Nachrichten aus dem Hause Esterhazy: Man wird von einer endlosen Restitutions-Causa heimgesucht. Aber nicht, weil man etwas behalten will, sondern weil man etwas zu fordern hat: Ungarn hält eminente Kunstschätze zurück. Esterhazy-Chef Stefan Ottrubay zur Causa, zum Status quo der Stiftung und zu bedrängenden politischen Problemen, die weit über das Burgenland hinausreichen.
Gespräche mit Stefan Ottrubay sind prinzipiell Abenteuer: von hoher Trittsicherheit und in enormem Tempo, aber mit unbekanntem Ziel. Da stand – 25 Jahre ist das her – plötzlich ein internationaler Wirtschaftsmanager am Lager eines satt vor sich hindämmernden Riesen und rüttelte ihn hart an der Schulter. Bei den Esterhazy-Betrieben blieb kein Stein auf dem anderen, als die ikonische Fürstin Melinda ihren Neffen Stefan Ottrubay, heute 71, an die Spitze der Familienstiftung setzte. Abschöpfungsaffine Familienpatriarchen fühlten sich verdrängt, aber der Name Esterhazy steht heute wieder für die ererbte gestaltende Größe in den Wirtschafts- und Kulturbelangen des Burgenlands.
Wobei Ottrubay gleich zu Gesprächsbeginn Mythenrelativierung betreibt: Nicht das halbe Land, sondern 8,2 Prozent der fruchtbaren Flächen bewirtschafte man, dazu kämen kaum nutzbare Anteile an See und Schilf. Es gebe allerdings auch Aktuelles zu besprechen, überrascht er dann: Die Stiftung werde von einer Restitutions-Causa heimgesucht. Aber nicht etwa, weil man widerrechtlich etwas im Besitz habe. Sondern genau konträr.
Die endlos uneinbringliche Forderung richtet sich an Ungarn. Es geht um einen Teil der Schatzkammer aus Burg Forchtenstein, 1921 entwendet und, grob gerechnet, 200 Millionen wert. Wobei der Betrag wegen der enormen geschichtlichen Bedeutung für den pannonischen Raum nicht leicht zu schätzen sei, fügt Ottrubay hinzu. Der in Österreich verbliebene Teil ist jedenfalls viel herumgekommen, die einzigartigen Silbermöbel waren im Louvre zu besichtigen, man hat im Grünen Gewölbe in Dresden gastiert und wird dorthin 2017/28 zurückkehren, man erreichte die Villa Borghese in Rom und prominent das Metropolitan Museum New York.
Ungarische Konfusionen
„Da war ich für einen Moment sehr stolz“, sagt Ottrubay und verweist auf den in Ungarn gehorteten Teil der Sammlung, der in Schloss Fertöd und geheimen Depots verbunkert ist. Nach dem Ende der Donaumonarchie wurden die Kunstschätze beschlagnahmt, und jetzt prozessiert die Stiftung endlos um ihre Rechte.
2019 – man war schon auf vorsichtig hoffnungsvollen Verhandlungswegen – wurde plötzlich das liberale Restitutionsgesetz geändert: Die Beweislast oblag jetzt dem Antragsteller Esterhazy, nicht mehr dem Staat Ungarn, und das rückwirkend auf alle Verfahren! Mittlerweile hat die Stiftung den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen, während die systematisch blockierten Verfahren weiterlaufen.
Dabei wolle man gar keine Kunstschätze nach Österreich heimholen, bekräftigt Ottrubay. Man verlange bloß ungehinderten Zugang zu den Objekten, für Forschung und Restaurierung. „Zudem möchten wir ein schönes Gebäude in zentraler Lage in Budapest einrichten, welches Ausstellungen, Kulturanlässen und auch touristischen Inhalten dient. Es wäre schön, wenn sich auch das Burgenland in einem solchen Esterhazy-Forum in Budapest regelmäßig mit hochwertigen kulinarischen und touristischen Angeboten und Schönheiten präsentiert“, sagt Ottrubay.
Aktivitäten in Ungarn
NOW Esterhazy Contemporary widmet sich grenzüberschreitenden Aktivitäten im Bereich Kunst mit dem Ziel zivilgesellschaftlichen Mäzenatentums.
Besonders renommiert wurde der Esterhazy Art Award, der seit 2009 zweijährlich vergeben und als wichtigste Leistungsschau der jungen ungarischen Kunst geschätzt wird. Preisträger reüssierten zwischenzeitlich u. a. bei der Biennale in Venedig.
