Auch hier sollten wir die Zivilgesellschaft unterstützen und sinnlosen, in gar keiner Weise zielführenden Boykottaufrufen die Stirn bieten.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Mein Interesse am Song Contest besteht nicht einmal in Spurenelementen, aber dennoch: siehe Punkt 1.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Nein.


Lotte de Beer
© David PayLotte de Beer – Direktorin der Volksoper
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Ich bin absolut dagegen. Wir arbeiten mit vielen großartigen Israelis zusammen und obwohl ich schockiert und abgestoßen von den täglichen Kriegsverbrechen der israelischen Regierung bin, glaube ich, dass man einzelne Künstler:innen nicht für die Taten ihrer Regierung zur Verantwortung ziehen kann oder darf. Ich möchte aber auch klarstellen: Ich verurteile die Verbrechen der Hamas aufs Härteste. Mit den Gräueltaten des 7. Oktober haben sie ihr Volk in diesen Albtraum hineingezogen. Meiner Ansicht nach suchen so viele israelische Künstler:innen aktiv den Frieden: Sie protestieren gegen diese Regierung, Palästinenser und Israelis machen gemeinsam Musik in Chören und Orchestern, investieren in Poesie und Empathie und bringen ihren Aktivismus in ihrer Kunst zum Ausdruck.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Vielleicht sind nicht alle Äußerungen so gemeint, aber manchmal fragt man sich, ob dieser Krieg nicht von Antisemiten missbraucht wird, um eine Rechtfertigung für ihren Hass zu finden. Ich bin auch jedes Mal schockiert und traurig, wenn ich höre, dass Juden aufgefordert werden, Restaurants zu verlassen, weil sie Hebräisch sprechen, oder diskriminiert werden, weil sie eine Kippa tragen, ja, manchmal sogar körperlich bedroht und attackiert werden. Ich bin entsetzt darüber, dass Menschen nicht zwischen der Politik und Verantwortung der Regierung Netanjahu und der israelischen Bevölkerung oder der jüdischen Weltbevölkerung unterscheiden können. Jede Organisation sollte gleichzeitig Antisemitismus bekämpfen und sich gegen die Verbrechen dieser kriminellen Regierung stellen, die sie täglich an Muslimen, Juden und Christen begehen.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Ich glaube, dass das Recht auf Meinungsfreiheit auch das Recht beinhaltet, sich nicht öffentlich zu äußern. Ich respektiere, dass manche Künstler:innen ihre Familien und ihre Lebensgrundlage beschützen wollen. Es ist so leicht, jemanden zu verurteilen, wenn man komfortabel in einer sicheren Demokratie lebt. Aber: Wenn Wilders die Wahlen gewinnt und anfängt, Muslime zu deportieren – heißt das dann, dass ich als niederländische Künstlerin nicht mehr arbeiten darf?
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Das ist eine sehr komplexe Fragestellung: Diese Lieder repräsentieren ganz klar ihre Länder. Es fühlt sich seltsam an in Zeiten von Massenmord zu jubeln und mit Fahnen zu wehen. Russland ist ebenfalls ausgeschlossen. Auf der anderen Seite: Die Länder, die in dem Konflikt in Bergkarabach involviert sind, nehmen teil und niemand hinterfragt deren Berechtigung. Und: Wenn ich an die Arbeit von Mira Awad und Noa denke, die gemeinsam bei dem Song Contest aufgetreten sind und beide noch immer künstlerische Stimmen für den Frieden sind, dann ist das genau das, was dieses Land jetzt braucht. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Noch einmal: Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss. Aber vielleicht sollte man das als Anlass nehmen, das Konzept zu hinterfragen: Anstatt eines Wettbewerbs, bei dem Länder gegeneinander antreten, könnte man eine Show erschaffen, die eine Übung in Frieden und Zusammenleben ist. Eine Feier der Verbindung und des gemeinsamen Nenners. Musik gegen Polarisierung. Vielleicht sollte man einen Chor mit jungen palästinensischen und israelischen Sängerinnen und Sängern einladen. Je mehr ich darüber nachdenke, finde ich: Genau das sollte man jetzt machen.


