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Julia Sobieszek: Weihnachten als Prinzip

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Julia Sobieszek

©Matt Observe

Die TV-Satire „Single Bells" begleitet Österreich seit fast drei Jahrzehnten durch den Weihnachtsabend. Wie die Kulturmanagerin und Künstleragentin Julia Sobieszek sie nun erfolgreich auf die Bühne bringt, erzählt viel über Professionalität, Mut und eine persönliche Leidenschaft.

Der Kleingarten in Wien-Leopoldstadt, in dem sich auf 190 Quadratmeter Santa Claus samt Rentierschlitten, ein Lebkuchenmann und ein Schneemann im XL-Format drängeln, gehört Julia Sobieszek. Seinen Weg säumen leuchtende Zuckerstangen. Es ist viel, es ist bunt, es glitzert. Es ist genau der Anblick, der das Herz der 39-Jährigen wärmt.

Die Kulturmanagerin, Künstleragentin, Fernsehund Theaterproduzentin lebt ihre Leidenschaft für Weihnachten ohne Datumslimit: „Christmas in June“ war das Motto für ein Jubiläumsfest ihrer Künstleragentur, Filmproduktionsgesellschaft und Podcastagentur im Sommer vor drei Jahren bei 30 Grad im Schatten. Ein Weihnachtsmann im Hawaiihemd? Ein Erfolg.

Österreichs Antwort auf „Dinner for One“

Dass ausgerechnet eine Frau, die Weihnachten mit solcher Konsequenz feiert, den TV-Quotengarant „Single Bells“, auf die Bühne gebracht hat, wirkt erstmal wie eine Pointe. Vielmehr folgt es aber biografischer Logik.

Sie war elf Jahre alt, als Ulli (Drehbuch) und Xaver (Regie) Schwarzenberger 1997 mit der schwarz­humorigen Weihnachtssatire Österreichs Antwort auf „Dinner for One“ („Spiegel“) ins Fernsehen brachten. Seitdem stimmt sich die Nation alljährlich mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle des Joe auf Weihnachten ein, bis der brennende Christbaum mit Lilibets (Johanna von Koczian) Nerzmantel gelöscht wird. „Am Ende spürt das Publikum immer Erleichterung: ,Na, so schlimm ist es bei uns zum Glück nicht!‘“, nennt Sobieszek eine Erfolgszutat ihres erklärten Lieblingsfilms. Schwarzenbergers XmasWerk als Filmfavoriten zu nennen, sei nicht immer schmückend in ihrer Branche, sagt sie, punkten würde man doch mit Arthouse-Filmen.

Humor als Auftrag

Um Imagepunkte ist es der Salzburgerin aus Oberalm aber nie gegangen. „Ich will Menschen zum Lachen bringen und glücklich machen. Es ist mir ein Bedürfnis, dass es allen gut geht“, beschreibt sie ihren Antrieb. Ihre Branche ist seit zwei Jahrzehnten die Kabarettszene. Mit jungen 21 Jahren gründete sie ihre Agentur und arbeitete sich zu einer der wichtigsten Architektinnen der Szene.

Ihre Künstlerinnen und Künstler – darunter Gregor Seberg, Antonia Stabinger, Verena Scheitz – vor ein größtmögliches Publikum zu bringen, begreift Sobieszek als Auftrag. Nachrichten beantwortet sie binnen Minuten, Wochenenden oder Feierabende sind seltener Luxus. Lieber gründet sie zur Umsetzung von Fernsehformaten wie „Dave“ die Filmproduktion „Mutterschifffilm“.