Die Weingüter Etyeki Kúria und Kúria Sopron umfassen 50 Hektar und wurden mit ihren Produkten vielfach ausgezeichnet.
Die Esterhazy-Stiftung Ungarn (EMA) wurde 2018 in Budapest gegründet. Sie fördert Kunst und Wissenschaft in Ungarn und veranstaltet u. a. einen Geschichtenwettbewerb für Schüler und einen Lebensgeschichtenwettbewerb. 2025 wurde ein zweijährlich vergebener Preis für ungarische Literatur ins Leben gerufen.
Orbán, Kickl und der Ruf nach dem Wechsel
Könnte sich da mit dem Ende der verhaltensoriginellen Orbán-Regierung etwas ändern? „Der Sieg der Fidesz-Partei im nächsten Jahr ist alles andere als sicher. Breite Kreise, auch die Wirtschaft, wünschen wegen des rückläufigen Lebensstandards einen Wechsel nach 16 Jahren an der Spitze des Landes. Viele der Medien werden durch die regierende Fidesz kontrolliert. Allerdings gibt es auch lebhafte und breite Diskussionen im Internet sowie in den Social Media. Hier wird mehrheitlich ein Wechsel gefordert.“
Aber steuert nicht Österreich mit der FPÖ in ebenjene Richtung? „In einzelnen Landesregionen ist sie ja schon dabei, ob einem der Herr Kickl gefällt oder nicht. Sie haben auf Bundesebene keine aktuelle Regierungserfahrungen, und es wäre wohl ein ziemlich hartes Lernen. Aber irgendwie wird man sie einbinden müssen, man kann eine so stimmenstarke Partei nicht über Jahre ständig verteufeln“, gibt Ottrubay zu bedenken und verweist auf die Schweiz, wo man sämtliche – auch rechtsbürgerliche – Kreise in die Regierungsverantwortung eingebunden hat, im Bund wie in den Kantonen. Daher gebe es dort keinen Extremismus am rechten Rand.
Gesetzesinitiativen aus der Bevölkerung würden dauernd eingebracht und bei Bedarf Volksreferenden unterworfen. „Das führt dazu, dass Parteien, aber auch andere Gruppierungen, NGOs etc. immer einer starken Volkskontrolle unterliegen. So ist für extreme und skurrile politische Ideen nicht wirklich Platz – sie unterliegen ständig der Prüfung durch die Volksabstimmungen.“
Strategien gegen den Rechtsruck
Der europäische Rechtsruck? Habe mit der Abgehobenheit der politischen Eliten zu tun, der auch Trump seinen Zulauf verdanke. Die österreichische Neutralität?
„Ist nicht nur für den Fall gedacht, dass eine Macht uns angreift. Man kann als Neutraler auch in Kriegsgebieten vielfältig Hilfe leisten, wie über die Friedensvermittlung oder im humanitären Bereich. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn Jugendliche in Österreich nicht nur in unseren Rotkreuzwagen dienen, sondern auch im Ausland in Kriegsgebieten humanitäre Hilfe leisten oder den Frieden sichern. Ich habe meinen drei Jugendlichen nach der Matura nahegelegt, drei bis vier Monate soziale Dienste im Ausland, in schwierigen Regionen, zu leisten. Alle haben es gemacht und waren am Ende begeistert.“
Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn Jugendliche in Österreich nicht nur in unseren Rotkreuzwagen dienen, sondern auch im Ausland in Kriegsgebieten humanitäre Hilfe leisten oder den Frieden sichern.
Wie geht es Esterhazy?
Zurück zu den von Ottrubay regierbaren Realitäten. Wie geht es Esterhazy wirtschaftlich? Die drei Jahre der Pandemie seien hart gewesen, auch habe man den Ukraine-Krieg zu spüren bekommen. Ungeordnet seien plötzlich Getreide, Weizen, aus Russland wie der Ukraine auch falsch zertifiziertes Holz in die EU geströmt.