Bogdan Roščić
© Lalo JodlbauerBogdan Roščić – Direktor der Wiener Staatsoper
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Was mir bisher bekannt ist, zum Beispiel die Ausladung des Dirigenten Lahav Shani in Gent, das lehne ich kategorisch ab.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Nicht alles, was dumm ist, ist auch schon antisemitisch. Lese ich mir die Begründung der in Gent Verantwortlichen durch, könnte es einfach vorauseilender Gehorsam gegenüber einem Meinungs-Lynchmob gewesen sein. In der Kulturszene keine Seltenheit.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Man kann die beiden Konflikte nicht miteinander vergleichen. Die Staatsoper bleibt bei ihrer Linie: Bekenntniszwang wird nicht ausgeübt, aber bekennende Befürworter des Kriegs gegen die Ukraine kommen nicht zum Einsatz.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Nein.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Ja.


Lahav Shani
© Julia WeselyStefan Pauly, Intendant des Musikvereins, zu Lahav Shani
Wir können die Ausladung Lahav Shanis und der Münchner Philharmoniker in Gent in keiner Weise nachvollziehen. Lahav Shani hat sich immer wieder öffentlich für Frieden und Versöhnung ausgesprochen, beispielsweise in der vergangenen Saison in einem Künstlergespräch bei uns im Musikverein, oder zuletzt in einer aktuellen Stellungnahme vom 16. September 2025. Er zählt Daniel Barenboim zu seinen Mentoren und dirigiert dessen West Eastern Diwan Orchester, das wie kaum ein anderes Orchester der Welt für den Dialog steht.
Im Musikverein stehen wir für die Meinungsfreiheit, für einen in der Sache differenzierten und empathischen Dialog, für die verbindende Kraft von Kultur und Musik, und gegen jede Art von falscher Ausgrenzung oder von Antisemitismus. Wir freuen uns sehr, dass Lahav Shani in der Saison 2025/26 „Künstler im Fokus“ des Musikvereins ist.“


Matthias Naske
© Bild: Matt ObserveMatthias Naske – Intendant des Wiener Konzerthauses
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Jeder Krieg lebt von der Reduktion komplexer Wirklichkeiten auf das einfache Schema von ‚Freund oder Feind‘. Dass diese Vereinfachung der Realität nicht gerecht wird, spielt dabei keine Rolle. Krieg lebt auch davon, dass viele menschliche Qualitäten wie Empathie, differenziertes Denken und die Fähigkeit zum Dialog trotz unterschiedlicher Sichtweisen – systematisch verdrängt werden. Einen Musiker, wie Lahav Shani, der sich neben seiner herausragenden Musikalität durch eine hohe menschliche Integrität und eine differenzierte Haltung auf das Geschehen in seiner Heimat Israel und Gaza auszeichnet, auszuladen, ist absurd.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Die Ausladung durch das Flanders Festival ist in erster Linie als grundlegender Fehler zu bezeichnen.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Diese zwei Fälle haben ihre eigenen Hintergründe, aber das gemeinsame Problem dabei ist, dass Künstler:innen in eine Stellvertreterrolle gedrängt werden, die sie existenziell gefährden kann. Von ihnen zu verlangen, Heldentum zu beweisen, ist oft lebensfremd. Unsere Aufgabe ist, diese Menschen zu schützen und nicht sie zusätzlich unter Druck zu setzen.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Wir tun gut daran, Räume des Austauschs und der Kommunikation auch in einer Zeit, die durch Kriege schwer belastet ist, aufrechtzuerhalten und zu nutzen.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Siehe vorige Frage.


