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Eurovision Song Contest: Welche Stadt erhält den Zuschlag?

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ESC-Sieger JJ

©Imago / ANP

Das nennt man wohl Brutalität: Flachland gegen Alpines, Millionenmetropole gegen stolze Großstadt, Gurkenhauptstadt gegen Skihauptstadt. Oder schlicht: Wien gegen Innsbruck.

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Zweikampf zwischen Bewerbern

Schließlich nähert sich der Zweikampf zwischen den beiden aussichtsreichen Bewerbern auf die Austragung des Eurovision Song Contest 2026 langsam einer Entscheidung. Für die zweite Augusthälfte hat der ORF die Bekanntgabe avisiert, wer für die Ausrichtung kommendes Jahr verantwortlich zeichnen darf.

Weder ein niederösterreichischer Standort, noch die steirische Landeshauptstadt Graz, weder das zunächst begeistert initiierte Gemeinschaftsprojekt Linz/Wels noch der burgenländische Regionalchampion Oberwart hatten letztlich ihren Hut in den Ring geworfen. Doch Innsbruck für Tirol und Wien für Wien haben fristgerecht bis 4. Juli ihre offiziellen Bewerbungsunterlagen eingereicht.

Geheimhaltung

Die Städte sind zu einem umfassenden Geheimhaltungskatalog verpflichtet, fest steht allerdings, dass das Finale des größten Musikbewerbs der Welt entweder am 16. oder 23. Mai 2026 stattfinden wird. Wann genau und wo genau, darüber entscheidet der ORF als Hostsender, nachdem heuer JJ für Österreich den ESC gewonnen hatte.

Ob dabei die Olympiahalle von Innsbruck oder doch die Wiener Stadthalle als gastgebendes Venue dienen werden, scheint derzeit noch nicht fixiert. Der ORF nahm mit beiden Städten vertiefende Gespräche auf. Der Zuschlag hängt wohl auch davon ab, was der jeweilige Standort bereit ist, für die Abhaltung eines von rund 170 Millionen Menschen weltweit verfolgten Finales zu investieren.

Das spricht für Wien und die Stadthalle

Wien, das bisher bereits zweimal Austragungsort des Eurovision Song Contests war, hat mit Großveranstaltungen Erfahrung, ist man doch regelmäßig Austragungsort. Das von der SPÖ veranstaltete Donauinselfest findet etwa alljährlich statt. Es zieht – wohl nicht zuletzt dank Gratiseintritts – alljährlich Millionen Menschen an. 2008 war Wien auch Hostcity der Fußballeuropameisterschaft. Das Turnier wurde in Österreich und der Schweiz ausgetragen, Wien stand jedoch als Finalspielstadt im Mittelpunkt des Geschehens. Zu den jährlich wiederkehrenden Großevents gehören auch die Regenbogenparade oder der Vienna City Marathon.

Große Konzerte stehen ohnehin regelmäßig an verschiedenen Orten am Programm – etwa in der Stadthalle, in der der Song Contest 2015 über die Bühne ging. Das vom Architekten Roland Rainer entworfene Bauwerk wird, falls Wien den Zuschlag erhält, den Sangesbewerb auch kommendes Jahr beherbergen. Die Wiener Stadthalle zählt zu Europas ältesten Mehrzweckhallen für Großveranstaltungen. Eröffnet wurde der von Roland Rainer konzipierte Bau am 21. Juni 1958 im Beisein von Bundespräsident Adolf Schärf. Seither haben laut Wien Holding gut 75 Mio. Menschen mehr als 13.000 Events besucht. Der thematische Bogen reicht von Konzerten internationaler Stars über Musicals bis hin zu Sportgroßveranstaltungen.

Mit knapp 29.000 Quadratmetern Nutzfläche gehört die Wiener Stadthalle zu den größten heimischen Veranstaltungszentren. Allein das Herzstück – die Halle D – fasst bis zu 16.000 Zuschauer. Gegenüber ihrem Ursprungszustand hat der Komplex in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Erweiterungen und "Face Lifts" erfahren.

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Die Wiener Stadthalle beherbergte bereits 2015 den Song Contest.

 © Zolles KG

Inhaltlich positionierte sich die Stadthalle bereits zu Anfangszeiten möglichst breit. 1959 spielte etwa Louis Armstrong sieben ausverkaufte Konzerte, drei Jahre später berichtete Starkosmonaut Juri Gagarin von seiner Weltraummission. Die Uraufführung des Films „Mohn ist auch eine Blume“ (1966) mit Gästen wie Sophia Loren, Sean Connery oder Rita Hayworth verwandelte den Bau temporär zum größten Kinosaal Europas.

Im Lauf der Jahrzehnte wurde die Bandbreite immer größer. Hans Orsolic wurde in den Räumlichkeiten der Stadthalle jüngster Box-Europameister (1967) und das Musical „Hair“ feierte hier seine deutschsprachige Uraufführung (1970). 1979 trafen sich sogar 141 Delegierte aus 141 Ländern zur UNO-Konferenz. Ein Fixpunkt ist „Holiday On Ice“, das dort üblicherweise im Winter mit der jeweils neuesten Produktion gastiert. Auch sportliche Traditionen werden hochgehalten: Das ATP-Tennisturnier findet dort bereits seit 1974 statt. Der logistische Aufwand dafür ist vermutlich eine Spur geringer als für ein Event 2004. Damals wurde für die Schwimm-Kurzbahn-EM in der Halle D sogar ein 25 Meter langes Becken errichtet.