„Das hat zu einem wahren Preiszusammenbruch geführt, aber jetzt sind wir langsam wieder draußen, und die vergangenen beiden Jahre waren sehr erfolgreich. Ja, der Weinkonsum geht in ganz Europa etwas zurück, aber Saufgelage auf der unteren Qualitätsebene mit Fusel oder Bier gehen Gott sei Dank zurück. Das Bedürfnis nach Qualität bei Wein und guten Sektprodukten steigt allerdings weiterhin stark.“
Wie man investiert
Und die Esterhazy-Betriebe investieren, durchaus antizyklisch angesichts der Krise. Die Aktivitäten richten sich bevorzugt auf Hotels und Restaurants. Das Gespräch findet hoch oben im Viersternehotel Galantha statt, mit Blick auf das in Rufweite befindliche Schloss, ohne das Ensemble zu stören. 2022 wurde eröffnet, der finanzielle Break-even soll noch heuer erreicht werden. Wegen der totalen Sommerauslastung ist neben der Haydn-Kirche schon das nächste 55- bis 60-Zimmer-Domizil in Planung.
Und im Seebad Breitenbrunn steht eine noble Hotelanlage mit 140 Zimmern vor der Eröffnung. Dort winters über Schilfbuchten zu spazieren und die Blicke über den stillen See wandern zu lassen, sei ein nicht leicht zu vergessendes Erlebnis, fügt Ottrubay hinzu. Die historischen Denkmäler hätten von der neuen Infrastruktur enorm profitiert. Das Schloss in Eisenstadt verzeichnet heuer 280.000 zahlende Besucher (vor Ottrubay kamen 51.000).
Und die Kunst
Bleibt die Herzensmaterie Kunst, deren avanciertere Ausformungen – im Schloss und im Steinbruch St. Margarethen – Ottrubay ohne größere Umstände an sich gezogen hat. Die musikalischen Belange koordiniert jetzt zentral der Pianist Rico Gulda als Generalintendant.
Ein großes Leuchten geht unverändert vom Herbstgold-Festival (16. bis 26. September 2026) unter dem Intendanten, Dirigenten und Violin-Weltstar Julian Rachlin aus. Das von Daniel Serafin geleitete Opernfestival im Steinbruch St. Margarethen hat heuer mit Wagners „Der fliegende Holländer“ reüssiert. 2026 zeigt man wieder die publikumssichere „Tosca“.
Ich hoffe, dass man auch in 30, 40 Jahren stolz auf die Zeit zurückblicken wird, die wir gestalten durften.
Unter dem Titel „classic.Esterhazy“ (17. Jänner bis 17. Dezember) sind ganzjährig elegante Aktivitäten gebündelt: nebst gut besetzten Orchesterkonzerten auch das Streichquartettfest „quartetto plus“ (20. bis 22. März). Joseph Haydn hat die Gattung während seiner fast 40 Jahre am Dienstort Eisenstadt erfunden. Ottrubay sieht sich hier verpflichtet: In der Wigmore Hall London und in Banffin den Rocky Mountains werden renommierte Esterhazy-Streichquartettpreise ausgelobt. Dazu kommt in Eisenstadt ein Chorfest zwischen 18. und 21. Juni.
Und dass man das weltweit übertragene Europakonzert der Berliner Philharmoniker unter Kirill Petrenko am 1. Mai 2026 ins Schloss holen konnte, ist eine Trophäe von Rang.
Bilanz legen
Das Gespräch neigt sich, das Schlusswort ad libitum wird fällig. Mit 71 Jahren ziehen sich andere schon zurück. Konzipiert Ottrubay, der die Stiftung seine Passion nennt, schon eine Art Nachrede für die Zeit nach den Tagesaktualitäten? „Ich will in den nächsten ein bis zwei Jahren helfen, die Strukturen so zu festigen, dass die Gruppe langfristig gesund weiterwachsen kann. Wir haben heute über 650 Mitarbeiter, die Familien, ihre Verpflichtungen und ihre Schicksale haben. Ebenso sind wir für die Region und das Land ein wichtiger Player. Ich hoffe, dass man auch in 30, 40 Jahren stolz auf die Zeit zurückblicken wird, die wir gestalten durften.“
Das nimmt man gern hoffnungsvoll mit.

Steckbrief
Stefan Ottrubay
Geboren am 13. August 1954 in Zürich, Studium in Luzern und den USA, promovierter Jurist. Ab 1985 bei internationalen Banken und Versicherungen in Spitzenpositionen tätig. 2000 betraute ihn seine Tante, Fürstin Melinda Esterhazy, geb. Ottrubay, Witwe und Erbin nach Fürst Paul, mit der Leitung der familieneigenen Stiftung samt Betrieben im Burgenland. Nach deren Umwandlung in eine Aktiengesellschaft wurde er 2023 Vorsitzender des Aufsichtsrats. Er war bis zur Scheidung 32 Jahre verheiratet und hat drei Kinder
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 51+52/2025 erschienen.







