Die Nachwehen des Siegs von JJ im Song Contest sind die Vorzeichen der nächsten Auflage dieses europäischen Spektakels. Das lässt sogar die FPÖ auf Tauchstation gehen, während sich ausgerechnet ihre stärkste kommunale Bastion um die Austragung des Wettsingens bewirbt.
Der Abgleich von Selbstsicht und Fremdbild ist grundsätzlich ein gutes Korrektiv, empfiehlt sich aber besonders für das wir-bezogene Österreich und ganz speziell im Zusammenhang mit dem Sieg im Eurovision Song Contest (ESC). Stephan Löwenstein, seit 13 Jahren in Wien ansässiger Korrespondent der Frankfurter Allgemeine Zeitung, zitiert dazu Bogdan Roščić, der kurz vor dem ESC-Finale beim Verband der Auslandspresse noch gemahnt hatte, man möge „einem Song und dem jungen Mann nicht zu viel aufbürden“.
Vorahnung oder Prophylaxe? Die entsprechende Expertise des Staatsoperndirektors, der einst als Ö3-Chef für den Senderumbau verantwortlich war, ist kaum zu übertreffen: „Man könnte polemisch sagen, dass sogar beim Song Contest die Wiener Staatsoper die Sache herausreißen muss. Österreichischer geht’s nicht.“
Kehrtwendung in Oberösterreich
Dieses spezifisch Austriakische ist allerdings eine Ansichtssache, die Herbert Kickl nicht teilt. Auf seinem Facebook-Account gibt es keinen Hinweis auf den ESC-Sieg. Im FPÖ-Wahlprogramm steht hingegen: „Es ist nicht einzusehen, dass (…) ‚woke Events‘ wie der sogenannte ‚Song Contest‘ oder die ‚Wiener Festwochen‘ mit Zwangsabgaben finanziert werden.“ Parteifreund Andreas Rabl sieht das offenbar anders. Denn der Bürgermeister von Wels will den Song Contest 2026 in seine Stadt holen. Dass das blaue Gesellschaftsvorbild Ungarn offenbar aus Protest gegen zu starke Queer-Präsenz schon seit 2020 nicht mehr teilnimmt, bremst den erfolgreichsten FPÖ-Kommunalpolitiker nicht.
Diese freiheitliche Zweigleisig- oder Doppelbödigkeit wird durch die nahezu sichere Absage an Österreichs achtgrößte Stadt enden. Da nutzt auch ihr gemeinsames Antreten mit dem roten Linz nichts. Eine solche Vorhersage ist jedenfalls sicherer als die Rückschau, ob Johannes Pietsch alias JJ den ESC 2025 auch unter einer blauschwarzen Regierung gewonnen hätte. Social Media wirkt dazu einig, doch sollte der überlegene Sieg von Israel im Publikumsvoting zum Teil ein Trotz-Effekt kontra Benjamin Netanjahu gewesen sein, hätte Österreich auch gerade wegen Kickl gewinnen können.
Vorbehalte gegen Gagenkaiser
Der klare Sieger im medienpolitischen Wurmfortsatz zum Contest-Triumph ist unterdessen der ORF. Anders als viele Länder mit Publikumsbeteiligung an der Vorentscheidung hat er intern über die Sänger-Entsendung entschieden. Für Roland Weißmann ist das Ergebnis nicht nur wider blaue ORF-Attacken ein Jackpot. Die Austragung 2026 gibt ihm wenige Wochen vor der Neuwahl des Generaldirektors die größtmögliche Auftrittsfläche. Einen ORF-Chef zu wechseln, der soeben ein Weltereignis gut absolviert hat, wäre schwer vermittelbar.
Dass der laut Transparenzbericht zweitbest-verdienende Küniglberger die Projektleitung übernimmt, scheint unterdessen weniger fix als es wirkt. Dieser Gagenkaiser ist nicht Weißmann, sondern Pius Strobl, der die ESC-Abwicklung 2015 geleitet hat. Manch Stiftungsrat und Politstratege hat Vorbehalte gegen ihn. Doch während sich im Vordergrund von Oberwart bis Innsbruck Herausforderer statt Wien ins Spiel bringen, zeigt für den Job als verantwortlicher Manager des 70-Millionen-Euro-Events noch keine Alternative zu Strobl auf. Denn der Schas is a Mordshockn.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 21/2025 erschienen.