Julian Rachlin
© Bild: NEWS/Ricardo HerrgottJulian Rachlin – Geiger, Dirigent, Intendant Eisenstadt
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Für mich war Musik immer ein Mittel, Menschen zusammenzuführen – nicht sie zu trennen. Gerade in schwierigen Zeiten braucht es Räume, in denen Dialog, Empathie und Versöhnung möglich sind. Künstlerinnen und Künstler aufgrund ihrer Herkunft auszuschließen, widerspricht diesem Gedanken zutiefst. Meine Aufgabe als Musiker sehe ich darin, Brücken zu bauen, nicht Gräben zu vertiefen.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Solche Boykottaufrufe überschreiten oft eine Grenze, weil sie nicht zwischen Regierungen und einzelnen Menschen unterscheiden. Viele von uns auf der Bühne setzen sich ganz bewusst für Frieden, für Dialog und für Menschlichkeit ein. Wenn Musiker nur deshalb ausgeschlossen werden, weil sie Israelis oder Juden sind, dann fördert das Vorurteile und verschließt die Türen genau vor dem kulturellen Austausch, der Verständnis schaffen könnte.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Jede Situation ist einzigartig und komplex, und es steht mir nicht zu, die persönlichen Risiken oder Entscheidungen anderer zu beurteilen. Was ich aber sagen kann: Kein Künstler sollte gezwungen werden, politische Erklärungen abzugeben, nur um auftreten zu dürfen. Der Wert von Kunst liegt doch gerade darin, dass sie über die Politik hinausreicht. Von Künstlern zu verlangen, ihre eigene Sicherheit oder die ihrer Familien aufs Spiel zu setzen, ist weder fair noch hilfreich.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Kulturelle Veranstaltungen sollten für Offenheit, Vielfalt und Austausch stehen. Wenn sie zu Bühnen der Ausgrenzung werden, verlieren sie ihre eigentliche Bedeutung. Deshalb wünsche ich mir, dass Veranstalter dem Druck widerstehen und an dem Glauben festhalten, dass Musik – und Kultur allgemein – verbinden und nicht trennen sollte.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Es ist immer ein Verlust, wenn kulturelles Leben von politischen Konflikten überschattet wird. Eine komplette Absage würde viele Künstlerinnen, Künstler und auch das Publikum bestrafen und am Ende kein Verständnis fördern. Viel wichtiger wäre es, Wege zu finden, die Grundidee lebendig zu halten: dass Kultur allen gehört und dass jede Stimme eine Bühne verdient.


Daniel Froschauer & Michael Bladerer
© Raphael MittendorferDaniel Froschauer & Michael Bladerer – Vorstände der Wiener Philharmoniker
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Wir lehnen pauschale Boykottmaßnahmen gegen Künstler ab, egal, aus welcher Nation sie kommen, solange sie sich nicht zu Kriegstreibern und Aggressoren bekennen.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Wir bezeichnen das eher als eine von Angst getriebene Reaktion.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Das sehen wir genauso wie in Punkt 1 beschrieben. Es ist nicht wichtig woher bzw. aus welchem Land ein Künstler kommt, seine/ihre Haltung ist entscheidend.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Nein
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Ja


Ariel Muzicant
© MAYR Elke / WirtschaftsBlatt / picturedesk.comAriel Muzicant – Vizepräsident des jüdischen Weltkongresses
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Die sind weder vertretbar, noch sind sie nützlich oder sinnvoll. Selbst für jene, die die israelische Regierung kritisieren. Die sollen das ruhig tun, aber das rechtfertigt nicht den Boykott oder Sanktionen gegen Künstler oder Sportler oder gegen das ganze Land. Letztere führen nur zu einem gegenteiligen Effekt, indem sie die Bunkerstimmung in Israel erhöhen und den Rechtsextremen in der Regierung Wasser auf ihre Mühlen geben.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Man muss mit der Antisemitismuskeule vorsichtig umgehen. Manche Maßnahmen sind eindeutig antisemitisch, andere sind einfach unbedacht und dumm.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Jeder Vergleich zwischen Russland und Israel ist absolut unzulässig. Putin und Russland haben die Ukraine angegriffen. Die meisten Institutionen in Russland sind staatlich kontrolliert und eine überwiegende Anzahl von Künstlern, die von Russland abhängen, müssen daher das tun, was Putin ihnen vorschreibt. Israel ist eine lebendige Demokratie, wurde von der Hamas bestialisch angegriffen, wehrt sich und versucht, eine Wiederholung zu verhindern.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Sicherlich nicht. Und sollte es zu einem Boykott Israels kommen, werden wir alles tun, um diesen Boykott zu bekämpfen. Der Song Contest ist ein Treffen der Jugend, um hier zu singen, zu tanzen, fröhlich zu sein, sich miteinander auszutauschen. Und die Politisierung dieses Events ist eine unglaubliche Sauerei.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Wir müssen alles daran setzen, dass man einen unabhängigen Sender wie Kahn, der ja die israelische Seite vertritt, nicht ausschließen kann. Das ist weder die israelische Regierung, noch ist es ein staatlicher Sender. Das ein unabhängiger Sender, der auch sehr oft die israelische Regierung kritisiert und den die israelische Regierung gerade versucht abzudrehen. Also wenn Sie den Song Contest ausschließen, erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie bezwecken. Sie bestrafen die Israelis kollektiv, also auch jene, die jede Woche demonstrieren.