Oder, um die Spielwiese zu vergrößern, die Podcast-Agentur Peggy’s Agency (Hawi D’Ehre, Schwarz & Rubey). Bis sie an einem unspektakulären Märztag 2024 mit einer Handynachricht ihre eigene Herzenssache ins Rollen bringt: „Single Bells, das Musical. Das würd funktionieren.“

Eine dunkle Kerbe im Advent

Warum sie im März an Weihnachten gedacht hat, weiß Sobieszek nicht mehr genau. Das Fest vereine alles, das ihr Freude bereite, erklärt sie ihr Faible: „Ich schenke gern, ich dekoriere gern, ich liebe es, für Freunde und Familie zu kochen. Dieses Gefühl aus der Kindheit, wenn man wartet, bis das Glockerl läutet – das Sich-Hinfreuen – möchte ich immer wieder neu kreieren.“

Die Passion komme aus einer Zeit, in der der Advent eine dunkle Kerbe bekommen hat. Julia Sobieszek war drei Jahre alt, als ihr Halbbruder wenige Tage vor Weihnachten starb. Sie erinnert sich nicht an Details, aber an die Atmosphäre, die der Verlust zuhause hinterließ. Ihre Schwester und sie hätten instinktiv versucht, die Eltern zu trösten, sagt sie. „Meine Mama hat mir erzählt, dass ich herumgestolpert bin, wie ein Clown, der die Menschen zum Lachen bringt“, sagt Sobieszek über den frühen Impuls.

Sie hat eine Karriere daraus gebaut, Menschen ein Lachen ins Gesicht zu zaubern. Die Netzwerke und Kontakte, die sie in fast 20 Jahren gesammelt hat, bündeln sich im Erfolg der „Single Bells“-Bühnenadaption. Mat­thias Bauer, der Adressat dieser ersten Nachricht mit der Idee zum Musiktheater „Single Bells“, zeichnet für Buch, Musik und Regie verantwortlich. Man kennt einander, seit beide 2004 für ein Programm von Erwin Steinhauer und Rupert Henning gearbeitet haben.

Risiko, Handwerk, Haltung

Mit Ko-Produzent Thomas Tröbinger hat sie viele gemeinsame Projekte und unter anderem Pizzera & Jaus in die ausverkaufte Stadthalle begleitet. Er prüfte das Vorhaben ohne Fanbrille und trägt es heute finanziell wie organisatorisch mit. „Hätte er nicht daran geglaubt, hätte ich es nicht gemacht“, sagt Sobieszek. „Wir haben unser Erspartes investiert und arbeiten extrem kostenbewusst. Für manches braucht man Profis, aber hinter der Bühne beim Umziehen helfen, Kulissen schleppen, Bühne putzen, Requisiten basteln, das machen wir selbst.“ Die blauen Flecken an ihren Armen stammen vom Kulissenabbau.

Gleichzeitig zeigt sich in diesem Projekt Sobieszeks strategische Präzision. Sie denkt amerikanisch: Stücke testen, bevor man produziert. Für das Bühnenstück „Single Bells“ gab es öffentliche Leseproben, Fragebögen fürs Publikum, iterative Überarbeitung. Das Publikum wurde zum Ko-Autor, Szenen gekürzt, Lieder ergänzt.

Sich nicht so wichtig nehmen

Die dicht verschärfte Bühnenversion mit passgenauem Cast und pointierten Liedern verkaufte schon vor der Premiere Mitte November 15.000 Karten – nahezu ausverkauft. Wirtschaftlich werde man dennoch erst 2026 positiv bilanzierten, sagt Sobieszek. „Kunst und Kultur kosten“, sagt sie und meint nicht nur Geld, sondern Zeit, Mitarbeit, Ausdauer, das Aushalten von Ungewissheit.

„Künstlerinnen und Künstler dienen dem Publikum. Ich mache diesen Beruf, damit Menschen sich freuen können. Dabei darf man sich selbst nicht zu wichtig nehmen“, bringt sie auf den Punkt, was fast zwei Jahrzehnte Kabarettbranche sie gelehrt haben.

Humor als soziale Kraft zu begreifen, klingt gerade im nervösen Weihnachts-Countdown nach einem wichtigen Naviga­tionsinstrument.

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Inge Maux und Gregor Seberg

 © Ulrike Rauch

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 48/2025 erschienen.

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