Die großen Events in der Bundeshauptstadt sind überregional von Bedeutung, sie sorgen nicht zuletzt dafür, dass bunte Bilder aus Wien um die Welt gehen. Im Sommer 2024 gab es jedoch eine unrühmliche Ausnahme, die ebenfalls weltweit für Aufsehen sorgte: Die drei Wien-Konzerte von US-Superstar Taylor Swift wurden wegen Terrorgefahr ersatzlos abgesagt. Ein junger Niederösterreicher soll - mutmaßlich mit weiter

Damit können Innsbruck und Olympiahalle punkten

Eine Stadt umgeben von Bergen wie der ikonischen Nordkette, mit beschaulicher Altstadt – so ist die Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck vielen ein Begriff. Touristisch vermarktet man sich gerne als alpin-urban, betont die tatsächlich seltene Kombination aus städtischem Flair mit direkter (Seilbahn-)Anbindung ins Hochalpine. Und obwohl mit rund 132.000 Einwohnern keine Großstadt, kann Innsbruck mit der Erfahrung mehrerer Großevents für sich als potenzielle ESC-Stadt werben.

Die Erfahrung mit den ganz großen Veranstaltungen liegt allerdings schon etwas zurück. Zweimal beherbergte man bereits die Olympischen Winterspiele – 1964 und 1976. Die letzteren blieben vor allem dank Franz Klammers Goldabfahrtsritt vom Patscherkofel im kollektiven Gedächtnis. 2012 wurden die Jugend-Winterspiele hier ausgetragen. Und 2008 war man Gastgeber mehrerer Gruppenspiele der Fußballeuropameisterschaft gewesen – in einem aufgestockten und mittlerweile wieder zurückgebauten Tivoli Stadion. Die Abhaltung des Eurovision Song Contest als einem der größten Fernsehevents Europas würde die Stadt jedenfalls vor eine neue Herausforderung stellen. Zuletzt hatte man im Jahr 2017 Pläne für die Abhaltung eines Großevents gehegt. Einer Bewerbung für die Austragung der Olympischen Winterspiele 2026 erteilte die Bevölkerung in einer Befragung jedoch mehrheitlich eine Absage.

Geht der ESC in Innsbruck über die Bühne, dann wird er in der Olympiahalle stattfinden. Sie ist zwar etwas jünger als die „große Schwester“ Wiener Stadthalle, hat aber auch schon etliche Jahre auf dem Buckel und wurde 1964 eröffnet. 12.000 Besucher haben dort Platz. Von TV-Showkapazundern wie „Wetten, dass...?“ und „Musikantenstadl“ über Großkonzerte und Sportevents bis hin zu einem Papstbesuch: Sie hat schon (fast) alles gesehen.

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Die Innsbrucker Olympiahalle war 2010 einer der Austragungsorte der Handball-EM.

Maximal 2.000 Quadratmeter nutzbarer Fläche misst die Halle mit direkter Anbindung an die Autobahnausfahrt Innsbruck-Mitte, die gleichzeitig nur rund 15 Gehminuten von der Innenstadt entfernt liegt. Die Nebenräume umfassen etwa großzügige VIP-Lounges auf vier Ebenen mit insgesamt 1.300 Quadratmetern sowie einen Mehrzwecksaal mit insgesamt 490 Quadratmetern, der in fünf Säle teilbar ist.

Die Innsbrucker Verantwortlichen führen aber vor allem auch eine weitere Zahl ins Treffen, nämlich 45.000 Quadratmeter an frei verfügbarer bzw. nutzbarer Fläche, was das gesamte Areal betrifft, wie Olympiaworld-Geschäftsführer Matthias Schipflinger gegenüber der APA erklärte. Auf ebendieser Fläche hätte das gesamte Drumherum rund um die Großveranstaltung, also auch alles infrastrukturell Notwendige, Platz, so Schipflinger. Dies stelle einen Vorteil gegenüber Wien dar: „Wir haben sehr viel Platz.“ Es wäre vor allem auch ein Song Contest „der kurzen Wege“: „Wir müssten nichts über die Stadt verteilen.“ Das weitum bekannte Tivoli-Fußballstadion sowie die Eishalle, auch Tiwag-Arena genannt, würden in das Megaprojekt Song Contest ebenfalls miteingebunden werden.

Host-City

ORF-ESC-Executive-Producer Michael Krön sprach zuletzt im APA-Interview von einem „offenen Rennen“. Ausschlaggebend werden ideelle und finanzielle Kraft sein, wobei beide Städte mit tollen Konzepten gepunktet hätten. „Ich bin sehr angetan von der Ernsthaftigkeit und Professionalität beider Bewerbungen“, sagte Krön.

Erst wenn die Host-City feststeht, geht es in die Detailplanung. „Es hängt natürlich viel davon ab, ob man von einer Alpenstadt im Kreuz von Nord-Süd-Ost-West erzählt oder von einer Metropole, einem Melting-Pot, mitten in Europa. Das sind unterschiedliche Storys“, so Krön, der aber in jedem Falle eines verspricht: „Wir werden das mit Sicherheit spektakulär machen.“

Web: www.eurovision.tv

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