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Florian Scheuba: „Über der Republik hängt ein Damokleszwerg“

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Florian Scheuba

©Bild: Ricardo Herrgott

Der österreichische Kabarettist Florian Scheuba wurde wegen übler Nachrede an einem Polizisten verurteilt. Mit News spricht er über die Hintergründe, Redefreiheit, Kickls Aussichten auf das Kanzleramt und sein Programm „Schönen guten Abend“, das er ab 11. November im Stadtsaal zur Premiere bringt.

Das gibt es in der Geschichte des österreichischen Kabaretts erst jetzt: dass Satiriker verklagt werden, weil sie ihrer Profession nachgehen. Florian Scheuba wurde wegen übler Nachrede verurteilt, weil er einem Polizeibeamten in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre „Arbeitsverweigerung“ attestierte. Jetzt will er seinen Fall nach Straßburg zum Gerichtshof für Menschenrechte bringen.

Den Beruf will er trotzdem mit aller Schärfe und Leidenschaft ausüben. Das ist ab 11. November 2025 in seinem jüngsten Solo-Programm „Schönen guten Abend“ im Stadtsaal zu überprüfen. Zuvor ein Gespräch über Trump, freie Rede und wer Kickl ins Kanzleramt verhelfen kann.

Herr Scheuba, Sie räumen Trump in Ihrem Programm „Schönen guten Abend“ reichlich Platz ein. Sind Sie enttäuscht, dass er den Friedensnobelpreis nicht bekommen hat?

Das wäre an Absurdität nicht zu übertreffen gewesen. Jetzt stößt er gerade in neue Dimensionen des Wahnsinns und der Niedertracht vor. Ich spreche von dem Video, das ihn als Shit-Bomber zeigt, der Fäkalien auf Gegner abwirft. Vor ein paar Jahren hätte man das als geschmacklosen Versuch seiner Gegner gesehen, ihn als abartig zu denunzieren. Jetzt wissen wir, dass sein Social-Media-Team das ins Netz gestellt hat, und Trump findet das toll. Er bekennt sich damit zu seiner rektalen Identität.

Dass Kickl aus einem Rübenbomber Pferdeäpfel auf die Regierung abwirft, ist nicht zu befürchten, oder?

Warum nicht? In Facebook-Postings hat die FPÖ schon Klimaaktivisten anpinkeln lassen. Ich habe eine These, warum Trump glaubt, dass so etwas bei seinen Fans gut ankommt. In einer Dokumentation über seine Wähler, sagte einer ganz offen: „Trump is an asshole, but he is our asshole“. Das scheint mir doch ein wesentlicher Punkt zum Verständnis des Phänomens Trump zu sein. Die Situation insgesamt wird tatsächlich skurriler.

Der amerikanische Vizepräsident Vance behauptet in einer Rede, in Europa sei die Meinungsfreiheit in Gefahr, eine Kabarettistin stimmt ihm beflissen zu. Kurz darauf wird Jimmy Kimmel von Disney auf Wunsch von Trump gecancelt. Ich werde mich über dieses von Vance behauptete „Man darf ja nirgendwo mehr was sagen“ auch in meinem Programm lustig machen. In den USA wird das natürlich nicht so radikal praktiziert wie in den Diktaturen Russland oder Venezuela.

Kimmels Fans haben aber dagegengehalten, Aktionäre dürften seine Wiederbeschäftigung durchgesetzt haben. Wer sitzt jetzt auf dem längeren Ast? Trump oder die Satire?

Der Ast, auf dem Trump sitzt, ist so lang, wie wir ihn machen. Wir können dagegenhalten oder wir können eine peinliche Rückgratverkrümmung wie Sebastian Kurz hinlegen, der sich in Fernsehsendungen setzt und sagt, die Europäer sind an allem schuld, die haben alles falsch gemacht und den Trump immer nur kritisiert. Schauen wir uns doch lieber an, was der Herr Kurz sonst so macht. Was er bei Peter Thiel gemacht hat, wie sein aktuelles Geschäftsmodell gerade ausschaut. Es gibt Leute, die sagen: Na ja, wenn der Kurz sagt, der Trump ist eh okay, dann wird das so sein, und gegen ihn sind nur irgendwelche Linksextreme. Das ist ja genau das, was Trump jetzt in Amerika versucht, nämlich seine Gegner als Linksextreme hinzustellen, was absurd ist.

Aber was ist denn wirklich mit der freien Rede bei uns? Wie konnten Sie für eine Satire höchstgerichtlich verurteilt werden? Müssen Sie da nicht auch bei Ihren Programmen vorsichtiger werden?