Alexander Pröll
© Clemens Fabry / Die Presse / picturedesk.comAlexander Pröll – Staatssekretär (ÖVP)
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Kunst lebt vom Dialog, von Offenheit und Vielfalt. Es muss grundsätzlich gelten, dass kein Musiker für die Politik seines Heimatlands verantwortlich gemacht, diffamiert oder ausgeladen wird. Die Freiheit der Kunst muss hochgehalten werden. Wer Künstlerinnen und Künstler unter Gesinnungsdruck setzt, gefährdet ebendiese Freiheit.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Kritik an der Politik einer Regierung darf nie in Antisemitismus umschlagen. Wo Künstlerinnen und Künstler allein wegen ihrer jüdischen Identität oder ihrer israelischen Staatsbürgerschaft ausgegrenzt werden, ist diese Grenze überschritten.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Die Situationen sind nicht vergleichbar: Russland führt einen Angriffskrieg, Israel verteidigt sich nach einem Terrorangriff. Dennoch gilt: Kein Künstler sollte zum politischen Heldenmut gezwungen werden, der seine Existenz oder Familie gefährden könnte.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Der ESC lebt von Vielfalt und Austausch. Ich hoffe, dass die EBU dieser Grundidee treu bleibt und allen Teilnehmenden die Bühne für Musik, nicht für politische Boykotte bietet.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Es wäre besser, wenn es erst gar nicht zu einem Ausschluss Israels kommt. Der ESC soll Brücken bauen – und nicht selbst zu einer Frontlinie werden.


Andreas Babler
© Bild: Matt ObserveAndreas Babler – Vizekanzler, Kulturminister (SPÖ)
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Boykott-Diskussionen in Kunst und Kultur, aber auch im Sportbereich werden von den Veranstalter:innen, Künstler:innen, Verbänden etc. geführt – das lässt sich gar nicht vermeiden. Die Politik soll sich auf die politischen Maßnahmen, die sie setzen kann, konzentrieren und nicht darauf, zu entscheiden, wer wann wo wie auftreten darf.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Wenn Künstler:innen von Veranstaltungen ausgeladen oder erst gar nicht eingeladen werden, verlagert das letztlich die Verantwortung. Kritik – insbesondere an der Kriegsführung und der Siedlungspolitik der Israelischen Regierung – muss möglich sein, als Politik sind wir hier aber auf politischer Ebene gefragt. Hier gilt es, klar zu trennen und den Kampf gegen Antisemitismus und jegliche Form des Rassismus und Extremismus konsequent fortzusetzen.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Es ist nicht mein Verständnis als Kulturminister, Organisationen, Verbänden oder Künstler:innen vorzuschreiben, wer eingeladen oder ausgeladen wird.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Das ist keine Veranstaltung der europäischen Länder oder Regierungen, sondern eben der öffentlich-rechtlichen TV-Sender. Dort werden Diskussionen geführt und Entscheidungen getroffen. Diese Eigenständigkeit und Unabhängigkeit möchte ich respektieren.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Ich respektiere die Entscheidungen, die von einer unabhängigen Rundfunkorganisation getroffen werden.


