Der Film „Die Maus, die brüllte" wirkt insgesamt wieder aktuell. In ihm erklärt ein alpiner Kleinstaat den USA den Krieg, um ihn zu verlieren und mit Wiederaufbauhilfe das Budget zu sanieren. Der Titel dieser Komödie von 1959 passt aber auch zur Medienkritik des ÖVP-Mediensprechers
Für die Mediensprecher der Nationalratsklubs hat eine Befragung durch Harald Fidler ungefähr den Stellenwert wie ein Verhör bei Armin Wolf für ihre Parteichefs. Denn der „Standard“-Redakteur ist der Doyen des überschaubaren hiesigen Medienjournalismus. Entsprechend vorbereitet wird Nico Marchetti in das Gespräch gegangen sein. Denn der Generalsekretär der ÖVP und stellvertretende Klubobmann löst einen ebensolchen als Mediensprecher ab, weil dieser Kurt Egger nun zu Wirtschaft und Industrie spricht. In seinem früheren Bereich war er eher unauffällig. Diese großkoalitionäre Tradition galt auch für Muna Duzdar von der SPÖ, der nun die Verfassung zugeordnet ist, während Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim als Mediensprecher agiert. Die bekannteren Abgeordneten in dieser Funktion sind allerdings FPÖGeneralsekretär Christian Hafenecker, der zudem den Verkehr abdeckt, und Sigi Maurer. Die stellvertretende Klubobfrau und geschäftsführende Parlamentarierin der Grünen ist auch Bereichssprecherin für Bildung, Wirtschaft und Integration. Eine Vielfalt, mit der allenfalls Henrike Brandstötter von den Neos mithalten kann, die neben Medien und Netzpolitik noch Frauen, LGBTIQ und Entwicklungszusammenarbeit in ihrem volksvertretenden Portfolio hat.
Versteckter Angriff auf Armin Wolf
Nur selten können diese Sprecher lange Interviews für relevante Medien geben. Marchetti hat dabei viel gesagt, das vorerst vernünftig klingt. So wie „Der Sinn von Interviews sollte eine nachvollziehbare inhaltliche Debatte sein und kein verbaler Ringkampf.“ Wer wollte widersprechen? Armin Wolf, dem diese im hehren Anspruch versteckte Kritik galt, hat sie per Florett via Bluesky pariert: „Medienpolitik in Österreich: Stilnoten für die Freundlichkeit von Interviews.“ Doch Marchetti verdient eine Antwort mit dem Säbel. Als Unbedarfter eine Funktion von Journalismus zu definieren, ist gewagt, aber zulässig. Journalisten machen das bei der Job Description von Politikern auch. Als Medien-No-Name den höchstgeschätzten Interviewer des Landes feige ohne Namensnennung anzugreifen, grenzt jedoch an Selbstdisqualifikation. Dazu muss nicht erst das global gelobte Wolf-Gespräch mit Wladimir Putin bemüht werden. Es reicht ein Verweis auf die Auskunftsblockierer aller Parteien.
Zu wenig Wissen über Medienlogik
Wolfs Fragetechnik gilt für Journalismus-Eleven in Österreich als Nonplusultra des TV-Interviews, weil die plumpe Antwortverweigerung der Politik hier besonders ausgeprägt ist. Das erzeugt einen doppelt bedenklichen Eff ekt: 1) Zu viele, die es nicht können, wollen ihn nachahmen. Sie haben oft nicht seine anhaltende Akribie zur inhaltlichen Vorbereitung. journalistisch gestalteter Nachrichtenme2) Andere Formen der Gesprächsführung geraten zu Unrecht in den Hintergrund. Sanftes Umgarnen zeitigt mitunter bessere Ergebnisse als Konfrontation. Interviews sind zentrale Elemente dien. Diese sind zentrale Elemente demokratisch gestalteter Gesellschaften. Doch Medienlogiken sind zu wenig Allgemeingut. Armin Wolf ist Mitherausgeber und einer von 57 Autoren des Lehrbuchs „Praktischer Journalismus“. Sein eigener Beitrag behandelt „(Kontroversielle) Interviews in Radio und TV“. Nico Marchetti macht nicht den Eindruck, dass er es gelesen hat. Der Auch-noch-Bildungssprecher hat zu viel zu tun.