Meine prinzipielle Berufsauffassung ist es, sehr frei zu reden. Aber in Österreich ist es zurzeit für Kabarettisten schwieriger geworden, weil immer öfter geklagt wird. Das betrifft nicht nur mich, sondern auch die Tagespresse, Malarina und andere. Früher hätte es das nicht gegeben. Ich sage dazu im Programm, Kabarettisten zu klagen ist, wie wenn man nach Besuch des Lachkabinetts im Wiener Wurstelprater die dor­tigen Spiegel wegen Bodyshaming verklagt. Früher war es ein Zeichen mangelnder Souveränität, Kabarettisten zu klagen. Was meine Klage betrifft, wir können noch eine Neuaustragung beantragen, das werden wir tun. Und dann müssen wir nach Straßburg.

Es geht schon länger darum, dem Scheuba das Maul zu stopfen. Aber diesen Sieg vergönne ich den anderen nicht

Florian Scheuba

Gehen Sie nach Straßburg?

Ja, zum Gerichtshof für Menschenrechte. Denn ein Richter hat mir erklärt, mein Urteil könne dazu verwendet werden, Beamte in Zukunft gegen Kritik zu immunisieren. Wenn mir ein Polizist sagt, Sie sind zu schnell gefahren, und ich sage nein, bin ich nicht, kann er mich sofort verklagen, weil ich ihm Amtsmissbrauch unterstelle. Das ist ein bisschen gefährlich.

Bremst Sie das irgendwie ein?

Nein, ich fühle mich eher motiviert. Ein die Gegenseite unterstützender Anwalt sagte in einem Hintergrundgespräch, es geht schon länger darum, dem Scheuba das Maul zu stopfen. Aber diesen Sieg vergönne ich den anderen nicht.

Und die Weltlage insgesamt? Müssen Sie nicht täglich Ihr Programm adaptieren?

Tagespolitik spielt darin keine große Rolle, deshalb ist der Grundgedanke allgemein „Abendstimmung im Abendland“, weil ich mich tatsächlich nicht erinnern kann, jemals erlebt zu haben, dass Zukunftsvisionen so negativ konnotiert sind wie jetzt. Es gibt Bedrohungen durch den Krieg Russlands gegen Europa, durch Autoritarismus in Amerika und diverse andere Regime und durch die Klimakatastrophe. Es gab immer Dystopien und Drohszenarien, aber nie in dieser Dichte und noch nie so real und so nahe.

Wenn jetzt Herbert Kickl sagt, Schluss mit der Klimahysterie, ist das ein bisschen so, wie wenn einem Flugzeug in 10.000 Metern Höhe das Benzin ausgeht und der Kapitän sagt, bitte jetzt keine Schwerkrafthysterie. Es ist völliger Irrsinn, was da abläuft. Das färbt natürlich auf mich ab. Ich versuche, unserer dystopischen Grundsituation etwas entgegenzuhalten, nämlich Humor. Denn Humor ist Notwehr. Wenn wir über etwas lachen können, haben wir vielleicht ein bisschen weniger Angst. Zum anderen versuche ich, grundsätzliche Fragen zu stellen, die uns helfen können.

Geben Sie ein Beispiel.

Was vereint die Menschen, die rechtsextrem oder rechtspopulistisch wählen? Es gibt verschiedene Gemeinsamkeiten, aber eine erscheint mir besonders interessant: In Befragungen hat sich gezeigt, dass viele dieser Menschen in ihrem Leben keinen Sinn sehen.

Was macht dann aber ein Rapidler wie Sie in dieser Saison?

Das wäre jetzt wirklich Alarmismus, wenn ich jetzt schon die Sinnfrage stellen würde.

Kehren wir doch lieber zur freien Rede zurück. Rosenkranz hat das Gendern im Parlament verboten …

Reine Symbolpolitik, aber interessant, dass die FPÖ zur Verbotspartei werden will.

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Die News-Redakteur:innen Heinz Sichrovsky und Susanne Zobl im Gespräch mit Florian Scheuba.

 © Bild: NEWS/Ricardo Herrgott

Wo steht Österreich in zehn Jahren?

Es ist schon schwer vorherzusagen, wo wir in zwei Jahren stehen. Wenn die Sonne der politischen Kultur tief steht, werfen auch am Horizont wartende Zwerge lange Schatten. Über der Republik hängt ein Damokleszwerg. Der hat in seiner Zeit als Innenminister ganz klar gezeigt, wo die Reise hingehen würde. Nämlich nach Russland. Es war geplant, im Außenministerium eine eigene Geheimdienstzelle zu machen mit Chefin Karin Kneissl, die immerhin schon in Moskau ist. Die Vorstellung, dass diese Frau noch immer Außenminister von Österreich wäre, ist gruselig in der jetzigen Situation, Wahnsinn!