Sepp Schellhorn
© Bild: NEWS/Ricardo HerrgottSepp Schellhorn – Staatssekretär (NEOS)
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Der Ausschluss von Künstler:innen wie Dirigent Lahav Shani in Gent bedeutet ganz klar eine Einschränkung der Kunst- und Kulturfreiheit. Ich halte es hier ähnlich wie die Schriftstellerin Eva Menasse, die im Gespräch mit NDR Kultur meinte: ‚Wir kommen nicht weiter, wenn wir beginnen, Sänger*innen und Musiker*innen Gesinnungsprüfungen zu unterziehen, von denen abhängt, ob sie auftreten dürfen. Das ist falsch und das ist ideologisch verbiestert!‘
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Wir erleben aktuell eine neue, überaus perfide Form der Stigmatisierung: Die Kritik an der Politik des Staates Israel wird als Projektionsfläche zweckentfremdet: Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft und religiösen Zugehörigkeit ausgeschlossen. Gegen diese Form der wachsenden Aggression und schleichenden Ausgrenzung möchte ich ganz klar „Kante“ zeigen.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Es ist inakzeptabel, Kulturtreibende „einer Gesinnungsprüfung“ zu unterziehen. Kunst und Kultur sind auch dort eine Brücke, wo die Politik keinen Weg mehr findet. Sie sind Mittlerinnen und Vermittlerinnen. Sie schaffen einen interkulturellen Dialog, der Verständigung über kommunikative, kulturelle, politische, gesellschaftliche und geografische Grenzen hinweg ermöglicht. Gerade in Zeiten wie diesen ist das wichtiger denn je. Die Diskussion um Anna Netrebko, Teodor Currentzis und andere russische Künstler:innen habe ich immer für kontraproduktiv gehalten. Es geht um die Freiheit der Kunst und der Kultur! Und ein Ausschluss bzw. ein Boykott bedeutet ganz klar eine Einschränkung dieser Freiheit. Werden Künstler:innen und ihre Kunst eingeschränkt, laufen wir Gefahr, dass Kunst ihre Funktion als ein kritischer Spiegel der Gesellschaft verliert und von politischen Strömungen und Tendenzen instrumentalisiert wird.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Im Fall der Teilnahme Israels beim ESC schickt ein demokratisches Land ein demokratisch gewähltes Lied ins Rennen. Damit sind alle Bedingungen einer Teilnahme erfüllt. Ich sehe die Problematik ähnlich wie Eva Menasse, die zu dem Schluss kommt, dass Boykotte, Absagen und Ausladungen dieser Art die handfesten Konflikte der Politik auf ein Feld verschieben, mit dem sie nichts zu tun haben. Wir reden hier von demokratischen Staaten. Wenn sich ein Land entschließt, nicht teilnehmen zu wollen, dann müssen wir das als Österreich aushalten. Kunst bietet einen Diskursraum, den es zu schützen gilt. Wenn Künstler:innen ausgeladen werden, stirbt damit auch die Möglichkeit des Gesprächs. Kulturelle Boykotte sind deswegen nie Lösung eines Problems, sondern Teil des Problems. Kultur wird zur Projektionsfläche für Wut und Ohnmacht gegenüber politischen Unzufriedenheiten. Sie kommt damit zum Handkuss, weil sie zu einem Ventil politischer Ohnmacht verkommt.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Die Kulturfreiheit muss um jeden Preis verteidigt und hochgehalten werden. Ein ESC ohne israelische Beteiligung wäre ein klarer Rückschritt. Ich werde – gemeinsam mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger – demnächst einen Brief an die europäischen Amtskolleg:innen schicken, um von jedwedem Kultur-Boykott abzuraten.


Michael Ludwig
© Bild: Matt ObserveMichael Ludwig – Bürgermeister von Wien (SPÖ)
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Ich bin dafür, dass israelische Künstler:innen Darbietungen durchführen können.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Grundsätzlich muss es möglich sein, Empathie für die Opfer beider Seiten zu zeigen. Kritik an der Regierung Netanjahu darf nicht als Vorwand verwendet werden, um Antisemitismus zu verharmlosen. Leider steigt die Zahl der antisemitischen Vorfälle und dem werde ich aus unserer historischen Verantwortung heraus immer entschieden entgegentreten.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Ich bin generell skeptisch, was den Boykott von Künstlerinnen und Künstlern angeht – insbesondere, wenn es ihre Herkunft betrifft. Die russischen Rundfunkstationen sind mittlerweile selbst aus der EBU ausgetreten und damit ohnehin nicht mehr Teil des Eurovision Song Contests.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Wer am Song Contest teilnimmt, entscheiden ausschließlich die Rundfunkstationen in der EBU jeweils für sich selbst.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Dafür sehe ich derzeit keine Anzeichen.


Laurenz Pöttinger
© Starpix / picturedesk.comLaurenz Pöttinger – Kultursprecher ÖVP
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Klar ist, dass wir an der Seite Israels stehen. Fest steht: Kultur ist dazu da, den Austausch zu fördern und Brücken zu bauen. Das ist derzeit wichtiger denn je.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Es geht hier um die Bedenken mehrerer Länder angesichts der katastrophalen Lage im Gazastreifen, die uns alle Sorgen bereitet. Es ist zu hoffen, dass dabei antisemitische Motive bei niemandem eine Rolle spielen. Denn das würde einen Rückfall in die dunkelsten Zeiten der Geschichte bedeuten.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Es steht den Opernhäusern und Veranstaltungsorganisationen frei, welche Künstlerinnen und Künstler sie einladen. Die Politik sollte das nicht entscheiden. Das Vorgehen gegen Putins Russland basiert nicht auf einer Kampagne, sondern auf individuellen Entscheidungen der Kulturinstitutionen und der Kunstschaffenden. Was man auch nicht vergessen darf bei dieser Debatte: Einzelpersonen können zudem gute Gründe haben, sich nicht zu deklarieren, zum Beispiel zum Schutz von Angehörigen.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Die EBU (European Broadcasting Union) fällt die Entscheidung über die Zulassung, denn sie ist der Veranstalter.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Die Veranstaltung aufgrund von Boykottaufrufen abzusagen, wäre für diese Intention eine Niederlage und würde Tür und Tor zur politischen Instrumentalisierung öffnen. Der Eurovision Song Contest ist eine Kulturveranstaltung. Durch den möglichen Ausschluss israelischer Künstlerinnen und Künstler könnte sie aber am Ende von manchen als etwas gesehen werden, das sie nicht sein sollte: eine politische Veranstaltung mit musikalischen Rahmen.


Werner Kogler
© Bild: Matt ObserveWerner Kogler – Ehemaliger Kulturminister (Grüne)
Wie stehen Sie zu Boykottmaßnahmen gegen israelische Künstler?
Ich lehne die Ausladung und den Boykott von israelischen Künstler:innen ab. So ein Vorgehen ist eine unzulässige Generalisierung und verhindert politische Debatte und Differenzierung. Gerade das brauchen wir heute aber.
Würden Sie diese Maßnahmen als antisemitisch betrachten?
Ein genereller Boykott gegen israelische Künstler:innen muss genauso benannt werden – als antisemitisch.
Wie sehen Sie die Ausgrenzung russischer Künstler? Kann man die Fälle vergleichen? Wird den russischen Künstlern nicht eine Art Heldentum abverlangt, das ihre Existenz und ihre Familien gefährdet?
Gegenüber russischen Künstler:innen gibt es keinen generellen Boykott – und das ist in Ordnung so. Gleichzeitig gilt, dass persönliche Freunde Putins, die auch in der Öffentlichkeit ihre Stimme immer wieder gegen die Ukraine und zur Unterstützung des brutalen russischen Angriffskriegs erheben, beispielsweise der Dirigent Valery Gergiev, vollkommen zu Recht wiederholt von europäischen Veranstalter:innen ausgeladen wurden.
Sollen sich die Veranstalter des Song Contest Boykottmaßnahmen beugen?
Nein. Und im Übrigen ist das eine Entscheidung der European Broadcasting Union.
Soll die gesamte Veranstaltung von Österreich abgesagt werden, wenn Israel von der EBU ausgeschlossen wird?
Ich halte es derzeit in dieser Situation für unangemessen, den Verantwortlichen beim ORF diese ohnehin schon herausfordernde Situation durch politische Zurufe weiter zu erschweren. Konzentrieren wir uns auf das, was den ESC auszeichnet: ein Fest der Vielfalt und des Zusammenhalts zu sein.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 39/2025 erschienen.