Aber was kann Russland Österreich denn tun?

Desinformationskampagnen, Fake-News. Das hilft Kickl, Bundeskanzler zu werden. Dann hat Russland sein Ziel erreicht.

Sind Sie sicher, dass man eine russische Desinformationskampagne braucht, damit die FPÖ immer stärker wird? Erledigen das die Konkurrenten nicht selbst?

Sie hilft auf jeden Fall. Falsche Narrative in den sozialen Medien zu platzieren, das geschieht ja nachweislich. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Es gab in Deutschland eine Aktion, da wurde Bauschaum in die Auspuffrohre von SUVs eingespritzt. Fast 300 Autos wurden auf diese Art beschädigt. Auf den Windschutzscheiben wurde ein Zettel hinterlassen, auf dem stand: „Sei grüner“, und daneben ein Bild von Robert Habeck. Die Bild hat darauf am nächsten Tag geschrieben: „Klimaradikale attackieren Autos mit Bauschaum.“ Die wahre Geschichte dahinter war, dass sogenannte Wegwerfagenten am Werk waren. Das sind Kleinkriminelle, die von Russland den Auftrag bekommen haben, diese Aktion zu machen. Sie haben 100 Euro pro Auto bekommen.

Das wirkliche depressiv frustrierte Dasein ist mir Gott sei Dank noch fremd

Florian Scheuba
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 © Bild: Ricardo Herrgott

Schauen wir uns unsere Regierung an. Warum geht es der SPÖ so schlecht?

Ich glaube, da ist einfach ziemlich die Luft draußen. Ich bin auch entfernt da­ von, den Babler toll zu finden. Aber es ist auch ein wesentlicher Faktor, dass die Boulevardmedien langsam Richtung FPÖ schwenken. Die Kritik an Kickl schwindet, gleichzeitig kommt praktisch jeden Tag etwas gegen Babler. Das verschärft die Lage der SPÖ noch. Nicht, dass die nur das arme Opfer wären. Aber man sollte da, finde ich, auch ein bisschen die Kirche im Dorf lassen, allein, was den Schrecklichkeitsfaktor betrifft: Fürchte ich mich mehr davor, dass die sich zerstreiten und keine Föderalismusreform zusammenbringen? Oder wenn der Herr Kickl sagt, wir müssen jetzt auf Russland zugehen und das Zeitfenster nützen, um unsere Beziehungen mit Putin zu verbessern. Das macht mir weit mehr Sorgen.

Abgesehen vom Damokleszwerg: Macht nicht auch die durch Stocker und Babler verkörperte Verbürgermeisterung die Politik ziemlich zwergenwüchsig?

Ich würde da sogar noch weiter ins Detail gehen und sagen: Ein großes Problem unseres Landes sind die über das ganze Land verteilten Bürgermeister, die unser Land zubetonieren und sich an Umwidmungen, die sie vorher selbst durchgeführt haben, eine goldene Nase verdienen. Es wäre tatsächlich eine Aufgabe dieser Regierung, dieser Konstellation, hier etwas dagegen zu tun.

Es erzeugt auch bei den Menschen eine unglaubliche Politikverdrossenheit und das Gefühl, man kann in der Politik überhaupt nichts mehr bewegen, weil die richten sich’s eh. Das wird leider in Österreich als Brauchtum angesehen. Da wäre Ver-Riedelung der Republik der treffendere Begriff, weil der Umwidmungskaiser Alfred Riedl das Musterbeispiel dafür geliefert hat, wie das funktioniert.

Eins noch. Stimmt es, dass Kabarettisten und Komödianten privat ganz ernste oder sogar depressive Menschen sind? Wie darf man sich Sie privat vorstellen?

Also Depression ist für mich Gott sei Dank – fest auf Holz klopfen – nie ein Thema gewesen. Ich habe mich nie depressiv gefühlt. Es ist eher so, dass mich manche Dinge ärgern oder empören. Daraus ziehe ich dann wieder Energie. Aber das wirkliche depressiv frustrierte Dasein, nein, ist mir Gott sei Dank noch fremd.

© Bild: Ricardo Hergott

Steckbrief

Florian Scheuba

Florian Scheuba wurde am 5. April 1965 in Wien geboren. Er begann seine kabarettistische Karriere als Gründungsmitglied der Kabarett-Formation „Die Hektiker“ (Mini Bydlinski, Wolfgang Pissecker und Werner Sobotka). Im Fernsehen verantwortete er „Dorfers Donnerstalk“, „Die 4 da“ und „Wir Staatskünstler“. Für seine Solo-Programme entwickelte er die investigative Satire. Florian Scheuba lebt mit seiner Frau in Wien. Das Paar hat drei Kinder.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/25 erschienen.

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